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Ausgabe:

1924 Nr. 26

Spalte:

565-566

Autor/Hrsg.:

Geyser, Joseph

Titel/Untertitel:

Max Schelers Phänomenologie der Religion 1924

Rezensent:

Schmidt, Fr. W.

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565

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 26.

566

sehen Philosophie die „fortschreitende Entwicklung des
wissenschaftlichen Bewußtseins" (Gesch. der
abendl. Philos. im Altertum, 4. Aufl. 1923 S. 3) herausdestillierte
. Wenn es nun nicht nur ein „wissenschaftliches
Bewußtsein", nicht nur einen objektiven
Geist gibt, sondern mehrere, wenn Piaton ein toto ge-
nere anderes wissenschaftliches Bewußtsein
hatte als Aristoteles, was dann?

Leipzig. Hans Leisegang.

Ste'genga', Popke: Twijfel als psychologisch verschijnsel
in het religieuse leven. Academisch Proefschrift. Amsterdam :
B. van der Land 1924. (179 S.) 8°. f. 2.90.

Der religiöse Zweifel ist nicht ohne weiteres etwas
Pathologisches im religiösen Erleben. Gottesbeweis und
Rechtfertigung wollen ihn paralysieren, nicht beseitigen.
Von dieser Voraussetzung aus gibt der holländische Verfasser
der vorliegenden Doktordissertation eine religionspsychologische
Analyse des Zweifels unter weitgehendster
Heranziehung der deutschen religionsphilosophischen
und erkenntnistheoretischen Literatur. Psychologisch
ist die Untersuchung, nicht als ob sie empirisch
-experimentell die psychische Form des Erlebens
unter Gesetze bringen will, vielmehr erhebt sie
sinndeutend Typen aus dem Gehalt des religiösen
Erlebens.

Mit Volkelt unterscheidet der Verf. Denksicherheit
und Gefühlssicherheit, deren Vereinigung in der empirischen
und historischen Sicherheit einen dritten Mischtypus
ergibt. Je entscheidender in einer Überzeugung die
Gefühlssicherheit hervortritt, desto größere Bedeutung
gewinnt der Zweifel, das Unvermögen des Geistes sich
zur Überzeugung durchzuringen. Da die religiöse Gewißheit
echte Gefühlssichcrheit ist, spielt der Zweifel hier
eine ganz besondere Rolle. Ja der Zweifel gehört hier
zum Wesen der Sache selbst, wie im Anschluß an die
Religionstheorie Ottos gezeigt wird. Das „ganz Andere"
wird vom religiösen Menschen jetzt als tremendum, das
Abstand Gebietende, dann als fascinosum, das allen
Abstand Aufhebende, erlebt. In dem Konflikt dieser kontrastierenden
Elemente der religiösen Erfahrung liegt der
Herd des religiösen Zweifels. Er äußert sich in der
Form des primären Zweifels, der die Gnade Gottes
und des sekundären, der die Existenz Gottes bezweifelt.
Er wird ein kombinierter religiöser Zweifel, wenn außerreligiöses
seelisches Erleben, die relativen Ergebnisse der
Wissenschaft (logisch-religiös), die ästhetischen Dishar-
monieen der Welt (ästhetisch-religiös), die ethische Un-
vollkommenheit (ethisch-religiös) mit dem religiösen Erleben
der Absolutheit Gottes zusammenstoßen. Der Wert
dieser Abschnitte liegt weniger im Schema — vielleicht
ist der scheinbar einfach-religiöse Zweifel in der sekundären
Form eben der logisch-religiöse, in seiner primären
Form der ethisch-religiöse — als in der Ver-
lcbendigung des Schemas durch Herausstellung von
zahlreichen Typen im Anschluß an eine reichlich herangezogene
religiöse und weltliche Literatur bis auf die
jüngste Gegenwart.

Wenn der Zweifel an und für sich nicht Krankheit,
Unglaube ist, so kann doch sein anormaler Verlauf zu
religiösen Krisen führen. Eine erfolgreiche Therapie
muß sich auf die richtige Diagnose stützen. Deren
Unterlage will der Verf. mit seiner theoretischen Analyse
geben. So rechtfertigt es der praktische, seelsorgerliche
Zweck, wenn das Büchlein reicher ist an mannigfachsten
Anregungen, als an neuen Ergebnissen. — Für
treue Übersetzerhilfe Herrn Geheimrat Wittmann vielen
Dank!

Heidelberg. Robert Winkler.

Geyser, Prof. Dr. Joseph: Max Schelers Phänomenologie der

Religion. Nacli ihren wesentlichen Lehren allgemeinverständlich
dargestellt und beurteilt. Freiburg: Herder & Co. 1924. (VII,
116 S.) 8°. Om. 2.59; geb. 3.50.

