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Ausgabe: | 1925 Nr. 9 |
Spalte: | 211 |
Autor/Hrsg.: | Moser, Hans |
Titel/Untertitel: | Thomas Hobbes. Seine logische Problematik und ihre erkentnistheoretischen Voraussetzungen 1925 |
Rezensent: | Jordan, Bruno |
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Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 9.
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bedingte Abhängigkeit des Seins von der Erkenntnis, j Einsicht in die „Dignität" rein logischer Betrachtungsweise nirgends
die ja im Absoluten wurzelt und endet, ist nicht zur Dar- j recht hinaus.
Stellung gelangt. Auch Starcke scheint mir der Ver- Bremen. Bruno Jordan,
suchung erlegen, Spinoza zu einfach, zu einheitlich
auch in seinem Wesen zu fassen, die Konsequenz und
Eindeutigkeit seines Systems zu überschätzen und die
Spaltungen und Gegensätze in seinem Gedankenleben zu
übersehen.
Trotz aller dieser Bedenken halte ich gleichwohl
das Werk Starckes für eine ausgezeichnete Förderung
der Erforschung Spinozas; es bringt vor allem doch
mehr als bloße Zusammenfassung der Ergebnisse; es
imponiert durch klare, sicher geführte Analysen, die in
Einzelheiten auf verwickelte Zusammenhänge oft überraschendes
Licht fallen lassen. Ohne Zweifel ist dieses
Buch eine an Anregungen und Aufhellungen selten
reiche, auch im Ausdruck recht geschmackvolle Darstellung
.
Bremen. Bruno Jordan.
Moser, Dr. Hans: Thomas Hobbes. Seine logische Problematik
und ihre erkenntnistheoretischen Voraussetzungen. Berlin: Dr.
Hellersberg 1923. (61 S.) gr. 8°. Rmi 2—.
Der Verfasser dieser Darstellung der Logik und Erkenntnistheorie
Hobbes' beschränkt selbst seine Aufgabe darauf, „die innere Dialektik
der Hobbesischen Logik von ihren eigenen Voraussetzungen her zu
durchleuchten". Er sucht also weder ihren Ort in einer historischen
Entwicklungslinie aufzuweisen noch ihre ideengeschichtliche Bedeutung
zu werten. Innerhalb dieses engen Rahmens ist es ihm in der Tat
einigermaßen gelungen, „das Oefüge dieses schwer durchschaubaren
Gebildes aufzuheilen". Aber die sorgsame Analyse hätte durch
Ausblicke wenigstens nach jenen beiden anderen Richtungen hin
erheblich gewinnen können. Die einzelnen „Stücke" fallen doch zu
sehr auseinander, und der Wert der einzelnen Oedankenreihen erscheint
zu gleichmäßig, weil sie nicht am Ganzen des Systems und
der historischen Entwicklung gemessen werden. Es wäre z. B. zweckmäßiger
gewesen, die einleitenden Bemerkungen über die Methode
sogleich mit den Erörterungen über die Methodenlehre im 4. Kapitel
zu verknüpfen. So wird der „logische" Ort der Logik schwerlich klar
herausgestellt. Dazu kommt, daß der Verfasser auf die Darlegung der
metaphysischen Prinzipien ganz verzichtet. In Einzelheiten dagegen
bringt die Untersuchung viel Aufhellendes und Förderliches, besonders
im 2. Kapitel de propositione, wo Hobbes' Ablehnung der Relationserkenntnis
zum ersten Mal tiefer begründet erscheint.
Bremen. Bruno Jordan.
Störring, Prof. Dr. Gustav: Was soll uns Kant sein ? Leipzig:
W. Engelmann 1924. (III, 66 S. m. 2 Textfiguren.) gr. 8°. Rm.2—.
Die kleine Studie benutzt eine kurze Darstellung der Lehren
Kants, die nirgends tiefer gräbt, als Sprungbrett für eigene systematische
Erörterungen. Die kritische Würdigung der praktischen Philosophie
Kants wirft ihrem Moralprinzip Formalität vor, vermißt sittliche
Selbstachtung als Triebfeder, behauptet, daß die Erkenntnis,
was im gegebenen Fall sittlich sei, doch eine Tatsachenwahrheit sein
könne. Die Ethik Kants sei der eudämonistischen und energetischen
Ethik nicht gerecht geworden, sie nehme keine Rücksicht auf den
Effekt des Wollens. Auf Grund dieser Kritik versucht der Verfasser
eine Weiterbildung im Sinne einer materialcn Persönlichkeitsethik, welche
den Gegensatz der kant'schen und eudämonistischen Ethik dadurch überbrückt
, daß sie das einfache sittliche Wollen als Grundlage des höheren
(Förderung oder Behauptung der sittlichen Selbstachtung, worauf sich
wieder die Achtung vor dem Sittengesetz gründe) betrachtet. In
ähnlicher Weise behandelt Störring die Hauptleistungen auf dem
Gebiet der theoretischen Philosophie. Er betont die heuristische Bedeutung
der Psychologie für die Logik und versucht eine allgemeine
logische Charakterisierung der Operationsweisen des Schließcns und
des synthetischen Apriori auf der Grundlage psychogenetischer Untersuchungen
. Er will die von Kant ungelöste Frage beantworten,
wodurch synthetische Urteile a priori „ermöglicht" werden. Der
Schluß auf unendlich viele Fälle (die Grundlage des Apriori) komme
zustande im reinen Denken durch die Gleichförmigkeit des Raumgebildes
, des Zeitgebildes, der Zahlenreihe (Repräsention einer endlosen
Zahl von Fällen durch einen Fall), in der Arithmetik durch
Gleichförmigkeit von Schlüssen in einem Punkte; in der Geometrie
geselle sich dazu als ausschlaggebend die räumliche Anschauung. So
sollen überall Hume und Kant „versöhnt" werden. Zweifelsohne sind
diese psychogenetischen Untersuchungen an sich von Wert, aber das
transzendentalkritische Problem (das sie voraussetzen) wird von ihnen
nicht berührt. Sie verwechseln empirischen Tatbestand und logischen
Sachverhalt; über eine Psychologie des ethischen und logischen Verhaltens
kommt der Verfasser trotz ehrlichen Bemühens und trotz der
Haymann, Prof. Dr. Franz: Kants Kritizismus und die natur-
rechtlichen Strömungen der Gegenwart. Festrede, anläßlich
der 200jährigen Wiederkehr des Geburtstages v. Immanuel Kant
gehalten am 8. März 1924 in d. Juristischen Oesellschaft in Köln.
