Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1925

Spalte:

217-219

Autor/Hrsg.:

Wesendonk, O. G. von

Titel/Untertitel:

Über georgisches Heidentum 1925

Rezensent:

Clemen, Carl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack

Herausgegeben von Professor D. EmatlUel Hirsch unter Mitwirkung von

Prof. D. Wilh. Heitmüller, Prof. D. Dr. G. Hölscher, Prof. D. Arthur Titius, Prof. D. Dr. G. Wobbermin

Mit Bibliographischem Beiblatt, bearbeitet von Priv.-Doz. Lic. theol. Kurt Dietrich Schmidt, Göttingen
Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: vierteljährlich Rm. 8.—. — Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

C.M lahffr Nf Iii Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D. H irsch in Göttingen, 16. Mai 1925.

0U. jatirg. NT. 1U. Bauratgerberstr. 19, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag.

Wesendonk, Über georgisches Heidentum : Harnack, Die Reden Pauls von Samosata an

(Clemen). Sabinus (Zenobia?) und seine Christologie

Procksch, Die Genesis (Meinhold). (Loofs).

Preuschen, Griechisch-Deutsches Wörterbuch Muggenthaler, Kolonisatorische und wirt-

zu den Schriften des Neuen Testaments und

d. übrigen urchristlichen Literatur (Debrunner).
Schmitz, Die Christus - Gemeinschaft des

Paulus im Lichte seines Genetivgebrauchs

(Lohmeyer).
Horner, Pistis Sophia (Carl Schmidt).
Harnack, Marcion: Das Evangelium vom

fremden Gott (Koch). (Loofs).

schaftliche Tätigkeit eines deutschen Zisterzienserklosters
im 12. u. 13. Jh. (Ficker).
Meyer, Bruder Franz (Ders.).
Orupp, Kulturgeschichte d. Mittelalters (Ders.).
Kruitwagen, S. Thomae de Aquino Summa

opusculorum (Koch).
F1 a s k a m p , Auf hessischen Bonifatiuspfaden

Lehmann, Die deutschen Klassiker: Herder,

Schiller, Goethe (Petsch).
Pfannmüller, Goethe und das Kirchenlied

(Smend).

Vorländer, Immanuel Kant (Stephan).

Andreas-Salome, Friedrich Nietzsche in
seinen Werken (Hirsch).

Selbie,The Psychology of Religion (Wobbermin
).

Brunn er, Erlebnis, Erkenntnis und Glaube
(Steinmann).

Wesendonk, O. G. von: Ober georgisches Heidentum.

Leipzig: Verlag der „Asia major" 1924. (VII, 103 S.) gr. 8°.

Von Wesendonk hat sich schon früher außer durch
kleinere Beiträge zum Neuen Orient und zur Orientalistischen
Literaturzeitung durch eine Arbeit über die
Lehre des Mani und ein umfangreiches Buch: Urmensch
und Seele in der iranischen Überlieferung bekannt geneben
Anaitis und Omanos, d. h. Vohu manö genannten Anadatos
event. wieder Anahita verstanden werden soll, ist nicht recht ersichtlich
; es wird damit wohl in der Tat Ameretäs gemeint sein (vgl.
meine griech. und lat. Nachrichten über die pers. Religion 145 f.).

v. W. selbst bespricht, ehe er von diesen Außenbezirken des
persischen Reiches auf Georgien schließt, erst noch die Nachrichten
über die Albaner, deren Verhältnis zu den übrigen Kaukasusvölkerp
freilich noch unklar ist. Als ihre Gottheiten bezeichnet Strabo XI,

macht. In der vorliegenden Schrift zeigt er, daß er auch j 4< 7f. Helios, Zeus und Selene, die aber von manchen mit Anahita
seine gegenwärtige Stellung als deutscher Generalkonsul
in Tiflis zu wissenschaftlichen Studien benutzt: er hat
zum ersten Mal in das georgische Heidentum Licht zu
bringen versucht und sich dadurch zweifellos ein großes
Verdienst erworben.

Aber zunächst bespricht er nach einem einleitenden Kapitel,
das die Ergebnisse der ganzen Untersuchung vorausnimmt, das sog.
japhetitische Problem, d. h. die Theorie von Marr und Braun,daß die
ältesten, vorindogermanischen Kulturträger in Europa und Vorderasien
eine geschlossene Gruppe gebildet hätten. Ihre Bezeichnung als
Japhetiten, für die man anführt, daß sie sich für die Indogermanen
nicht durchgesetzt habe und dadurch frei geworden sei, kritisiert v. W.
nicht; Bork hat (Manus 1923, 178) nicht unrichtig darüber bemerkt
: ,,ich möchte die Herren Braun und Marr fragen, warum sie die
Kaukasier nicht Ismaelitcn oder Westindier nennen wollen. Die
Araber werden heutzutage nicht mehr Ismaelitcn und die Indianer
nicht Westindier genannt. Beide Bezeichnungen sind frei, und die
erste ist auch, worauf man Wert zu legen scheint, biblisch". Aber
schließlich kommt es auf diesen Namen, für den andere andere gebraucht
haben, ja nicht weiter an; damit, daß die Einheitlichkeit der
europäisch-vorderasiatischen Urbevölkerung noch nicht bewiesen ist,
hat v. W. gewiß recht. Nur zwischen dem Georgischen und dem
Baskischen seien bemerkenswerte Parallelen aufgezeigt worden, denen
man weiter nachgehen sollte; v. W. hätte hier neben einem wohl noch
nicht veröffentlichten Vortrag von Meckelein namentlich den Aufsatz
von Uhlenbeck, Over een mogelijke verwantschap van baskisch met
de palaeo-kaukasische talen, Verhandelingen der akademie van weten-
schapen te Amsterdam, Afd. Letterkunde 55, ser. A. 5, 1923 anführen
können. Statt dessen erinnert v. W. an vorgeschichtliche Beziehungen
zu Elam, Sumerien, Persien und Transkaspien, ohne daraus jedoch
zunächst weitere Schlüsse für das georgische Heidentum zu ziehen.

