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Ausgabe:

1925 Nr. 8

Spalte:

191-192

Autor/Hrsg.:

Schorlemmer, Paul

Titel/Untertitel:

Vom neuen Willen zur Kirche. Ein Sammelheft 1925

Rezensent:

Thimme, Wilhelm

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Seite 1

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191 Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 8. 192

tiefte Seelenforschung einen Weg zum Verständnis prophetischen
Vorherwissens und im AT und NT berichteter
Wunder bis zum schwimmenden Eisen des Elisa. Auch
das Bild unseres Herrn rundet sich damit zu ganzer
Fülle ab: er ist auch „Herr der verborgenen Seelenkräfte
" (S. 195). Auch für den Unsterblicnkeitsglauben
erscheinen dem Verf. diese geheimnisvollen Seelenkräfte
etwas zu bedeuten; im besondern wagt er eine Verbindungslinie
zu ziehen zwischen der verklärten Leiblichkeit
und den Materialisationserscheinungen.

Hier kann ich nun doch nicht mit. Der Verf. sieht
nicht, wie gerade dadurch, daß sich die psychische Forschung
dieser Dinge bemächtigt, sie immer mehr in
den Bereich natürlich verursachter Erscheinungen hineingezogen
werden. Daß er von „geheimen Kräften" reden
kann, läßt M. nicht deutlich genug sehen, daß es eben
doch eigenartige, lediglich von uns noch nicht voll durchschaute
, natürliche Kräfte sind. Wo er gegen eine
Überschätzung der besonderen mediumistischen Begabung
zu Felde zieht, sieht er das wohl. Nachher aber

Ersatz geschafft wäre, z. B. Predigt, religiöse Jugendunterweisung
, soziale Arbeit der Kirche. Dafür nätte
der eine der beiden Aufsätze, die sich mit der Bedeutung
von Kultus und Liturgie beschäftigen, getrost gestrichen
werden können. Allerdings tritt grade in diesen, sowie
besonders noch dem ersten, die eigentümliche Pointe
und Parole des Sammelheftes am deutlichsten hervor.
Es geht um die Neubelebung des kirchlichen Formwillens
, wobei die Pflege des Kultus eine Hauptrolle
spielt. Dieser Gedanke wird übrigens, zum mindesten
von Frick, mit all den Vorbehalten vertreten, die bei
evangelischen Christen nicht fehlen dürfen. Am wertvollsten
scheint mir der Beitrag von Matthes über
lebendige Gemeinden, in dem auf die gewaltige Bedeutung
der Sulze'schen Gemeindereformgedanken, die
durch die Hilbert'schen Vorschläge wohl ergänzt aber
keineswegs in den Schatten gestellt werden können,
eindrucksvoll hingewiesen wird. Sämtliche Verfasser
sind Hessen, doch tritt nur bei einigen Beiträgen die
hessische Lokalfarbe hervor. Ein Mehr in dieser Hin-
vergißt er es wieder. Sonst würde er nicht schließlich g)*,jfnre *«n Schade gewesen. Derartige Veröffent-
Hnnh wiPd>r IWe Hie mir „nserm Glanhen an ein l'chungen sind gewiß sehr geeignet, die Diskussion

doch wieder Dinge, die mit unserm Glauben an ein ^ T 7 £■ uv u p geeigne! u.e ijiskussion

ewiges Leben schlechterdings nichts zu tun haben, weil » be.r. ^r SUp f «, v"u *t ^r ^

„:. l:„t " , :„ ^.Qu;„r ra„i;„i,m Du-;„lmo Vielleicht schließen sich weitere ahnliche an, denen

