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Ausgabe:

1924

Spalte:

145-148

Autor/Hrsg.:

Kühn, Johannes

Titel/Untertitel:

Toleranz und Offenbarung 1924

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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Postalischer Erscheinungsort Marburg

Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Herausgegeben von Professor D. EmatlUel HirSCh unter Mitwirkung von
Prof. D. Willi. Heitmüller, Prof. D. Dr. 0. Hölscher, Prof. D. Arthur Titius, Prof. D. Dr. O. Wobbermin

Mit Bibliographischem Beiblatt, bearbeitet von Lic. theol. Kurt Dietrich Schmidt, Güttingen
lährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

Bezugspreise für das Ausland vierteljährlich 12.50 s. Fr.; 10 sh.; 2.25 $; 6— Fl.; 12.50 d. Kr.; 15— n. Kr.;

8.20 s. Kr.; 50— Lire; 75— tsch. Kr.; 85— finn. Mark.

jn I u M Ö .Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D. H irsch in Güttingen, IQ April 1924

4". Jahrg. NT. ö. Nikolausherk'er Weg 31, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. "1"

Kühn , Toleranz und Offenbarung (Hirsch). j Haelile, Das Arbeitsethos der Kirche nach 1 Ma n z o n i , Betrachtungen über die katholische

I.öhr, Untersuchungen zum Hexatcuchproblem Thomas von Aqtiin und Leo XIII. (Schian). , Moral (Koch).

(Eilifeldt). | ßoeckl, Die Bttcharistielehre der Deutschen | Michel, Kirche und Wirklichkeit (Schian).

Bundy, The Psychic Health of Jesus (Bauer). Mystiker des Mittelalters (Clemen). i Die Tat (Ders)

Lei pol dt War Jesus Jude? (Dibelius). j Dold, Konstanzer altlateinische Propheten- und

Burton , A source Book for the Study of the ; BWngellenbruchrtücta (Ders.).

Teaching of Jesus (Bauer).

Besson, Les Logia Agrapha (Krüger). i >'Vj.'f [c r • fDie Entw.cklu.ig; derfl sächsischen

Harnack, The „Sic et Non" of Stephanus j Kirchenvertassung von 1830 1914 (Schian).

Gobartis (Ders) Dehn, Die religiöse Gedankenwelt der Prole-
Butler, Western Mysticism (Ders.). tarierjugend (Ders.).

Loewe. Lerche: Jahresberichte der deutschen Spdeil, Conceptus et doctrina de Ecclesia
Geschichte (Wenck). (Koch).

Dilthey, Briefwechsel zwischen Wilhelm
Dilthey und dem Grafen Paul Yorck v. Wartenburg
1877 -1897 (Hirsch).
Zeitschrift für systematische Theologie (Mayer,
Straubing).

Mitteilungen (Haager Gesellschaft. — Teylersche
Theologische Gesellschaft. — Zeitschrift für
die alttestamentliche Wissenschaft).

K ü h n , Johannes: Toleranz und Offenbarung. Eine Untersuchung bche Typologie bricht sich immer wieder an den zur
der Motive und Motivformen der Toleranz im offenbarungsgläubigen Darstellung drängenden persönlichen Zusammenhängen;

Protestantismus. Zugleich ein Versuch zur neueren Religions- und : so kommt es nur ausnahmsweis, bei einseitigen und armen
Geistesgeschichte. Leipzig: Felix Meiner 1923. (XVI, 473 S.) gr. 8°. Persönlichkeiten, zur reinen Anschauung eines Typus.

Gm. Ii—; geb. 14—. ijncj jje Analyse der Persönlichkeiten wird immer wie-
I. Kap. Grundlinien. 1. Die religiösen Motive. 2. Das Gewissen. fer durch die tvpologischen Absichten gestört; es liegt
3. Natura und Ratio. IL Kap. Luther. I. Luther und die Entstehung K mehr an ^ Zerlegung der Persönlichkeiten gemäß
der al.protcstantisehen Intoleranz 2 Keime der Toleranz. be> Luther. rf „rlln(Je liegenden Systematik als an der Erfassung

III. Kap. Das spiritu atis tische Motiv. . Schwendeten. 2. Wilhams. , .. % ... £.» . , , ' c j • du

3. Englische Baptisten. 4. ludepeudenteu (darunter Milton). IV. Kap lhrer Oestalt. So Steht man am Ende seines Buches

Das Motiv der taufcrischcji Nachfolge. i. Die Täufer der Reformations- ; ziemlich ratlos da, wenn man sich Rechenschaft geben

zeit. 2. Quäker, v. Kap. Das mystische Motiv, i. Joris. 2. Böhme, j will über die Frucht der ganzen Arbeit: es ist weder an

vi. Kap. Das Motiv der sittlichen und rationalen Religiosität, j geschichtlicher noch an systematischer Einsicht etwas

