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Ausgabe:

1925 Nr. 8

Spalte:

179

Autor/Hrsg.:

Michel, Anton

Titel/Untertitel:

Humbert und Kerullarios. Studien. 1. Teil 1925

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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179

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 8.

180

in der Hauptsache aus Zitaten. Die Äußerungen protestantischer
(aber auch andersgläubiger) Schriftsteller
werden ziemlich planlos und ganz kritiklos an einander
gereiht, um zu beweisen, daß die Rede von dem finsteren
Mittelalter ein Unsinn ist, daß vielmehr das
Mittelalter eine geradezu ideale Zeit gewesen sei, wo
unter der Führung der Kirche Künste und Wissenschaften
blühten usw. usw. Alle Institutionen der mittelalterlichen
Kirche werden auf das Höchste gerühmt,
Papsttum, Mönchtum usw., die Scholastik ist die wunderbarste
Blüte der Wissenschaft, die Frömmigkeit ist
namentlich wegen ihres mystischen Gehaltes unübertrefflich
. Nur leise und versteckt wird manchmal bemerkt
, daß es doch auch weniger gute Seiten am Mittelalter
gegeben habe, aber das wird nie ausgeführt. Ich
kann nicht anders urteilen, als daß der Verf. dort, wo er
seine Hauptthese zu beweisen sucht, offene Türen einrennt
; denn wer weiß heutzutage nicht, was das
Schlagwort vom „finstern" Mittelalter bedeutet; und daß
er dort, wo er das Mittelalter charakterisiert, spricht
wie ein Convertit, dem die neue Zeit über den Kopf gewachsen
ist. Durch solche Bücher wird das Verständnis
des Mittelalters nicht gefördert, sondern erschwert. Ein
Verdienst hätte sich der Verf. erwerben können, wenn
er dem Ursprung des Wortes vom finstern Mittelalter
genau nachgegangen wäre; dann hätte er freilich sein
Buch nicht schreiben können.
Kiel. O- Ficker.

Michel, Dr. theol. Anton: Humbert und Kerullarios. Studien.
1. Teil. Mit e. pliotogr. Tafel. Paderborn: F. Schöningh 1921.
(VIII, 139 S.) gr. 8°. = Quellen und Forschungen aus d. Gebiete
d. Geschichte, 21. Bd. Gm. 9—.

Das vorliegende Buch setzt sich aus einzelnen für wissenschaftliehe
Zeitschriften bestimmten Aufsätzen zusammen, die aber wegen Druckschwierigkeiten
wieder zurückgezogen wurden und nun hier chronologisch
geordnet vorgelegt werden. Der Verfasser behandelt zunächst
den Einfluß der bvzantinisch-deutsch-römischen Politik auf das griechische
Schisma (963—1053). Er zeigt hier auf, wie Byzanz sich
immer mit den Gegenpäpslen gegen die von den deutschen Kaisern
eingesetzten Päpste und mit den weltlichen Großen wie den Cres-
centiern verbündete. Der zweite Abschnitt würdigt den Kardinal
Humbert als Staatssekretär Leos IX. und führt den m. E. gesicherten
Nachweis, daß dieser der Verfasser der ersten Papstbulle gegen
Kerullarios ist. Im 3. Abschnitt beschäftigt sich M. mit der in dem
Schisma eine bedeutsame Rolle spielenden Schrift des Kardinal
Humbert über die Gründe vom Ausgang des Geistes vom Vater und
Sohn und legt sie in gesichertem Text vor; der letzte Aufsatz, weist
Gregor den Großen als eine meist ungenannte Quelle Kardinal Humberts
im Kampfe gegen Michael Kerullarios nach. Die Arbeit des
Verfassers ist als wertvoller Beitrag zum Verständnis des Schismas
zwischen Rom und Byzanz unter Leo IX. anzusprechen.

Münster i. W. G. G r ü t z m a c h e r.

Löhr, P. Gabriel M., O. P.: Die Teutonia im 15. Jahrhundert.

Studien und Texte vornehmlich zur Geschichte ihrer Reform.
Leipzig: O. Harrassowitz 1924. (XII, 190 S.) gr. 8°. = Quellen
u. Forschungen z. Gesch. d. Dominikanerordens in Deutschland,
19. Heft. Gm. 0—.

Löhr ergänzt in willkommenster Weise das in den
„Quellen und Forschungen" bereits veröffentlichte Material
und gibt einen Überblick über die Ordensprovinz
Teutonia und ihre Reform im 15. Jahrh. Hauptquellen
sind ihm die Aufzeichnungen des Baseler Dominikaners
Joh. Meyer (vgl. über ihn Heft 12 der „Quellen und
Forschungen" und eine in Bälde erscheinende ausführliche
Darstellung von J. Gabler in München), nämlich
seine Sammlungen von Urkundenabschriften und Notizen
zur Geschichte des Predigerordens auf der Universitätsbibliothek
zu Basel, die Chronik der Generalmeister
von 1484 im Stadtarchiv in Freiburg i. Br. und die von
Paul Lehmann im Bayrischen Nationalmuseum in München
entdeckte Cronica brevis von 1470. Die Mittelpunkte
der Reform sind die Klöster von Basel, Wien
(von wo die Reformbewegung in Ungarn und Böhmen
eindringt) und Nürnberg. 1465 wurden die reformierten
Konvente innerhalb der Provinz zu einer eigenen Kon-

