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Ausgabe:

1924 Nr. 6

Spalte:

120

Autor/Hrsg.:

Günther, Rudolf

Titel/Untertitel:

Die Bilder des Genter und des Isenheimer Altars. Ihre Geschichte und Deutung. I. Teil 1924

Rezensent:

Stuhlfauth, Georg

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119

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 6.

120

lanischen Bibelhandschriften von der Genesis bis zur Apokalypse in
Abbildungen und ikonographischen Erläuterungen. Dreimal innerhalb
der alttestamentlichen Reihen, einmal innerhalb der neutestamentlichen
sind zusammenfassende Abschnitte eingefügt über die ikonographischen
Quellen, ein sehr gründlicher und ergiebiger zu der Heptateuch-Ulu-
stration, erheblich kürzere zu den Darstellungen der Königsbücher,
der Prophetenbücher und der Evangelien. Ein gleich der ,,Einführung"
(1—7) deutsch und spanisch gegebenes „Schlußwort" (130—148) stellt
sachlich und klar die Ergebnisse des Ganzen heraus, das ein gutes
Register beschließt. Auf die Behandlung der Initialen und Kanonbögen
hat N. verzichtet, ohne sie zu übersehen; denn alle Ornamentik
hängt nicht in gleichem Maße wie die bildlichen Darstellungen mit
der altspanischen Tradition zusammen (7). Sodann aber ist der neu-
testamentliche Teil gegenüber dem recht eingehend behandelten alt-
testamentlichen nur kursorisch gehalten („leider nur allzu flüchtige
ikonographische Betrachtung" sagt der Verfasser hier selbst, 128).
Bedingt ist dies 1) dadurch, daß „diesen ganzen Miniaturen-Reichtum
ikonographisch erschöpfend zu behandeln" eine Studie für sich erfordern
würde (108); 2) dadurch, daß eine befriedigende Lösung
dieser Aufgabe ausgeschlossen erscheint, solange die Zeitverhältnisse
ein vergleichendes Studium der südfranzösischen und oberitalienischen
Evangelien-Illustration nicht erlauben; 3) bereitet der Verfasser insbesondere
für die Apokalypse eine eigene Arbeit vor. Man muß diese
textliche Verkürzung des zweiten Hauptteiles verstehen und in Kauf
nehmen, wiewohl die Gleichmäßigkeit des Werkes naturgemäß darunter
leidet.

Daß in der Fülle der ikonographischen Bezugnahmen und Verweise
gelegentlich eine Ungenauigkeit unterläuft, kann nicht wundernehmen
, zumal der Verfasser anscheinend doch näher mit dem Gebiete
des frühen Mittelalters als mit dem der altchristlichen Kunst vertraut
ist. Zwei derartige Versehen sind mir im neutestamentlichen Teile begegnet
. N. beschreibt S. 117 die Heilung der Blutflüssigen in der
altchristlichen Kunst so: „Die altchristliche Kunst ließ sie (die Blutflüssige
) ganz auf den Boden hingeworfen den Saum des Gewandes
küssen oder auch, wie hier (Fig. 143), halb aufgerichtet, nach dem
Pallium greifen". Mir ist in der altchristlichen Kunst kein Beispiel
bekannt, auf welches die erste Hälfte dieser Beschreibung paßt; zur
Darstellung verweise ich im übrigen auf einen eigenen, demnächst erscheinenden
Aufsatz in der Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft
. Und S. 120 wird die Darstellung der klugen und törichten
Jungfrauen im Codex Rossanensis die älteste uns bekannte genannt;
indes ist zu wissen, daß zum mindesten die Darstellung in dem
Freskenzyklus einer der Kapellen von El-Bagaouät bei El-Kargeh
älter ist als die des Codex von Rossano, vgl. jedoch das ganze Material
betreffs dieser Gleichnisdarstellung in den Dissertationen von Hild.
Heyne, Freiburg i. B. 1922, und W. Lehmann, Freiburg i. B. 1916.

Ein paar unwesentlichere Kleinigkeiten der Berichtigung und der
Richtigstellung schließe ich an. Zutreffend heißt es S. 36, der Kreuznimbus
begegne seit der Mitte des 5. Jahrhunderts; wenn aber N.
fortfährt: „so in S(an) M(aria) M(aggiore) bei der Begegnung Abrahams
mit Mclchisedech und der Erscheinung des Engels vor Jakob,
Gen. 31, 11", so ist dieser Hinweis schon darum verfehlt, weil die
Langhausmosaiken in San Maria Maggiore nach allgemeiner Annahme
nicht erst dem 5., sondern dem 4. Jahrhundert (2. Hälfte,
Zeit des Papstes Liberius) angehören; spätestens könnten sie in die
Zeit der Triumphbogenmosaiken, d. i. in die dreißiger Jahre des 5.
Jahrhunderts datiert werden; überdies aber ist in der betr. Szene ein
Kreuznimbus nicht enthalten. — S. 130 stimmen Beschreibung und
Bild fol. 52 der Beda-Homilien in Verona, „wo Christus das Gleichnis
vom Säemann, wohl nach Lc. 8,4 ff., erklärt" (Fig. 162), nicht zusammen
. Auffallend ist übrigens, wie wenig Hie Gleichnisse zur Illustration
in den frühmittelalterlichen katalanischen Bibeln angeregt
haben. — In der Apokalypse von Girona fol. 15 v steht in der
Huldigung der Magier hinter Maria ein Engel, der sinnend die Hand
an das Kinn legt. „Genau in derselben Weise kehrte die Szene... auf
fol. 15 v der Turiner Apokalypse wieder, nur daß statt des Engels
Josef hinter Maria stand." Wenn N. hierzu S. 113 A. 36 fragt, ob der
Engel oder Joseph ursprünglich sei, so entscheidet u. a. das schöne
Marmorrelief aus der Basilika Damus el Karita im Musee Lavigerie zu
Karthago (6. Jahrh.) für Joseph (ist auch hier wieder Beziehung zu
Nordafrika bemerkbar? Das Relief ist aus Byzanz eingeführt). —
Was die in der altchristlichen Kunstgeschichte Spaniens immer wieder
zitierte Synode von Elvira betrifft, so bemerkt Neuß S. 2 A. 4, daß
ihre Ansetzung zwischen 300 und 313 schwankt; es kann aber hinzugefügt
werden, daß ihre Datierung nach Duchesne, vgl. A. v. Har-
nack, Mission 3, 1915, II, 318, vor 303 wahrscheinlich ist. —. S. 86.