O., bekannt als katholischer Kritiker von Otto's Buch ,Das
Heilige', mißt hier aufgrund einer Analyse der Religionsphilosophie

Schelers dieselbe an dem von ihm vertretenen Maßstab des katholischen
Normalthcologen. Zwar ist beiden gemeinsam der charakteristische
Versuch des philosophischen Unterbaus einer theologia naturalis
(2, 29), die Behauptung einer die geoffenbarte Religion fundierenden
natürlichen Religion (88). In aller Schärfe wird nun aber der
Gegensatz herausgearbeitet zwischen dem syllogistischen Intellektualismus
des Aquinaten und dem Intuitionismus Schelers. Während
ersterer indirekt durch Folgerungen aus außerreligiösen Tatsachen
das Dasein Gottes erschließt und mit diesem rationalen Beweisversuch
ein praktisch-relig. Verhalten zu begründen meint, behauptet
Scheler die Ursprünglichkeit und Unableitbarkeit der religiösen Erfahrung
, die sich in spezifischen Akten unmittelbarer Wesensschau
von asensualen Gegebenheiten des Heiligen vollziehe.

Für die Unsicherheit seines phänomenologischen Verfahrens bezeichnend
ist übrigens, daß Scheler, sich um Husserls Grundsatz der
phänomenologischen in»x*i nicht kümmernd, in seinen Versuch
den Nachweis gerade der objektiven Realität Gottes einbeziehen zu
können glaubt.

Halle a. S. F. W. Schm idt.

Hessen, Priv.-Doz, Dr. theo!, et phil. Johannes: Die Religionsphilosophie
des Neukantianismus. Dargestellt und gewürdigt.
2. erw. Aufl. Freiburg i. Br.: Herder & Co. 1924. (XII, 198 S.)
kl. 8°. Geb. Gm. 5.60.

Das kleine Buch erweckt durch seine ruhig abwägende
, konfessionelle Enge bewußt ausschaltende
Sachlichkeit einen durchaus sympathischen Eindruck.
Nach einer Werden, Wesen und Formen des N. schildernden
Einleitung bietet Teil I eine recht gediegene
Darstellung der religionsphilosophischen Bemühungen
der Marburger Kantschule (Cohen, Natorp, Görland)
und der Badener (Windelband, Rkkert, Mehlis, Bauch,
Münch, J. Cohn). Daran schließt sich (II. Teil) eine
kritische Würdigung, die auf letzte Wurzeln zurückgehend
, zu zeigen versucht, inwiefern der Neukantianismus
überhaupt, insonderheit aber der Marburger, der
Religion, wie sie sich phänomenologisch darstellt, nicht
gerecht werden kann. Sie wird vergewaltigt, weil sie,
die doch von ganz andersartiger Struktur ist, hineingezwängt
werden soll in ein mehr oder weniger feststehendes
System schöpferischer Kultur des Geistes.
Also daß „beim N. die Philosophie im Grunde genommen
die Religion meistert" (165). Und aus dem
„panlogistischen" Grundprinzip folgt zugleich notwendig
die Bestreitung der religiösen Eigengewißheit oder
Selbstbegründung.

Zu dieser kurzen Charakteristik nur noch folgende kritische Bemerkungen
. Im Literaturverzeichnis wie im Buch fehlt eine Bezugnahme
auf Natorps Sozialidealismus (die Bemerkung 134 A. 2 genügt
nicht) und Rickerts System der Philosophie I. Wünschenswert
wäre, daß Verf. Wobbermins Systematische Theologie noch kennen
lernte. Unter den einen extremen Idealismus zurückweisenden Kantianern
wäre neben Külpe, Frischeisen-Kühler u. a. (S. 175 ff.) gerade
auch der Marburger N. Hartmann (Grundzüge einer Metaphysik der
Erkenntnis 1921) zu nennen. — Sehr erfreulich ist von katholischer
Seite eine Bemerkung wie S. 121: „daß aber das Christentum mit
philosophischer Spekulation nichts zu tun hat, beweist jedes Blatt
des Evangeliums". Ebenso richtig ist auch der Widerspruch gegen
eine Verquickung von Religion und Ästhetik (137).

Halle a. S. F. W. Schmidt.

Schwarz, Prof. Hermann: Auf Wege» der Mystik. Drei
grundlegende Erörterungen der Philosophie des Ungegebenen. Erfurt
: K. Stenger 1924. (64 S.) 8". =--- „Weisheit und Tat". Eine
Folge philosoph. Schriften, hrsg. v. Arthur Hoffmann, Heft 3.

Gm. 1.10.

In seinem kurzen Vorwort charakterisiert der Verfasser
selbst zutreffend die Bedeutung der zusammen
ein Ganzes bildenden drei Vorträge „Gottungegeben",
„Glück und Gott", „Persönlichkeit und Gemeinschaft"
dieses Heftes. Wir haben daran in der Tat eine ganz
vortreffliche kurze Einführung in seine Philosophie des
Ungegebenen, vortrefflich sowohl in der Form der
Darbietung (knapp zusammengefaßt und doch lebendig
und damit zugleich ein Bild übermittelnd von der philosophischen
Gedankenform des Verfassers) als auch in
der Auswahl der behandelten Einzelprobleme (die drei
Vorträge „erleuchten und ergänzen sich gegenseitig und
lassen das Wesentliche des Standpunktes über der Leben-