sie sich ganz im Gebiet der seelischen Phänomene
halten, für unsern christlichen Ewigkeitsglauben verwenden
und meinen, die Herrlichkeit der Offenbarung
Gottes in Christus dadurch bedeutsam zu mehren, daß
er in unvergleichlichem Maße okkulte Fähigkeiten besaß
. Eine Äußerung wie die: „Wanderte seine Seele
in der Sterbestunde hinter den Vorhang des Tempels,
und war es seine Kraft, die ihn zerriß?" (S. 191),
empfinde ich zum mindesten als eine arge Geschmacklosigkeit
. Es ist nicht die Herrlichkeit Jesu Christi, um
die es dabei eigentlich geht, sondern Interessen des
gar nicht spezifisch christlichen Standpunktes der eigentlichen
Buchreligion und von dort her sich ergebender
schiefer Bibelapologetik stehen dahinter. Die vom Verf.
herangezogenen Neuansätze im Verständnis des Seelischen
sollten uns m. E. vielmehr gerade dazu helfen,
daß wir diese Dinge auch da, wo sie in höherem Zusammenhang
auftreten, als Begleiterscheinungen sekundärer
Art klarer an ihren Ort stellen lernen. Die wirklichen
Tiefen unserer gewiß geheimnisvollen Welt und
unseres eigenen Daseins in ihr liegen nun einmal nicht
auf dem Boden des Naturhaften, und mute es uns noch
so geheimnisvoll an.

Herrnhut. Th. Steinmann.

Schorle mm er, Stiftspfarrei-Paul: Vom neuen Willen zur Kirche.
Ein Sammelheft, auf Anregung und unter Mitwirkung von Karl
Knodt und Karl Veller hrsg. Gießen: Alfred Töpelmann 1024.
(92 S.) gr. 8°. Gm. 2.40.

Die Sammelschrift enthält folgende Beiträge. K.
Knodt, Vom Willen zur Kirche; D. H. Matthes, Wie
kommen wir zu lebendigen Gemeinden? P. Schorlemmer,
Die Bedeutung der Bibel für die Kirche; Lic. Dr. H.
Frick, Protestantismus und Liturgie; P. Schorlemmer,
Neubelebung der Kirche durch den Kultus; H. Knodt,
Kirche und Volksmission; K. Veller, Der Hausbesuch;
W. Kornmann, Jugendbewegung und Kirche; Dr. C.
Eichhorn, Die kirchliche Beerdigung.

Der Herausgeber beklagt im Vorwort, daß durch Absage
mehrerer in Aussicht genommener Mitarbeiter verschiedene
wichtige Themata unerörtert geblieben seien.
M. E. hätten einige Themata unbedingt behandelt und
mit der Veröffentlichung gewartet werden müssen, bis

dann aber nicht nur mehr Abrundung, sondern im
Ganzen auch noch größere Frische, Gehalt und Durchschlagskraft
zu wünschen wäre. Guter Wille allein
macht noch keinen tüchtigen Mitarbeiter.

Iburg. WA Thimme.

Soeben erschien:

Die Quellen des Richterbuches

in synoptischer Anordnung ins Deutsche übersetzt
samt einer

in Einleitung und Noten gegebenen Begründung

von D. Dr. Otto Eißfeldt

Professor an der Universität Halle/Saale.

Das Buch setzt die in der „Hexateuch-Synopse" vom
Verfasser vorgelegte Arbeit fort, indem es die im Hexateuch
festgestellten drei älteren Quellen (L, J u E) durch das
Richterbuch hindurch bis in den Anfang des 1. Samuelbuches
hinein weiter verfolgt Die Erkenntins von der
Komposition des Richterbuches aus drei, nicht — so die
übliche Auffassung — aus nur zwei (J und E) Quellen rückt
den Werdegang des Buches in neue Beleuchtung; vor allem
aber lehrt sie, wie es scheint, die Gideon-, die Abimelek-
u. die Jiphtach-Erzählung erst recht verstehen und erhellt
auch manche Dunkelheit in den anderen Erzählungen. Bei
der Lebhaftigkeit des wissenschaftlichen Kampfes um die
Berechtigung der quellenkritischen Arbeit am Alten Testament
überhaupt hat der Verfasser es für richtig gehalten, mit der
Analyse des Richterbuches grundsätzliche Bemerkungen über
die Art und die Wichtigkeit der quellenkritischen Forschung
zu verbinden und so seiner Arbeit eine über das Richterbuch
hinausgehende Bedeutung zu geben.

X, 116 u. 66* Seiten. Lex. 8".
Preis Rm. 9—; geb. Rm. 10.50

J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 2. Mai 1925.
Beiliegend Nr. 8 des Bibliographischen Beiblattes und ein Prospekt des Verlags Friedrich Bahn, Schwerin i. M.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Bauratgerberstr. 19.
Verlag der J. C. H i n r i c h s'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.