j gregation unter einem Generalvikar zusammenge-
I schlössen, nach dessen Tode vier Partikularvikare, ent-
| sprechend den vier Nationen der Provinz, bestellt wur-
i den. 1475 waren die Observanten auf dem Provinzial-
kapitel in der Mehrheit, sie wählten den Provinzial (Jakob
Fabri von Stilbach, Prior von Köln), den dann der
Papst bestätigte, und die Konventualen erhielten den
von ihnen zum Provinzial Gewählten als Vikar (die
Rollen waren also vertauscht). Seit 1475 war die Teutonia
also offiziell observant (S. 17). Das Verhältnis
der observanten zu den nicht observanten Klöstern war
damals 32 :22. Es kamen aber noch weitere Klöster
hinzu. 1488 folgte dem Jakob von Stubach wieder ein
Observant, der bekannte Jakob Sprenger, Prior von
Köln (f 1495), neben dem sein Nachfolger im Kölner
Priorat, Servatius Vankel eine Hauptrolle spielte. „Auf
die Dauer wäre die ganze Provinz der Observanz zuge-
i führt worden. 1518 wurde sogar vorübergehend auf
das Ersuchen Cajetans die Kongregation der Konventualen
durch Leo X. unterdrückt. Da brach die Kirchenspaltung
aus und machte die Reform unmöglich." (Hier
erscheint ein Fragezeichen angebracht: auch ohne das
Dazwischentreten der Reformation wäre wohl die Reform
zum Stillstand gekommen; alle Reformbewegungen
im Mönchstum des ausgehenden Mittelalters
sind zeitlich und örtlich beschränkt geblieben.)

In besonderen Abschnitten schildert Löhr die
Stellung der Provinziale und Generale zur Reform in
der Teutonia, das gespannte Verhältnis zwischen Konventualen
und Observanten, Basel als Typ eines Reformklosters
. Zum Schluß stellt er zusammen, was er Neues
über den Studienbetrieb, Bibliotheken und zur Gelehrtengeschichte
der Teutonia im 15. Jahrh. ermittelt hat.

Die abgedruckten Quellenstücke sind sorgfältig kommentiert, was
besonders in die Augen springt bei der Liste, die Joh. Meyer angefertigt
hat von allen mit ihm im Baseler Konvent zusammenlebenden
(50) und in anderen Klöstern sich aufhaltenden (36) und seit seinem
Eintritt i. J. 1442 (70) und vorher, soweit er die Namen erfahren
hat, (15) verstorbenen Brüder: ,,c. 175 Namen für einen Zeitraum
von 53 Jahren, gewiß eine erstaunlich hohe Ziffer" (S. 27).
Zwickau i. S. O. Clernen.

Franziskanische Studien 1924 (11. Jahrg.) 1./2. Heft, Juli: Festnummer
zur Hundertjahrfeier des P. Ignatius Jeiler 1823—1923.
Münster i. W.: Aschendorff. (164 S. mit Abb.) gr. 8°. Gm. 5—

Der Franziskaner Ignatius Jeiler ist uns bekannt
hauptsächlich als Leiter der monumentalen Bonaventuraausgabe
, die 1882—1902 zu Quaracchi in 11 Foliobänden
erschienen ist. In dem vorliegenden Heft der
Franziskanischen Studien, das ganz dem Andenken dieses
Ordensbruders gewidmet ist, wird sein Leben, seine Entwicklung
, seine Arbeit in 10 Aufsätzen von verschiedenen
Verfassern nach verschiedenen Seiten dargelegt und
beleuchtet. Zuerst bietet Doelle einen Abriß seines
Lebens und Wirkens, dann folgen kurze Erinnerungen
an ihn von Ehrle und Bäumker, dann eine Beschreibung
seiner Arbeit in Quaracchi und Schilderung der dortigen
Anstalt durch Öliger, Grabmann, Boving, endlich wird
er als Geistesmann von Imle, als Seelenführer von
Anweiler, als Prediger von Meyer, als Schriftsteller
von Neyer geschildert. Die Aufsätze sind natürlich verschieden
an Wert, doch sind sie im Ganzen trotz hoher
Lobsprüche nüchtern gehalten. Für uns ist besonders
von Wert die Schilderung dessen, was in Quaracchi geleistet
wurde. Die Hauptarbeit hatte eigentlich Jeilers
Vorgänger, P. Fidelis a Fanna, geleistet, der 8 Jahre
lang fast 400 Bibliotheken Europas besucht und über
50 000 Handschriften, die auf die Franziskanerscholastik
sich beziehen, in über 20 großen Foliobänden eingehend
beschrieben hat (S. 64), und auf dessen Anregung auch
vom Orden ein eigenes Anwesen, eben Quaracchi bei
Florenz, nebst eigener Druckerei für die Herstellung der
Bonaventuraausgabe erworben wurde. Aber Jeiler hat
dann dieses große Werk auf Grund der Vorarbeiten seines
schon 1881 gestorbenen Vorgängers in zwanzigjähriger
energischer Gelehrtenarbeit durchgeführt.