Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1924 Nr. 2

Spalte:

41-43

Autor/Hrsg.:

Wade-Evans, A. W.

Titel/Untertitel:

Life of St. David 1924

Rezensent:

Jülicher, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

41

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 2.

42

rum, ob die correptio secreta bei Augustin ein Bußverfahren
,ohne Kirchenbann und öffentliche Rüge', also
eine .geheime Kirchenbuße' bedeute oder nicht. Adam,
der jene Aufstellung machte, mußte auf die Ausführungen
Poschmanns hin zugeben, daß auch bei der von
ihm angenommenen geheimen Kirchenbuße die Lossprechung
nicht sofort erteilt wurde, der Büßer vielmehr
eine Zeitlang dem Altar fern bleiben mußte. Nun
zeigt Poschmann in seiner neuen Abhandlung, daß diese
Trennung vom Altar auch bei geheimen Sünden ebenso
als Exkommunikation zu fassen ist wie bei der voll-
öffentlichen Buße, Augustin also nicht, wie Adam behauptete
, im Kampf mit den Donatisten seine Anschauung
über die Exkommunikation berichtigt hat. Hierauf
weist P. bei nochmaliger Erörterung der in Betracht
kommenden Hauptstellen nach, daß Augustin bei allen
dem kirchlichen Bußgericht unterliegenden Sünden nur
eine öffentliche Bußleistung kennt, wobei es freilich im
Ermessen des Bischofs stand, ob auch die Sünde, für
die öffentlich gebüßt werden mußte, öffentlich bekannt
gegeben wurde oder nicht. Insofern kann man von
einer .vollöffentlichen' und von einer halböffentlichen'
Buße reden. Aber die Bußleistung erfolgte stets öffentlich
am Büßerplatz. Daran ändert auch die .klassische'
Stelle de fid. et op. 26, 48 nichts. Hier werden allerdings
drei Heilmittel für die verschiedenen Sünden
aufgeführt. Aber die ,correptionum medicamenta' für i
die mittleren Sünden, im Unterschied von der ,humi- !
Iftas' der Kirchenbuße für die .gravia' und der ,quoti-
tiana medela' durch das Vaterunser für die täglichen !
Schwachheiten, haben mit der kirchlichen Schlüsselge- |
walt nichts zu tun, sondern bestehen in Vorstellungen i
und Ermahnungen durch den Bischof oder einen andern j
Mitchristen, sei es in der Predigt, sei es unter vier !
Augen. Wo Augustin sonst von den Bußmitteln spricht,
erwähnt er immer nur zwei: die Kirchenbuße für die j
schweren, Gebet und Almosen für die geringeren und !
täglichen Sünden. Jedenfalls hat man sicher nicht alle
Vergehen, die wir heute als Todsünden behandeln, der
Bußpflicht unterworfen' (S. 58). Damit stimmen auch
außeraugustinische Zeugnisse des 4. und 5. Jahrhunderts
überein. Es sind zwei Grundirrtümer Adams, daß
er eine geheime schwere Sünde bei Augustin zu einer
Sünde von geringerer sittlicher Schwere macht (S. 43)
und das peccatum malitiae, wofür Augustin öffentliche
Buße fordert, nur als Gewohnheitssünde faßt (S. 79).
Ich habe Poschmanns Darlegungen sorgfältig geprüft
und finde sie in der Hauptsache für überzeugend. So
wenig ich seinen Anschauungen über die Bußfrage bei
Cyprian (Ztschr. f. kath. Th. 1913) beistimmen kann,
hier bei Augustin hat er das Richtige getroffen und
Adam wird gut tun, seine Aufstellung preiszugehen.
Augustin ist weder der Schöpfer noch der Förderer
einer kirchlichen Privatbuße, er hat an dem kirchlichen
Bußbrauch gar nichts geändert.

Zu S. 37: warum die Rekon/iliation am Bußtag öffentlicher und
beschämender sein sollte, als die Bußleistung am Bußplatz, ist nicht
einzusehen. Zu S. 49f.: die lange Nachwirkung der Unterscheidung
von .Sünden gegen Gott' und .Sünden nicht gegen Gott' zeigt neben
anderm, daß sie nicht montanistische Erfindung ist, wie schon behauptet
wurde, sondern altes kirchliches Erbgut (vgl. meine Schrift
.Kallist und Tertullian' 1920, 15). S. 51 A. 1: eine .pneumatische
Vermittlung' hat bei Cyprian erst nach der Frühjahrssynode 251 keinen
Platz mehr, vorher vgl. ep. 15,4.

München. Hugo Koch.

Wade-Evans, A.W.: Life of St. David. London: S. P. C. K.
1923. (XX, 124 S.) kl. 8° = Translations of Christian Literature.
Ser. V: Lives of the Celtic Saints ed. by Eleanor Hull. 7 sh. 6d.

