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Ausgabe:

1924 Nr. 7

Spalte:

135-136

Autor/Hrsg.:

Schütte, Albert

Titel/Untertitel:

Die hhl. Bischöfe Deutschlands im 10. Jahrhundert 1924

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Seite 1

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135

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 7.

136

Werk und die Anhänger S.s unmittelbar nach seiner
Hinrichtung, die Lichtblicke unter Julius IL, die Verschlimmerung
unter Leo X. und nach der Wiederkehr
der Mediciherrschaft in Florenz, die Gefahr der Verurteilung
wegen Ketzerei durch die Inquisition Pauls IV.,
schließliche Indizierung von 15 Predigten und der Schrift
,Von der Wahrheit der Prophetie'. Dann ,die Verehrung
des Toten' (S. 880ff.), die namentlich unter Julius IL
und dann wieder unter Clemens VI IL, in dem Bestreben
gipfelte, seine Heiligsprechung zu erreichen.

Zum Schluß ,Savonarola in der Geschichte' (S. 897ff.): zuerst
die zeitgenössischen Quellen, dann die Lebensbeschreibungen von
Burlamacchi und Pico, endlich die Behandlung S.s in der Geschichtsliteratur
. Man könnte sich die Frage vorlegen, ob dieses Kapitel nicht
hesser als Einleitung an den Anfang des Werkes gestellt worden wäre.
Sch. hat aber offenbar mit gutem Bedacht die andere Anordnung
gewählt, da der Schlüssel zum vollen Verständnis und zur richtigen
Wüdrigung in der ganzen vorausgegangenen Darstellung liegt. Bemerkenswert
ist, mit welcher Anerkennung Sch. von seinen Vorgängern
redet, wo diese die Forschung gefördert haben, zumal vom hochverdienten
Villari. Den grundstürzenden Fehler dieses Forschers findet
Sch. darin, daß er, in den Gedanken der Aufklärungszeit befangen,
die Eigenart und Hauptbedeutung des Frate in der Schwärmerei für
Freiheit und Demokratie, im Kampfe für staatlichen und kirchlichen
Fortschritt erblickte, seiner religiös-kirchlichen Tätigkeit aber zu geringe
Beachtung schenkte und seinem Anspruch auf prophetische
Sendung, also dem, was seine innerste Lebens- und Triebkraft war,
mit rührender Hilflosigkeit gegenüberstand. Grundsätzliche Gegner
S.s sind von jeher die Jesuiten. ,In ihrer Auffassung der Religiosität
im allgemeinen wie des Ordenslebens im besonderen bildeten S. und
Lovola die stärksten Gegensätze. Jener wertete als das Höchste im
Christentum wie im Orden die große, opferwillige Liebe, dieser blinden
Gehorsam' (S. 873). Von den Jesuiten abhängig ist in seinem Urteil
über S. auch L. v. Pastor in seiner Geschichte der Päpste und merkwürdigerweise
auch ein Gelehrter, der sonst mit dem Jesuitcnorden
in keinem Herzensbundc stand, der berühmte ,Spektator', der verstorbene
F. X. Kraus. Ihrer, von Quellenkcnntnis nicht immer gehemmten
, Nörgelsucht weiß Sch. mit feinem Spotte zu begegnen.
.Auch Savonarolas Stunde wird schlagen, wie die des Mädchens von
()rlcans schlug'. . .Freilich wird auch jeder neue Savonarola immer
wieder aufs neue gekreuzigt werden; denn Christentum und Kirche
wollen —das lehrt die Geschichte des großen Frate auf jedem Blatte—
nicht beim Wort genommen sein' (S. 992). Hingewiesen sei noch auf
den tadellosen Druck, bei dem nur wenige und unbedeutende Versehen
unterlaufen sind, und auf die Ausstattung mit treffend ausgewählten
und vorzüglich wiedergegebenen Bildern.

