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Ausgabe: | 1924 Nr. 26 |
Spalte: | 568 |
Autor/Hrsg.: | Spengler, Oswald |
Titel/Untertitel: | Der Staat. Das Problem der Stände, Staat und Geschichte, Philosophie der Politik 1924 |
Rezensent: | Hirsch, Emanuel |
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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 26.
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digkeit der Einzelprobleme" in erfreulicher Schärfe und | weis auf die drohende Gefahr eines allgemeinen Zu-
je „in besonderer Prägung hervortreten"), wie endlich j sammenbruchs ist keineswegs leicht zu nehmen, die
in dem deutlichen Heraustreten der geschichtlichen Ver- j Kritik des Sozialismus nicht unberechtigt. In dem Gildengedanken
liegt sicherlich viel Beherzigenswertes, vielleicht
daß ihm in der Tat die Zukunft gehört — Kartelle
und Gewerkschaften sind ja ein Schritt auf dem Wege
— wenn auch kaum in der dem Verf. vorschwebenden
mittelalterlichen Form. Aber ob auch an teilweisen
Abbau des Maschinenwesens, Beseitigung der Arbeitsunterteilung
, womöglich auch Einschränkung der vom
Vert. nicht ohne Grund als dämonisch empfundenen
Wissenschaft ernstlich gedacht werden wird? Hier schießt
er wohl übers Ziel hinaus. Jedenfalls dürfte klar sein,
daß eine derartige Produktionsverminderung nur möglich
wäre bei gleichzeitiger bewußter Reduktion der Be-
völkerungsvermehrung. Ich verstehe nicht, warum P.
davon schweigt. Dann aber, fürchte ich, würde mit dem
jugendfrischen, instinktiv schaffenden Mittelalter das so
entstehende greisenhafte, bis zum letzten Rest durchrationalisierte
Zeitalter nicht mehr Ähnlichkeit haben
wie mit dem lebendigen Menschen Homunculus in der
Flasche.
Iburg. W. Thimmc.
bindungslinien, vornehmlich Ekkehart, Jakob Böhme und
Fichte, in Verbindung mit der Hervorhebung dessen, wie
der Verf. von diesen Ansatzpunkten aus seinen eigenen
Weg geht. Was den Inhalt der Schrift betrifft, kann
ich auf meine Anzeige der Philosophie des Ungegebenen
Jahrgang 1923 Sp. 454 ff. zurückverweisen. Besonders
hervorheben möchte ich die Ausführungen im Anfang
des ersten Vortrages, wo es sich für Schwarz darum
handelt, über Theismus und Pantheismus hinauszukommen
, und die dort gegebene kurze Darlegung der Probleme
des Theismus. Hier werden Fragen gestellt, mit
denen wir Theologen uns ernsthafter und eindringlicher
auseinandersetzen müssen.
Herrnhut. Th. Steinmann.
P e n t y, Arthur).-. Auf dem Wege zu einer christlichen Soziologie.
Aus dem Englischen übersetzt von Otto Eccius. Tübingen: J.C.B
Mohr 1924. (VI, 212 S.) 8°. = Schriften der engl. Gildenbewegung
V. Gm. 3.60.
Dies Buch ist das fünfte in der Reihe der ins
Deutsche übersetzten Sammlung „Schriften der englischen
Gildenbewegung" und besonders gut geeignet,
uns über Ziele und Motive dieser eigenartigen Bewegung
zu unterrichten. Es ist wenig daran gelegen, einzelne
offensichtliche Unrichtigkeiten, die sich in ihm finden,
wie die ungeschichtliche Auffassung der Reichsgottespredigt
Jesu oder die den deutschen Leser ganz seltsam
anmutende Ansicht über den Kriegsausbruch zu monieren
, nur die Hauptgedanken des Verf. sollen hervorgehoben
werden. Eindringlich, ja wuchtig tritt vor uns
hin seine Überzeugung, daß die rollende Lawine des
Industrialismus nun bald am Talgrunde angelangt sein
wird. Denn die Tendenz des Industrialismus ist, ohne
Rücksicht auf Wohl und Wehe des Arbeiters möglichst
billig und möglichst viel zu fabrizieren, aber sie stößt
auf die unüberwindliche Schranke der Begrenztheit der
Absatzgebiete und der Rohstoffe (z. B. Erdöl) und treibt
infolgedessen zu Krieg und zwischenstaatlicher Anarchie,
und sie macht den Arbeiter nicht nur zum Lohnsklaven,
sondern raubt ihm durch fortschreitende Mechanisierung
der Arbeit, vollends bei Anwendung des Taylorsystems,
seine Seele, was Revolution und Anarchie im Innern
hervortreiben muß. Die Hoffnung auf den Sozialismus
muß sich — vgl. Rußland — bei der Plumpheit des
Staatsbürokratismus, dem Fehlen der Privatinitiative nach
Spengler, Oswald: Der Staat. Das Problem der Stände, Staat
und Geschichte, Philosophie der Politik. Sonderdruck aus „Der
Untergang des Abendlandes", II. Band. München: G H. Beck
1924. (IV, 180 S.) gr. 8°. Om. 3.50.
Ders.: Die Wirtschaft. Das Geld. Die Maschine. Sonderdruck aus
„Der Untergang des Abendlandes", II. Bd. Ebd. 1924. (IV, 49 S.)
gr. 80. Gm. 1.60.
