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Ausgabe:

1924

Spalte:

154

Autor/Hrsg.:

Besson, Emile

Titel/Untertitel:

Les Logia Agrapha 1924

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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163

154

das für Jesus historisch in Frage käme, das auch, wie
L. zeigt, in „dekorativen" Außendingen tatsächlich in die
Welt Jesu hineinspielt, ist nicht der klassisch-griechische,
auch nicht der stoische Typus, sondern der Geist onen-
talisierten Griechentums, der Mystik und der Erlosungs-
sehnsucht voll und an verständnisvolles Aufnehmen partikularer
Überlieferung des Ostens gewöhnt. Es ist darum
irreführend, wenn L die Gestalt Jesu — sie vom morgenländischen
Wesen abrückend — in den Bereich der
Worte „Weltbürger" (S. 65) und „Aufklarer" (S. 70)
versetzt. Und die Grenze gegen das Judentum vermag L.
doch nur darum so scharf zu ziehen, weil er sein Augenmerk
vor allem auf das rabbinische Judentum richtet
und die Welt der apokalyptischen, messianisch-pietisti-
schen Volksfrömmigkeit außer Acht läßt. Sodann aber
scheint mir die ganze Fragestellung zu sehr auf der
intellektuellen Ebene zu verbleihen. Es handelt sich hier
letztlich gar nicht um die Frage, wie Jesus gedacht hat,
sondern um die andere, ob das, was er gebracht hat, zur
jüdischen Welt in Beziehung steht. Der mir, wie ich
offen gestehe, in seiner Formulierung reichlich fatale
Satz „niemals urteilt Jesus über Gott in Simplizissimus-
stimmung" (S. 70) ist auch darum irreführend, weil
Jesus gar nicht „über Gott urteilt". Es wäre an diesem
Punkte etwa zu zeigen gewesen, wie Jesu Art von Gott
zu reden der Sphäre naiver, vor Anthropomorphismen
nicht wie der Hellenismus zurückschreckender, am Alten
Testament genährter Frömmigkeit entstammt, sich aber
in der Sicherheit des Gotthabens und Um-Gott-Wissens
über sie erhebt. Als Heimat dieser allen restlosen Ableitungsversuchen
sich versagenden Geistigkeit würde
aber dann doch das apokalyptische Judentum gerade mit
den Strömungen zu nennen sein, die von der rabbinischen
Theologie abgelehnt und abgedrängt worden sind. —
Aber ich darf nicht schließen, ohne nochmals betont zu
haben, daß der von L. begangene Weg, auch wenn das
Ziel nicht greifbarer wird, reich ist an fesselnden Einblicken
in zum Teil erst jüngst erforschte Bezirke, reich
auch an weiten Ausblicken auf das große Gebiet der
orientalischen und griechischen Religionsgeschichte.

Heidelberg. Martin Dibe litis.

Burton, Ernest de Witt: A source book for the Study of the
Teaching of Jesus In its historical relationships. Chicago:
University Press 1023. (X, 277 S.) 8°. — Handbooks of Etbics and
Religion.

B.s Buch ist für Studenten bestimmt. Es will sie
zu einem wissenschaftlichen Studium der Lehre Jesu
befähigen. Zu diesem Zweck legt es ihnen das Quellenmaterial
vor und gibt Fingerzeige für seinen methodischen
Gebrauch. Zu den einzelnen Stücken der Predigt
Jesu wird zunächst die evangelische Überlieferung
mitgeteilt, sodann werden die Äußerungen des zeitgenössischen
Judentums über die betr. Gegenstände gesammelt
. Eine kritische und vergleichende Prüfung dieses
Stoffes läßt den geschulten Arbeiter zur Lehre Jesu
selbst vordringen.

Unser Werk zeigt seinen Verf. auf der Höhe der
Gegenwartsforschung. Er ist sich bewußt und prägt
seinen Lesern ein, daß uns die Evangelien zunächst gar
nicht die Predigt Jesu kennen lehren, sondern vielmehr
die Auffassung, weche gewisse Mitglieder der urchristlichen
Gemeinschaft von der Verkündigung des Meisters
gehabt haben, auch darin ist er ganz modern, daß er
die Zweiquellentheorie für sehr verbesserungsbedürftig
halt, vor allem in Q ein Sammelbecken erblickt, das von
verschiedenen, noch unterscheidbaren Zuflüssen gespeist
wird. Überraschend wirkt dagegen die Sicherheit, mit
der innerhalb der zeitgenössischen jüdischen Literatur
palästinensische und nichtpalästinensische Bestandteile
geschieden werden. Amerikanischen Verhältnissen wird
es entsprechen, daß die Quellenstücke in Übersetzung mitgeteilt
sind und die Literaturangaben mit verschwindenden
Ausnahmen nur Arbeiten enthalten, die entweder

englisch erschienen oder doch ins Englische übertragen
worden sind.

