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Ausgabe:

1924 Nr. 9

Spalte:

174-176

Autor/Hrsg.:

Plooij, Daniël

Titel/Untertitel:

A primitive Text of the Diatessaron 1924

Rezensent:

Dibelius, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 9.

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hinaufreichenden Göttergestalten, die auf dem angedeuteten
Weg entstanden und durch archäologisches Material
in reicher Fülle bezeugt sein sollen, beginnt mit der
Mutter Erde (S. 97 ff.), die eine Mondgottin in sich
aufgenommen hat (archäologisches Symbol ist das Beil).
Zur Erkenntnis eines Himmelsgottes (S. 107 ff.) weiß
W. archäologisch nichts beizusteuern, dagegen glaubt er
den Gewittergott deutlicher fassen zu können (S. 111 ff.;
wahrscheinlich ist er mit einer Mondgottheit verschmolzen
), ferner den Sonnengott (S. 122 ff.1; archäologisches
Symbol ist das Kreuz und der Kreis), die Gottin der
Morgenröte (S 142 ff.), hauptsächlich aber die am ausführlichsten
behandelte idg. Mondgottheit (S. 145 ff.;
archäologische Symbole sind zahlreiche Tiere, die Axt,
die Spirale und das Hakenkreuz). Die Reihe der idg.
Götter beschließen die Dioskuren, die der Verf. auch als
Lichtgottheiten betrachtet (S. 189 ff.).
IQe] Fr. Kauffmann.

1) ,,Wenn es einen solchen gab, müssen seine Züge natürlich die
realen Erscheinungen widerspiegeln, die wir an dem großen Tagesgestirn
beobachten" — so radikalem Naturalismus wird hier gehuldigt!

Aptowitzer, Prof. Dr. V.: Kain und Abel in der Agada,
den Apokryphen, der hellenistischen, christl. u. muham-
medanischen Literatur. Wien: R. Löwit 1922. (VIII, 184 S.)
8°. = Veröffentl. d. Alex Kohut Memorial Foundation Bd. 1.

Gm. 1.50.

Das Genes. 4 behandelte Thema Kain und Abel hat
in der spätren schriftlichen Überlieferung bei Juden,
Christen und Muslimen noch eine lange Nachgeschichte
erfahren. Galt es doch manche Rätsel des biblischen
Textes zu lösen und die ganze Situation sich verständlich
zu machen. Während es sich hier um weiterspinnende,
gelehrte oder Kunstsage handelt, lebt in der jüngeren
Überlieferung aber auch ursprüngliche alte Volkssage
weiter, aus der der biblische Text nur ein Ausschnitt ist.
Freilich sind die Grenzen zwischen Volks- und Kunstsage
recht fließend!

Unter diesen Gesichtspunkten schüttet Aptowitzer
aus der Fülle seiner Belesenheit allerlei Materialien
aus zu den Kapiteln: Geburt und Alter der Brüder,
Abels Heirat, der Bruderzwist, das Opfer, Tod Abels
und Kains, das Lcmechlied.

Gen. 4, 1 folgt A. wieder der landläufigen, aber
falschen Übersetzung: „Einen Menschen habe ich erworben
mit Hilfe Gottes" (schreib: Jahwe's) S. 1. Das
Richtige hat bereits „Jonathan" (S. 129): „Ich habe
zum Mann erworben (nicht: einen Engel Gottes — so
Jonathan —, sondern:) Jahwe". Überhaupt wäre dieser
Text S. 129 besser unter dem 1. Kapitel behandelt. Noch
in der Haggada ist die Erinnerung erhalten, daß Kain
und Abel Zwillinge waren. Auch mag die Haggada auf
der richtigen Fährte sein, daß die Brüder ursprünglich
um eine Frau stritten (S. 26, 119).

I» philologischen Dingen wäre noch größere Korrektheit erwünscht
. So steht z. B. S. 22 Abul-Feda, S. 110 Abul-Fida, S. 22
Masudi — S. 116 Massudi. Beständig ist Posnanski statt Poznanski
(S. 117, 128) geschrieben. Auch sollte endlich einmal die Schreibung
Misehna.Niddn usw. statt Mischnah, Thorah U. ä. eingeführt werden. S. 1

schreibe Adiaphotos st. Adiaphotcs; S. 17 nPC."1 st. nPC7>. S. 105

wären die hämischen Bemerkungen gegen Christen „In der Juden- und
Bibelkritik ist das „credo quia absurdum" immer oberstes Prinzip gewesen
" besser unterblieben!

Im Übrigen aber können Juden wie Christen dem
gelehrten Verfasser nur sehr dankbar sein für das Gebotene
, das zur Bereicherung unseres Wissens dient und
uns einsehen läßt, wie viel wir noch für die Geschichte
der biblischen Sagenforschung zu lernen haben. Die
Schrift leitet als erster Band die „Veröffentlichungen
der Alexander Kohut Memorial Foundation" aufs Beste
ein. Ein Register würde die Brauchbarkeit des Ganzen
noch erheblich erhöhen.
Heidelberg. Georg Beer.