In einem dritten Kapitel untersucht er vielmehr die religiösen
Zustände im Iran und den zum persischen Reich gehörigen Außenbezirken
, nach denen wohl auch die in Georgien zu denken seien.
Dabei zeigt sich, daß zunächst in Armenien „ein auf alter chaldäischer
Grundlage geschaffener Polytheismus iranischer Färbung" geherrscht
habe, „dem Einflüsse aus Mesopotamien, aus Syrien, wie aus der
hellenischen Welt nicht fremd geblieben sind" (30). Weiterhin in
Kappadozien und Pontus wirkten zunächst hethitische Anschauungen
ein, zu denen v. W., wohl ohne genügenden Grund, auch die neuerdings
so viel behandelte Zrvanspekulation rechnet, ferner griechische
und endlich iranische. Wie freilich bei Strabo XI, 8, 4 unter dem

identifiziert wird. In der Tat fand sich in Gunib eine Bronzestatuette
einer ihr Kind nährenden Frau, während im Daghestän phallische
Darstellungen von Männern und Stieren entdeckt wurden. Vor allem
aber wird der eigentümliche Gebrauch, einen Hierodulen, der besonders
begeistert wird, zu fesseln und ein Jahr lang prächtig zu
verpflegen, dann aber mit Opfertieren zusammen zu schlachten, wie
ich schon in meinem Aufsatz über die Tötung des Vegetationsgeistes
(Neue Jahrbücher f. d. klass. Altertum 1922, I, 132) gezeigt habe,
eben als solche zu erklären seien. Ja v. W. selbst unterstützt diese
Deutung vielleicht, wenn er von einem bis zum 6. Jahrhundert in
Albanien alljährlich geübten Brauch berichtet, einem Knaben erst
zwei Finger und zwei Zehen abzuschneiden, ihn dann zu töten, zu
schinden und die Haut in einen Kasten zu legen; denn mit ihr könnten
ursprünglich, wie wir es aus Mexiko kennen, die Kräfte des Vegetationsgeistes
auf einen neuen Repräsentanten desselben übertragen
werden sollen. Selbst das noch jetzt am 14./15. August gefeierte große
Georgsfest, von dem v. W. sagt, es trage ganz die Züge des heidnischen
Kultes, wie er etwa bei Strabo geschildert werde, und in
dem in der Tat namentlich die rätselhafte Sitte, daß einer der
„Sklaven" des heiligen Georg vor der Kirche niederfällt, so daß man
sie nicht betreten kann, ohne ihn zu überschreiten, damit zusammenhängen
könnte, daß jenen geopferten Hierodulen, wie Strabo berichtet
, alle betraten, um sich dadurch zu reinigen — dieses Fest
könnte, eben weil es nicht wie sonst am 23. April, sondern im August
gefeiert wird, ursprünglich jenen Sinn haben; denn um diese Zeit
wird ja auch, sonst naturgemäß der Vegetationsgeist getötet.

v. W. selbst weist in seinem letzten, ausführlichsten Kapitel, in
dem er nun eigentlich erst auf sein Thema kommt, in dem georgischen
Heidentum zunächst reinmazdaistische Überlieferungen nach,
die freilich nicht sehr zahlreich und z. T. nicht sicher sind. So wird
man in der Behauptung georgischer Chroniken, z. Z. des Nabuchodo-
nosor habe man bei der Eheschließung nicht auf die Verwandtschaft
geachtet, alles, was lebt, gegessen, die Toten nicht begraben
und die Leichen verschlungen, wenn das zweite und vierte doch nicht
dazu passen würde, kaum einen Beweis für mazdaistische Anschauungen
sehen können und auch in dem unsichtbaren Gott, dem
Schöpfer aller Dinge, den nach der Alexanderlegende Alexander zu
verehren befohlen habe, nicht Ahurö Mazdä zu erblicken brauchen.
Endlich die Bevorzugung des Feuerkults und der Magier, die aus der
Zeit um 100 v. Chr. berichtet wird, kann nach' v. W. selbst auch erst
später stattgefunden haben; der Mazdaismus hätte also vor allem
unter den Sassanlden und bis ins 7. Jahrhundert Einfluß gehabt und

218