1. Castellio. 2. Acontius. 3. Arminianer. 4. Chillingworth und Tailor. j Klares Und Rechtes gewonnen.

3. Spener. vil. Kap. o/ienbaruny und Toleranz. past wünschte man bei diesem Ergebnis, K. hätte

Die Inhaltsübersicht zeigt auf den ersten Blick j auf die Nebenabsieht der Erfassung der Persönlichkeiten

zweierlei. Erstens, daß hier ein großes und weitschichtiges
Material mit achtungswertem Fleiße durchgearbeitet
ist, zweitens, daß eine in mancher Hinsicht seltsam anmutende
Auswahl aus dem Stoffe, der an sich unter das
Thema fiele, getroffen worden ist und überdies der ausgewählte
Stoff nicht nach seinem historischen Zusammenhang
, sondern systematisch geordnet ist. Beides
erklärt sich aus Zielsetzung und Verfahren des Verf.s.
K. will keine Geschichte der Toleranz, nicht einmal eine
Geschichte der Toleranzidee geben. Er will das innere
Verhältnis der verschiedenen Typen offenbarungsgläubi-
ger Frömmigkeit, welche von einer geistesgeschichtlichen
Systematik aufgestellt werden müssen, zum Toleranzgedanken
klarstellen und so die tiefsten religiösen Wurzeln
des Toleranzgedanken bloßlegen. Er will zugleich
damit einen neuen Weg, religiöse Persönlichkeiten zu
verstehen, zeigen: er löst sie aus ihren historischen Be

verzichtet und sich rein der Darstellung der Typen hingegeben
. Aber dieser Wunsch vergeht einem angesichts
der Erkenntnis, daß das Grundgebrechen des Buchs eben
in der konkreten Art der Typenbildung besteht. Bei
solcher geistesgeschichtlichen Methode kommt ja alles
darauf an, daß das zugrunde gelegte Netz von Typen aus
einem zugleich klaren und an die Wirklichkeit sich anschmiegenden
Denken hervorgehe. K.s Typenbildung
hat keine dieser beiden Eigenschaften. Er unterscheidet
fünf „Grundeinstellungen": die profetische und die vier,
deren Bezeichnung aus den Überschriften des 3. bis 6.
Kap.s hervorgeht. Diese Einteilung ist e i n m a 1 — und
das ist ein vernichtendes Urteil angesichts der von K. Erstrebten
— ganz roh empirisch aufgegriffen; es liegt ihr
keine Besinnung auf die Gesetze des religiösen Lebens
zugrunde. Und s o d a n n , sie ist so mechanisch und unschmiegsam
wie möglich; es liegt auch an ihr, und nicht

Ziehungen heraus und untersucht sie lediglich an Hand bloß an der Undurchdringlichkeit persönlicher Lebendig

seiner Typen auf ihre Struktur. Das Bewußtsein, in Ziel- keit, daß K. die reine Anschauung eines Typus so selten

Setzung und Verfahren etwas schlechthin Eigenes und j wiederfinden kann in der Wirklichkeit.

Neues zu versuchen, gibt K. nun in seinen Augen gegen- j Ich mache das klar an dem inneren Verhältnis der

über der ganzen bisherigen Forschung eine solche Ueber- | beiden „Einstellungen", die für K. die wichtigsten sind,

legenheit, daß er sich die Auseinandersetzung mit deren der profetischen und der spiritualistischen. Für die pro-

Beobachtungen erspart und sich damit begnügt, über sie ' fetische soll charakteristisch sein die Verkündung eines

in Form v. peremptorischen Edikten Werturteile zu fällen. Gotteswillens, der in ein objektives Wort gefaßt sich die

Die Auseinandersetzung mit K. muß bei dieser
Lage wesentlich seine Methode ins Auge fassen. Schon
die kurze Beschreibung zeigt, daß sich in ihr zwei

Menschen zu unterwerfen den Anspruch erhebt. Für die
spiritualistische soll charakteristisch sein die Geburt aus
dem Geiste; an die Stelle des Objektiven und des Soll,

widerstreitende Tendenzen kreuzen. Die geistesgeschicht- I das dem profetischen Wort anhaftet, tritt das innere Er-
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