Brückner, D. Wilhelm: Die große und die kleine Buchrolle
in der Offenbarung Johannis Kap. 5 u. 10. Gießen A. Töpel-
mann 1923. (22 S.) gr. 8". Gm. -20.

Ein Nestor unter den badischen Pfarrern wie unter
den neutestamentlichen Forschern, weiß der Verf. mit
staunenswerter Frische einen neuen Versuch literarkri-
tischer Art zur Lösung des Apokalypsen-Problems vorzutragen
. Apc. 1,4—3,22; 22,6—21 sind die durchaus
christlichen Bestandteile des Buches; in dem dazwischen
stehenden Hauptabschnitt kann es sich nur um eine
dünne christliche Oberschicht handeln, während die
Masse des Stoffes jüdischer Herkunft ist. Im einzelnen
meint Br. zwei jüdische Apokalypsen zu erkennen und
meint auch im Buche selbst Hinweise auf diese Quellen
zu finden, in dem ßißUov (mit den 7 Siegeln) Apc. 5
und in dem ßißlagidiov Apc. 10. Jene erste „große Buchrolle
" schildert zunächst geschichtliche Ereignisse (in
den apokalyptischen Reitern — Br. vertritt die zeitgeschichtliche
Auslegung!) und gibt dann Antwort auf
die Frage der Märtyrer „Herr, wie lange wirst Du noch
zögern?" Die Antwort ist zu finden in den Posaunen-
Visionen, in der Messiaserscheinung 14, 14—20, in den
Schalenvisionen, in dem alten Bestand von Kap. 17 sowie
in der Messiasschlacht Kap. 19. Bleibender Schauplatz
der Ereignisse ist der Himmel (für die Messiasschlacht
scheint mir das fraglich zu sein). Die kleine
Buchrolle aber, in Kap. 10 eingeführt, enthält die Weissagungen
11, 1 — 13; 12, 1—9; 13.1—7. 11—18. Die himmlische
Szenerie der großen Buchrolle ist hier nicht angedeutet
; was die Stücke verbindet, ist die Erwähnung der
Zeitdauer von 42 Monaten 1260 Tagen (11,2; 11,3;
12,6; 13,5). Br. läßt diese 42 Monate eine feste Zahl
sein, die aber der Verf. der kleinen Buchrolle in der
1 46 monatlichen Regierungszeit Caligulas wiederfand. Darum
ist diese Apokalypse in das Todesjahr dieses Kaisers
zu setzen, die it'kryvl rov Üavürov auf seine Krankheit zu
beziehen, von der er wieder genas, das Zahlenrätsel
13, 18 ist 616 zu lesen und raiog Kaioag zu deuten.

Man sieht: Br. arbeitet nach Art der alten Quellenscheidung
und der zeitgeschichtlichen Erklärung. Man
sieht aber ebenso, daß diese Arbeit auch für die heute
anders eingestellte Forschung ihren Wert behält. Die
Gruppierung der Stoffmassen ist vielfach wohl gelungen,
die Ablösung der christlichen Redaktionsarbeit von dem
Stoff ist ebenfalls im Ganzen einleuchtend. Wenn Br.
Kap. 18 als besonderes Fragment faßt, so beweist er, daß
ihm an der restlosen Verteilung des Stoffes auf seine
Quellschriften, die von so vielen literarischen Versuchen
angestrebt wird, nichts gelegen ist. Und wenn ich auch
in manchen Einzelfragen (z. B. 14,14—20) etwas anders
und über die zeitgeschichtlichen Beziehungen ganz anders
denke, so habe ich die Schrift doch — und wie mir
wird es vielen gehen — mit Gewinn gelesen und werde
sie mit Nutzen verwerten.

Heidelberg. Martin Dibelius.

Plooij, Dr. D.: A primitive Text of the Diatessaron. The

Liege manuscript of a mediaeval Dutch Translation, a preliminary
Studv. Wfth an introduetory note by Dr. J. Rendel Harris Leydeiv
A. W. Sijthoff 1923. (85 S. u. 4 Tafeln.) Fl. 3.50; geb. 4.50.'

[An deutsche u. österr. Gelehrte u. Bibliotheken zu einem ermäßigten
(etwa deutschem Inlandspreis entsprechenden) Preis-
s. hierüber ThLZ '23 Sp. 119.]

Nur auf Wunsch des Herrn Herausgebers habe ich
das Referat über die neue Tatian-Entdeckung übernommen
. Des Syrischen nicht kundig, fühle ich mich
für Einzelheiten der Rückübersetzung nicht zuständig
und will darum den Bericht über die Tatsachen in den
Vordergrund stellen. Diese sind allerdings wichtig genug
. Es handelt sich um die mittelniederländische Evangelienharmonie
, die in mehreren Handschriften vorliegt
(die wichtigsten in Lüttich, Stuttgart, Cambridge und
im Haag), und über die man sich in der Ausgabe der
Lütticher (L) und Stuttgarter (S) Handschrift (mit Varianten
) von J. Bergsma (Bibliotheek van Mittelneder-