Ders.: Neubau des deutschen Reiches. II. 22. Tausend. Ebd.
1924. (III, 104 S.) gr. 8°. Gm. 2.50.
Ders.: Politische Pflichten der deutschen Jugend. Rede, gehalten
am 26. Februar 1924 vor dem Hochschulring deutscher Art in
Würzburg. Ebd. 1924. (29 S.) gr. 8°. Gm. 1—.
Sp. hat die beiden letzten Kapitel aus seinem zweiten Band,
die politisch von Belang sind, („Der Staat", „Die Wirtschaft"), in
Sonderausgaben erscheinen lassen; sie entsprechen zusammen S.
403—635 des Hauptwerks, also dessen letztem Drittel; geändert ist
nichts. Die Wiederholung des Drucks macht also eine neue Besprechung
nicht nötig. So sei nur soviel gesagt, daß diese beiden
Kapitel der Ziel- und Höhepunkt des Ganzen sind und Sp. vor
allem von ihnen aus beurteilt werden sollte. Auf alle Fälle haben
sie den Wert, daß sie der Staats- und geschiehtsphilosophischen Diskussion
, so seltsam sich in ihnen auch realistische und idealistische
Züge ineinander schlingen, neues Leben zuführen.
Den beiden neuen Schriften, denen diese Sonderdrucke als Unterlage
dienen sollen, gegenüber bin ich in schwieriger Lage. Jeder Wackere
wird sich an dem Herzen und dem Willen freuen, die in ihnen sich
Aufhören des Eigentums, vor allem bei der Verdrängung I aussprechen. Es finden sich auch ernste und wahre Gedanken genug,
einer sittlichen Weltanschauung durch vagen eudämo-
nistischen Fortschrittglauben als trügerisch erweisen.
Rettung kann nur kommen, wenn die Weltwirtschaft im
christlichen Sinne neu aufgebaut wird. Privateigentum
muß bleiben, der Arbeitsprozeß aber von Gilden überwacht
und geregelt werden, die vor allen Dingen den gerechten
und festen Preis bestimmen und damit Spekulation
und Übervorteilung unmöglich machen. So war
es einmal in den mittelalterlichen Städten. Die Hauptschuld
an der Zerstörung dieser idealen Wirtschaftsordnung
trägt das römische Recht, das unbekümmert um
Gerechtigkeit und wahres Gemeinwohl nur auf den
Nutzen des Mächtigen zugeschnitten ist. Nun tut Umkehr
dringend not, und so ungeheuerlich und verwickelt
die Probleme der Gegenwart sein mögen, sie werden
sich lösen lassen, wenn sie nur in rechtem Geiste und
grundsätzlicher Klarheit behutsam angefaßt werden.
Freilich die Maschine darf nicht weiterhin den Menschen
knechten, und zumal die seelenmörderische Arbeitsunterteilung
muß aufhören. Mag die Produktionsmenge zurückgehen
, die Qualität der Ware wird sich entsprechend
heben. Der Übervölkerung bereits allzusehr industrialisierter
Länder wie England muß durch Auswanderung
abgeholfen werden, bis überall die Landwirtschaft wieder
sicherer Grund der gesunden Wirtschaft ist.
Das Buch regt zum Nachdenken an. Die Schilde
vor allem in der Mahnrede an die Jugend. Aber schließlich zeigt
sich gerade in ihr das große Gebrechen Sp.'seher Geschichlsphilo-
sophie: sie hat das centrum vitae, das lebendige Gewissen, nicht
gesehen. Alles ist nur Verstand und Klugheit, nur Geist und Taktik;
und woher der entschlossene Wille kommen soll, ohne den doch das
alles wertlos ist auch nach Sp.s eigner Einsicht, davon ist nicht
die Rede. Anscheinend meint Sp.: er gebäre sich aus der Einsicht
in das was war und ist und wird von selber, oder er sei von bluts-
wegen einfach da. Wer aber hier blind ist, der versteht von Geschichte
letztlich nichts, so klug und weitschauend er auch ist, und
kann darum die Jugend auch nicht bilden. Diese Einsieht in Sp.'s
Armut zu vermitteln, sind die neuen Hefte besonders geeignet;
darum zeige ich sie hier an. Sp. möge Albert Schweitzer lesen; der
führt ihn vielleicht am ehesten in die Welt ein, die ihm bisher verschlossen
ist.
Göttingen. E. Hirsch.
Schweitzer, Prof. D. Dr. Albert: Verfall und Wiederaufbau
der Kultur. Kulturphilosophie, 1. Tl. München: C. H. Beck 1923.
(VII, 65 S.) 8°. - Olaus Retri-Vorlesungen an d. Univ. Upsala.
Om. 2—; geb. 2.80.
Ders.: Kultur und Ethik. Kulturphilosophie, 2. Tl. München: C. H.
Beek 1923. (XXIV, 280 S.) 8°. - Olaus Retri-Vorlesungen an u.
Univ. Upsala. Om. 5.50; geb. 7—.
Der Ausgangspunkt ist für Schw. der Niedergang
der Kultur. Ich hätte Lust, gegen diese zum Axiom gewordene
Behauptung einmal zu opponieren; sie ist, so
allgemein formuliert, recht anfechtbar. Aber nehmen
rung des Industrialismus und seiner Sünden, der Hin- J wir sie hin: es steckt ja viel Richtiges in ihr. Schw.