Berlin: Pan-Verlag 1924. (33 S.) kl. 8°. Rm. —90.
Der Vortrag läßt sich inhaltlich in vier Teile zerlegen
. Der erste (S. 1—12) behandelt die Grundgedanken
der kantischen Philosophie, wie sie in den
Kritiken der reinen und der praktischen Vernunft zu
finden sind; der zweite (— S. 15) stellt das Problem:
„Gibt es neben dem positiven Rechte ein ewig geltendes,
allgemein gültiges Naturrecht?"; der dritte enthält in
stillschweigender Bejahung dieser Frage einen Überblick
über die naturrechtlichen Bestrebungen in der neueren
Zeit, unter denen die „altehrwürdige Lehre der katholischen
Kirche" und die Freirechtsbewegung besonders
hervorgehoben werden; im vierten schließlich wird die
Frage untersucht, ob und wie eine Vereinigung der beiden
Rechtsprinzipien: der Positivität und des apriorischen
Naturrechts, in der heutigen Welt möglich sei.
Den hiermit aufgestellten Dualismus zwischen jus posi-
tivum und jus naturale ist der Verfasser dabei nicht gewillt
aufzuheben. Er kommt zu dem Ergebnis, daß zwar
„die apriorischen Normen des Naturrechts innerhalb
positiver Jurisprudenz nur insoweit Geltung haben, als
die oberste Gewalt in einem Gemeinwesen in eigener
selbständiger Entschließung dieses Naturrecht als maßgeblich
für den Inhalt ihrer Normen anerkannt (S. 25)",
daß aber andererseits „den Anspruch in diesem idealen
Reich zu herrschen, das allem positiven Recht zum Ziel
und Vorbild dienen muß, keinerlei positivistische Beschränktheit
dem Naturrecht streitig machen kann (S.
31)". Für beide Thesen beruft sich der Verfasser auf
den Philosophen, dessen Gedächtnis die Rede gewidmet
ist.
Gewiß ist das hier angesprochene Problern von
weitreichender Bedeutung für die juristische und allgemeine
Erkenntnislehre; man kann es mit Fug als das
Hauptproblem der Rechtsphilosophie bezeichnen. Daß
aber die hier gefundene Lösung vollkommen befriedige
, wird man nicht feststellen können. Das hängt mit
der Grundanschauung des Verfassers zusammen, der
als Anhänger der neukantischen Schule den Begriff des
natürlichen Rechts ohne weiteres dem Bereich des
S o 11 e n s zurechnet und, wenn er auch in beifalls-
würdiger Weise die Unverbrüchlichkeit der positiven
Rechtsnorm hervorhebt und auf die Gefahr einer Überspannung
der von ihm so genannten naturrechtlichen
Strömungen hinweist (S. 20/21), damit den Dualismus
zwischen positivem und Naturrecht nicht beseitigt. Demgegenüber
muß hervorgehoben werden, daß die positive
Rechtsnorm keineswegs einer natürlichen Berechtigung
— um es so auszudrücken — entbehrt, wie denn ja auch
die zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstehende Naturrechtslehre
keineswegs immer im Gegensatz zum positiven
Recht sich entwickelt hat, sondern häufig — man
denke an Pufendorf, Wolf — den ganzen Komplex
des geltenden Normensystems in ihrem System verarbeitet
hat. Freilich darf man nicht das Naturrecht in
dem vom Verfasser gebrauchten Sinne, (der sich doch
mit dem allgemeinen Begriff der Rechtsnorm deckt),
lediglich unter dem Gesichtspunkt eines synthetischen
Urteils a priori ansehen. Dieser Weg kann leicht in die
Irre führen. Sondern wer das Wesen der Rechtsnorm
erkennen will, muß schon einen Blick in das „altehrwürdige
Reich des Seins" tun und von der synthetischen
zur analytischen Methode fortschreiten. Nur so wird es
möglich sein, dem heute gültigen Rechtssystem gegenüber
Erkenntnis mit Kritik in befriedigender Weise zu
vereinigen.
Hamburg. O. Lenz.