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Ausgabe:

1924

Spalte:

574

Autor/Hrsg.:

Fuerth, Maria

Titel/Untertitel:

Das Heilige in der katholischen Liturgie 1924

Rezensent:

Harnack, Adolf

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B73

574

Handlungsphasen, also in diesem Falle das (religiöse)
Erlebnis, so schwach sein kann, daß sein Vorhandensein
garnicht bewußt ist. In Wirklichkeit also gäbe es keine
irreligiösen Künstler, sondern höchstens Künstler, deren
religiöses Erlebnis wegen seiner Schwäche ihnen selbst
unbewußt ist und nur in unbewußtem Gefühl nachwirkt.
Man wird aber fragen müssen, ob der Verf. das religiöse
Erlebnis selbst zureichend gekennzeichnet hat. Er beschreibt
es als Erlebnis des Universums im Sinne der transzendenten
Norm, also als Gewissenserlebnis. Gelegentlich
bemerkt er selbst, daß dies Universum als „persönliches
" erlebt werde. Aber dieser nebenher ausgesprochene
Gesichtspunkt findet weiter keine Ausnutzung
, während er doch für die inhaltliche Bestimmung
des religiösen Erlebens wichtig erscheint. Denn
gerade als Erlebnis persönlich gefaßter Transzendenz
unterscheidet sich das religiöse Erleben von demjenigen
Erleben des Universums, welches dem ästhetischen Handeln
zugrunde liegt. Ist darnach die Beschreibung des
religiösen Erlebnisses bei Häbcrlin einerseits zu weit gefaßt
, sofern alles Erleben normtragender Transzendenz
eingeschlossen ist, so ist andrerseits es zu enge, wenn
es lediglich als Erleben einer „Norm" bezeichnet wird.
Das Erleben des Heiligen umfaßt mehr als das der
Norm.

Die Proben aus dem Inhalte des Buches konnten
den Reichtum des Dargebotenen nicht erschöpfen. Noch
einmal sei auf die Darlegung über die Gestaltung des
Trieblebens im Menschen verwiesen und auf die Gedankenschärfe
. Durch die gedankenklare Gestaltung des
reichhaltigen Stoffes wird das Buch bedeutende Anregungen
nicht nur dem Denker, sondern auch dem Erzieher
geben.

(Döttingen. J Meyer.

Noldin, H., S. J.: Summa theologiae moralis, iuxta codicem
iuris canonici. Scholarum usui acc. H. Noldin. I. De prineipiis theologiae
moralis. Ed. 17. Quam recognovit et emendavit Prof. A.
Schmitt, S. J. Innsbruck: F. Kauen 1924. (IV, 357 S.) 8°.

Qm. 6—.

Kennzeichnend für diese Grundlagen der Moraltheologie
ist einmal die scholastische Sprache und Methode,
die aber nicht hindert, daß auch neuzeitliche Fragen und
Forschungsgebiete in Betracht gezogen werden, so die
Moralstatistik (S. 25 f.), die Kriminalanthropologie (S.
27 f.), die Psychopathologie (S. 28), der Gebrauch des
Morphiums (S. 336 f.), die .Euthanasie' (S. 338), der
Alkoholismus (S. 339 f.). Auch die neuere und neueste
katholische Literatur ist angegeben, wobei freilich das
Lehrbuch des Tübingers Otto Schilling übergangen ist,
von A. Koch und Linsenmann ganz zu schweigen. Ein
weiteres Kennzeichen ist die völlige Verquickung von
Moral und Kirchenrecht. Der Band ist ja der erste Teil
einer .Summa Theologiae moralis iuxta codicem iuris canonici
'. So erscheinen denn auch unter den Quellen der
Moraltheologie (S. 8 ff.) nach der hl. Schrift alten und
neuen Testamentes die Konzilien (die größeren wie die
die kleineren), die Dekrete der Päpste (Konstitutionen
oder Enzykliken und Kongregationseiitscheidungen), der
codex iuris canonici. Und im dritten Buch, De legibus,
sind weite Strecken rein kirchenrechtlicher Natur. Es werden
u.a.die römischen Kongregationen und ihre Befugnisse
aufgezählt und wir erfahren, daß die leges ponti-
ficiae im allgemeinen erst drei Monate nach dem Tag
ihres Erlasses verpflichtende Kraft erlangen und daß
diese drei Monate nicht etwa rund als 90 Tage, sondern
genau nach dem Kalendertag zu berechnen sind. Wer
für solche Fragen Bedarf hat, kommt also hier auf
sein s Rechnung, und daß die Nachfrage nicht gering
ist, zeigen die 17 Auflagen, die dieses Lehrbuch erlebt
hat. Aber auch andere werden zweckmäßig nach einem
solchen Buche greifen, um kennen zu lernen, was ein

iesuit alles unter Moral versteht, und um die unheil-
are ,Verrechtlichung' der römisch-katholischen Kirche
schwarz auf weiß vor sich zu sehen.
München. Hugo Koch.