Schade, daß nicht mehr Absätze im Druck gemacht wurden,
aber es wird wohl Raumersparnis hier maßgebend gewesen sein.
Auch wäre beim Zeilentitel der linken Seite die Angabe der Kapitelzahl
erwünscht gewesen, wodurch das Nachschlagen der Anmerkungen
leichter geworden wäre. Die Anmerkungen sind nämlich alle als Anhang
beigegeben und enthalten eine Fülle von Belegen aus Quellen
und Literatur. In Kap. III A. 4 (II, S. 1002f.) wäre vielleicht auch
auf die Werke A. Schuttes über das Bankhaus Fugger und über den
Handelsverkehr zwischen Deutschland und Italien hinzuweisen gewesen
, zu Kap. III S. 55 auf H. Finke ,Aus den Tagen Bonifaz'
VIII (1902), S. 236ff., zu K. XXVIII A. 58 (S. 1092f.) betr.
Degradation auf R. Sohm, das altkath. Kirchenrecht und das Dekret
Gratians 1918, S. 340ff., zu K. XXX A. 12 (S. 1098) auf J. Rohr,
Die Prophetie im letzten Jahrhundert vor der Reformation, im Hist.
Jahrb. 1897, 29 ff. 447 ff. Das Wort von den Kelchen und Priestern
(8. 250) stammt aus älterer Zeit. Die Deutung des gemästeten
Kalbes auf Christus (S. 683) ist allerdings nicht sehr geschmackvoll,
vgl. aber z. B. den Barnabasbrief 8,2. S. 41 sollte es statt ,Ge-
sichter' heißen ,Gesichte', S. 117: st. ,überführt': übergeführt, S. 725
statt ,zum Gehorsam der römischen Kirche bereit': Gehorsam gegen
5. 824: ,ein ganz ungläublicher Mensch'. S. 838: .Geschwader der
Seligen'. S. 912: .vermochte auch an ihren Endsieg nicht mehr
glauben'. S. 879 ,nur mehr' (statt: nur noch). Das Wort S. 899: ,Es
gibt auch amtliche Lügen, ja gerade sie sind die dicksten und frechsten'
ist leider nur zu wahr. Bezeichnend ist auch das alte florentinische
Sprichwort: ,Chi dissc parlamento, dissc guastamento' (S. 197).
München. Hugo Koch.

Schütte, Albert: Die hhl. Bischöfe Deutschlands im m.Jahrhundert
. Ein Beitrag zur Heiligengeschichte. Köln: J. P. Bachem
in Komm. 1922. (S. 45—59) 8°. = Görres-Gesellschaft. Vereinsschrift
1922, 2. Gz. —80.
Das von H. Sachcr vorgelegte Programm für die Neubearbeitung
des katholischen Staatslexikons zeigt, wie die Redaktion sich den Anforderungen
der neuen Zeit anpassen will; doch soll der katholische
Charakter gewahrt werden; das Nationale wird hervorgehoben; es i

fehlt aber jede Andeutung, daß das Ultramontane ausgeschaltet sein
soll; an der Gleichsetzung von Christentum und Katholizismus wird
festgehalten.

Schütte berichtet über die Bischöfe des 10. Jahrhunderts, die offiziell
oder nicht offiziell zu den Heiligen gezählt werden, und freut
sich konstatieren zu können, daß es tüchtige Männer gewesen sind.
Man sieht nicht recht ein, warum die Arbeit gedruckt worden ist;
sie fördert weder unsere Kenntnis des 10. Jahrhunderts, noch die der
Motive der Heiligsprechungen.

Kiel. G. Ficker.

Archiv für Reformationsgeschichte. Texte und Untersuchgn.
Hrsgeg. v. D. Walter Friedensburg. Leipzig: M. Heinsius Nfl. 1923.
(XX. Jahrg. Heft 1—4).