Güttingen. W. Bauer.

Besson, Emile: Les Logia Agrapha. Paroles du Christ qui ne
se trouvent pas dans les Evangiles canoniques recueillies et tradu-
ites. Avec une Preface de Sedir. Paris: A. L. Legrand. (181 S.) 8°.
= Bibliotheque des Amities Spirituelles Nr. 23.
Diese französische Übersetzung der Agrapha verfolgt, wie schon
ihre Aufnahme in die Bibliotheque des amities spirituelles zeigt und
das Vorwort bestätigt, keine gelehrten Zwecke. Damit ist aber nicht
gesagt, daß sie wissenschaftlichen Anforderungen nicht genüge. Vielmehr
ist sie mit vollkommener Beherrschung des Stoffes hergestellt;
insbesondere ist die Literatur vollständig gebucht und benutzt. Wohltuend
, weil In französischen Veröffentlichungen nicht ohne weiteres zu
erwarten, fällt die saubere Wiedergabe fremdsprachlicher Büchertitel,
auch der deutschen, auf, in sich selbst schon eine beruhigende Gewähr
der Zuverlässigkeit des Herausgebers und Übersetzers.

Gießen. G. Krüger.

Harnack, Adolf von: The „Sic et Non" of Stephanus Gobarus.

(S. 205—234.) gr. 8°. ----- Harvard Theological Review vol. XVI, 3.

Obwohl es sich bei Harnacks Arbeit nicht um eine in
Buchform erschienene Veröffentlichung handelt, rechtfertigt
der Gegenstand einen besonderen Hinweis. Der Mo-
nophysit Stephanus Gobarus ist uns nur durch die Auszüge
bekannt, die Photius (Cod. 232) aus seinem Werk,
dessen Titel er nicht angibt, vielleicht nicht kannte, gemacht
hat. Die Dogmenhistoriker haben sich dadurch
mit Recht veranlaßt gesehen, Stephanus als den mutmaßlich
Ersten zu bezeichnen, der durch einfache Zusammenstellung
widersprechender Behauptungen der Väter
darzutun versuchte, daß es sich mit der Gleichförmigkeit
des Dogmas keineswegs so verhalte, wie die Kirche
rühmte (Baur 1, 109). Auch auf die Verwandtschaft
dieses Versuchs mit dem Abälards in Sic et non ist man
frühzeitig aufmerksam geworden (Meier 19, Anm. 6;
Baur 110). Unter diesen Umständen ist es bedauerlich,
daß unsere Enzyklopädien, sogar das sonst so ergiebige
Dictionary of Christian Biography, des Mannes nicht gedenken
, und somit dankenswert, daß Harnack sich der
Mühe unterzog, uns sein Bild so scharf zu zeichnen, wie
es angesichts der spärlichen Überlieferung überhaupt
möglich ist. Ob Stephanus in Ägypten — was auch mir
wahrscheinlich — oder in Syrien schrieb, bleibt unsicher.
Als Abfassungszeit seines Werks empfiehlt sich die Re-
gierungszeit Justins IL (565—578). Die philosophischdogmatische
Einstellung des Verfassers ist die des
j Aristotelikers, Tritheiten (Photius) und Aphthartodo-
j keten. Gegenüber der Berufung seiner Gegner auf die
Tradition griff Stephanus zu dem Gewaltmittel, die
Tradition durch sich selbst ins Unrecht zu setzen, wobei
| er seiner eigenen aristotelisch-monophysitischen Theo-
i logie und Christologie lebhaften Ausduck gab. Sein bedeutsames
Buch hat im Schrifttum der griechischen
Kirchen kein Seitenstück. Leider blieb sein kühner Vorstoß
ohne Widerhall. Auch Photius scheint das Buch
nicht mehr in seiner ursprünglichen Gestalt gelesen,
sondern Auszüge eines Späteren, vielleicht eines Schülers
, wieder gegeben zu haben. Harnack hat diese Auszüge
übersetzt und erläutert, auch in einem Anhang zusammengestellt
, was sich daraus für die Exegese des
Neuen Testaments und die Kirchengeschichte der ersten
drei Jahrhunderte lernen läßt. Die sich aufdrängende
Verwandtschaft zwischen Stephanus und Abälards Unternehmen
hebt auch er hervor.
Gießen. Q. Krüger.

Butler, Dom Cuthbert: Western Mysticlsm. The Teaching of
SS. Augustine, Gregory and Bernard on Contemplation and the
Contemplative Life. Neglected Chapters in the History of Religion.
London: Constable and Co. 1922. (XIII, 344 S.) 8°.
Dom Butler — er ist nicht mehr Abt von
Downside, sondern lebt in Ealing Priory, London —
hat seinem schönen Buch über Benedictine Monachism
(diese Zeitung 1921,56) ein weiteres über Western