Fuerth, Maria. Das Heilige in der katholischen Liturgie.

Mainz:: Matthias-Grünewald-Verlag 1924. (VI, 55 S.) kl. 8°.

Auf Grund des Otto'sehen Buchs über „Das
Heilige", der liturgischen Spekulationen Guardinis
und persönlicher Eindrücke hat die protestantische Verfasserin
eine feine Studie über die katholische Liturgie
geschrieben und die Messe, sie mit dem evangelischen
Gottesdienst vergleichend, nach allen Hauptseiten und
Hauptwirkungen verständlich gemacht. Von Überschwenglichkeiten
hat sie sich bei aller Nachempfindung
des Mystischen und des Gemeinschaftlichen frei gehalten
, und auch der protestantischen Eigenart hat sie gerecht
zu werden versucht. Dennoch befriedigt m. E. die
Studie nicht; denn bis zu den letzten Fragen der
christlichen Religion ist die Verfasserin in ihrer Beurteilung
nicht vorgedrungen. Es handelt sich erstlich
um die Wirklichkeits- und Wahrheitsfrage. Wird ein
Wirkliches und Wahres in der katholischen Messe zur
Darstellung gebracht? Wenn diese Frage verneint werden
muß — und sie muß es aus geschichtlichen und
religiösen Gründen —, so bricht die Messe zusammen,
und der Meßgottesdienst wird zu einer Stätte, an der
ein Jeder sich von ganz allgemeinen heiligen Empfindungen
bewegen lassen kann. Bestätigt ist mir das im
Laufe meines Lebens von einem Dutzend katholischer
Priester worden, die, weil sie an der Transsubstantions-
lehre irre geworden sind, erklärten, daß auch die Messe
ihnen nichts mehr bedeute. Zweitens, ist das Aufkommen
der Liturgie und des Meßgottesdienstes in der
Kirche wirklich eine innerlich notwendige Entwicklung
gewesen — so stellt es die Verfasserin dar, die sehr
wohl weiß, daß es am Anfang nicht so war —, oder
ist sie nicht ein Zeichen des in die Kirche eindringenden
Synkretismus, d. h. einer unterchristlichen Frömmigkeit,
die die Höhe der Koyui] AatQsla nicht festzuhalten
vermochte? Würde Jesus diesen Gottesdienst billigen?
Man sagt uns inbezug auf diese peinliche Frage, man
habe einen geschichtlichen, einen eucharistischen und einen
mystischen Christus zu unterscheiden. Aber eben diese
Unterscheidung ist selbst schon das Produkt einer außer-
j christlichen synkretistischen Denkweise, die die Größe,
die Schlichtheit und den Ernst des wirklichen Christus,
der heute als der „liberale" verspottet wird, zersetzt.
Eben darum aber stimme ich der Verfasserin bei, daß
der evangelische Gottesdienst die puritanische Linie innehalten
muß und ihm mit hochkirchlichen Mitteln nicht
| geholfen werden kann, die für ihn nur eine musikalische
| Bedeutung haben dürfen; denn der neue Mensch wird
durch Rausch und Zeremonien weder erweckt noch ge-
I nährt. Im Reiche Gottes handelt es sich um das Wort
Gottes, um die Gewissen und um Glaube und Tat. Da-
i her muß auch der gemeinschaftliche evangelische Gottes-
| dienst als Betätigung des Bruderbundes hier sein Zen-
I trum haben — jede christliche Versammlung, in der
I man sinnt und beschließt, wie man dem Bruder zu
I helfen vermag, ist Gottesdienst im Sinne Jesu. Von
j Säkularisierung ist gewiß jede gemeinschaftliche
j religiöse Betätigung bedroht und vermag ihr nicht ganz
zu entgehen; aber die Reformation hat mit einer Täuschung
aufgeräumt. Daß die Wegräumung uns viel
gekostet hat und noch kostet, wollen wir gerne bekennen
und ebenso einräumen, daß die katholische Liturgie
jener Frömmigkeit in überschwenglicher Weise
entgegenkommt, die das Heilige als „Fascinosum" und
„Numinosum" versteht und sich damit begnügt,
iicrlin.__Adolf v. Harnack.

Hahn, Pastor D. Traugott: Die Seligpreisungen. Kurze Bibelstunden
über Matth. 5, 1 — 12. Gütersloh: C. Bertelsmann 1924.
(46 S.) 8". Om. -60.

8, aus besonderem Grund kurz gehaltene Bibelstunden. Man
könnte sie ebenso gut Predigten nennen. Sic führen nicht mehr und
nicht weniger in die Bibel ein als Predigten auch. Ihre Art bezeichnet
H. selbst als „sehr einfach und anspruchslos"; hinzugefügt
sei: warm, klar, eindringlich. Die Erzählung mannigfacher
eigener Erlebnisse zumal aus einer schweren Leidenszeit in Kußland
während des Krieges belebt die Darbietungen sehr wirksam.
Breslau. M. Schi an.