David, der hervorragendste aller Heiligen von Wales
, nach dem auch ein altes Bistum dieser Landschaft
seinen Namen St.-Davids erhalten hat, ist, wie man aus
dem ausführlichen Artikel von Ch. Hole in Smith and
Wace, Christian Biography I ersehen kann, bis 1877
eine höchst umstrittene Figur gewesen. Das vorliegende
hübsche Bändchen erweckt zunächst einen anderen Eindruck
. Eine Einleitung (dabei ein reichliches und zuver-
lässiges Register der benutzten Literatur) führt uns die
Quellen vor, die über den Waleser Bischof des 6. Jhdts.
etwas aussagen, die älteste ein Katalog der irischen Heiligen
von ca. 730, dann folgt eine britannische Vita
des Aurelianus, 884 verfaßt, Assers Biographie Alfreds
des Großen von 893, sowie ein zum Kampf gegen die
Sachsenherrschaft aufrufendes Gedicht vielleicht noch
etwas früheren Datums. Die alte lateinische Waleser
Chronik von 954 verzeichnet den Tod des h. Bischofs
David zum Jahr 601, während die Früheren nichts Bestimmteres
als das 6. Jhdt. etwa gleichzeitig mit dem
h. Gildas, ergaben. Die erste uns erhaltene Vita Davids
, von der mehrere spätere durchaus abhängig bleiben,
hat um 1090 Rhygyvarch, Sohn des B. Sahen von St.
Davids und in seiner Heimat 1099 verstorben, in lateinischer
Sprache verfaßt, wie er selbst meldet, aus den
ihm vorliegenden uralten Schriften der Stätte, an der
ja die Erinnerung an diesen David am besten gepflegt
gewesen sein wird. Diese Vita gibt W.-E. in englischer
Übersetzung S. 1—33 wieder, fügt S. 34—56 Abschnitte
aus andrer hagiographischer Literatur — z. B. Leben des
h. Aeddu, des h. Cadoc, des h. Gildas — hinzu, und versieht
sämtliche Dokumente mit einem gründlichen, bisweilen
in gelehrte Detailforschung sich erweiternden
Kommentar. So wird eine beneidenswerte Vollständigkeit
des Materials erreicht, die Klarheit des Überblicks
geht nicht verloren, und der Abschnitt der Einleitung,
der die Persönlichkeit des Rhygyvarch, unsers Hauptzeugen
, im Rahmen seiner Zeit, wo die Waleser Kirche
leidenschaftliche Anstrengungen machte, sich der Unterwerfung
unter Canterbury zu erwehren, bildet durch
Lebendigkeit und Wärme eine genußreiche Lektüre. Auch
der Index verdient alles Lob, selten fehlen Artikel wie
„apathy 13.96" (wo übrigens die glatte Gleichsetzung
von Apathi mit Acedia befremdet).

So wenig aufdringlich der Herausgeber nun auch
mit den Ergebnissen seiner Kritik auftritt, verhehlt er
doch nicht seine Geneigtheit, dem Waleser Patrioten von
1090 möglichst viel Vertrauen zu schenken. Mir scheint,
daß wir uns diesem Vertrauen nicht hingeben dürfen.
Wenn nach den besten Zeugen der h. David 462 geboren
und 601 (oder 605 bzw. 604) gestorben sein soll, so
werden wir uns nicht einbilden, auf festem Boden zu
stehn. Die Palästinafahrt des Heiligen erweckt schon
dadurch Bedenken, daß er dabei von dem jerusalemischen
Patriarchen zum Erzbischof geweiht worden sein soll:
so offen wie möglich bekennt der Waleser Biograph
gegen Ende seines Buchs, worauf es ihm ankommt, nämlich
die kirchlichen Vorrechte des Stuhls von St. Davids,
das für Wales sein möchte was Canterbury für England
war, auf die Tatsachen aus dem Leben seines ersten
Inhabers zu begründen. Die entscheidende Rolle, die
David auf 2 Synoden gespielt hat, dient gleichfalls
dieser Tendenz, natürlich hat Rhygyvarch jene Synoden
nicht erfunden, aber er wird sie an seinen Heiligen künstlich
herangebracht haben und hat dann starke Umformungen
der Tradition sicher nicht gescheut. Der „Wassermann
" David, der Gründer einer besonders strengen
Mönchsgemeinschaft im irisch-britischen Wales, der als
Abt den Namen eines Bischofs getragen haben mag oder
Späteren nach dem Brauch der Länder als Bischof gelten
mußte, unter den Zeitgenossen des ihm mißgünstigen
Gildas: das wird wohl das Einzige sein, was wir ganz
sicher von ihm behaupten können. Die disziplinarischen
Regeln im Kloster Davids, die die Vita § 21—31 beschreibt
, haben, auch wenn sie nicht unmittelbar auf
David zurückgehen, in seinen Kreisen einmal wirklich
Geltung besessen. Vor allem aber enthält die Vita so
viel merkwürdige Beiträge zur Geschichte der religiösen
Vorstellungen gottesdienstlicher Bräuche, Volksaberglaubens
, Lebenshaltung, nicht minder zur Erkenntnis der
politischen oder nationalen Lage jenes Landes, daß wir
ihr das Prädikat einer ausgezeichneten Quelle gern zuerkennen
. Auch zur historischen Geographie vermittelt