13 v. u. 1. fig. 92 st. 93. — S. 134 A. 178 1. 1894 st. 1814. — S. 139,
22 1. Künsten st. Künstlern.

Der Gediegenheit des Inhaltes entspricht die Gediegenheit der
Ausstattung. Wünschenswert wäre nur, daß die Tafeln nicht bündelweise
(je vier) über den Text verteilt, sondern zur bequemeren Handhabung
in einem Zuge dem Werk angehängt wären.

Das Werk als Ganzes bedeutet eine grundlegende Leistung, die
tief eingreift in die kunstgeschichtliche Forschung nicht allein hinsichtlich
der frühmittelalterlichen spanischen Buchmalerei, sondern auch
bezüglich der Probleme der ausgehenden christlichen Antike, des Verhältnisses
von Orient und Okzident, von hellenischer und germanischer
Kunst, von Altertum und Mittelalter.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Günther, Prof. Dr. Rudolf: Die Bilder des Genter und des
Isenheimer Altars. Ihre Geschichte und Deutung. Leipzig:
Dieterich'sehe Verlagsbuchh. 1923. (60 S. mit 1 Bildtafel.) gr. 8°.
= Studien über christliche Denkmäler, hrsg. v. Johannes Ficker.
N. F. 15. H. Oz. 2—; geb. 3.50.

„Man stößt auf keinen Widerspruch mit der Behauptung, daß wir
von dem ikonographischen Verständnis des Genter Altars immer noch
ein Stück Wegs entfernt sind" (1). Dieses Stück Wegs zurückzulegen
ist die Aufgabe, es zurückgelegt zu haben die Leistung dieses Heftes.
Anton Springer und Frz. X. Kraus sind die beiden Pfadfinder, deren
Wegweisung G. folgt, so, daß sich ihm in gründlichster stofflicher
und ikonographischer Analyse der wahre Sinn des großen Werkes und
die tatsächliche Bedeutung der Einzelheiten erschließt. Ergebnis: „Das
Bildnisthema der Außentafel ist die Menschwerdung Christi mit den
gewohnten Rückblicken und die übliche Stifterhuldigung. Die Festtafel
ist ein Allerheiligenbild. Vorbereitet in den Heiligen- und Jungfrauenaufzügen
der altchristlichen Zeit, entwickelt namentlich in abendländischen
Sakramentarien und illustrierten Handschriften der Apokalypse
, ist es in seiner monumentalen Gestaltung zugleich die die Chorwände
füllende Darstellung der himmlischen Herrlichkeit. Die Beziehung
zum siebenten Kapitel der Apokalypse und damit zur Liturgie
des Allerheiligentags ist unverkennbar" (54).

Berlin. Georg Stuhlfauth.

J.C. HINRICHS• sehe BUCHHANDLUNG, LEIPZIG

Als Vol. 1, No.5 der
University of California Publications Semitic Philology

erschien soeben :

Parallelistn in Isaiah

Chapters 1—35 and 37,22 -35

The reconstrueted Text (Hebrew)

By William Popper

Berkeley, California

XI, 116 S. Lex. 8°. Gm. 4.50.
Auslieferung für Deutschland durch unsere Firma.
Die Arbeit bietet den hebräischen Text von Jesaia 1—35
und 37, 22—35, rekonstruiert und so gedruckt, daß der parallele
Bau der Sätze deutlich hervortritt. Abweichende Lesarten des
massoretischen Textes sind in Fußnoten beigefügt. Die vom
Herausgeber in seinen „Studies in Biblical Parallelistn", Part.
II. III dem Text gewidmete Untersuchung hatte gezeigt, daß
etwa vier Fünftel des Stoffes des unveränderten massoretischen
Textes Parallelismus aufweisen, und daß fast überall, wo
diese Form nicht auftritt, der massoretische Text deutliche
Merkmale der Verfälschung (logische Unklarheit, grammatische
und rhetorische Fehler, Abweichungen im Targum und in der
Septuaginta) zeigt, die sich meist nach den Regeln des
Parallelismus leicht korrigieren lassen, oft z. B. durch einfache
Umstellung einiger Worte. Ein vollständiger Index of
Verses erleichtert die Benutzung auch für Vergleichung einzelner
Stellen. Die Ausgabe ist nicht nur für Alttestamentler,
sondern für alle Hebrais ten von Wichtigkeit.

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 5. April 1924.
Beiliegend Nr. 6 des Bibliographischen Beiblattes.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Nikolausberger Weg 31.
Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.