O. C 1 e m e n weist ein vielbesprochenes Lutherautograph
, auf dessen Rückseite ein solches von Me-
lanchthon steht, und das aus Erfurt verschwunden ist,
im Besitz des Kaplans Wernes an der Augustinerkirche
zu Nijmegen (Holland) nach und gibt für Me-
lanchtonstück Corp. reformat. V, col. 278. Nr. 2838
die Verbesserung „samens" statt „Sohnes". W. Stieda
behandelt Jakob Schenck und die Universität Leipzig auf
Grund der dortigen Akten; der selbstbewußte, eitle,
eigenmächtige, im Auftreten hochfahrende Herr, dessen
große Begabung, Glaubenseifer, unermüdliche Arbeitskraft
Stieda anerkennt, erweckt doch einiges Mitleid mit
seiner Behandlung auch durch die staatlichen Behörden
des Herzoglichen Sachsens, und man fragt sich, ob es
nicht durch entsprechende freundliche und doch überlegene
Behandlung möglich gewesen wäre, diesen Schwaben
für den Dienst der Reformation zu erhalten. Sup.
Nebelfieck gibt vier Reformationsbriefe aus dem
Arolser Archiv. Nr. 1 ist ein Schreiben von Joh. Pisto-
rius an Graf Wolrad IL von Waldeck 1555 März 15. mit
Erinnerungen an das Regensburger Religionsgespräch
und Mitteilungen über das Ergehen der protestantischen
Teilnehmer. S. 41 Anm. 4 e. Hiltner, Z. 23 significaret
S. 43 Z. 12 Gultlingerus. Anm. 2 Gültlinger. Nr. 2—4
sind Briefe von Wolfgang Musculus aus Augsburg 1520,
Nr. 2 an Martin Frecht, Nr. 3 u. 4 an M. Butzer. Zu beachten
ist das abfällige Urteil Bernhardino Ochinos über
die katholischen Teilnehmer am Regensburger Religious-
gespräch. Er würde ihnen sagen: impossibile est, ut
ignoranter peccetis et veritatem ignoretis. Christum et
veritatem eius irridelis, indigni, quibuscum conferatur de
veritate Christi. !

K. Bauer setzt seine Abhandlung „Der Bekenntnisstand
der Reichsstadt Frankfurt a. M. im Zeitalter der
Reformation" fort. Dabei fällt auf, daß er den herkömmlichen
Irrtum der Frankfurter Historiker von der Wiedereinführung
der Messe 1535 wiederholt. Die haarscharfe
Widerlegung dieser Behauptung durch den Ref. irn Archiv
für Reformationsgeschichte XIII, 147ff. und die
Nachricht vom Besuch der Messe in Bockenheim durch
Altgläubige bis zum Verbot des Rats 1536 ist ihm unbekannt
geblieben. Ebenso wenig nimmt er Bedacht von
der Berufung des gut lutherischen Joh. Brenz und des
ebenso lutherisch gerichteten Adam Krafft zur Beratung
der Frankfurter 1536. Er behandelt 2. den Anteil Frankfurts
an der Wittenberger Konkordie und den Schmal-
kaldischen Artikeln. 3. Den Frankfurter Katechismusstreit
. 4. Die Frankfurter Konkordie Butzers. 5. Me-
Ianchthon und Frankfurt. 6. Das Erstarken des lutherischen
Elements. K. Schornbaum bringt den zweiten
Teil seiner Abhandlung „Die brandenburgisch-nürnbergische
Norma doctrinae und dazu eine Reihe Briefe
und Akten. Es ist zum Staunen, was er aus dem Archiv
in Nürnberg in den Anmerkungen als Unterlage des
Textes seiner Erzählung beibringt. Wir erfahren genau
das Treiben der drei Philippisten Dürnhofer, Heling und
Schellheimer, deren Ziel kein geringeres war, als Beseitigung
der Lutheraner, die neben Mich. Besler nur die
wenig bedeutenden Brüder Joh. und Christoph Kaufmann
zu ihren Führern zählten, wie es zu einem einstigen
Kanzelkrieg kam und die Gegner einander als Sakra-
mentierer und Flacianer verdächtigten, wie der Rat Paul