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Ausgabe:

1924 Nr. 26

Spalte:

555-556

Autor/Hrsg.:

Clemen, Carl

Titel/Untertitel:

Religionsgeschichtliche Erklärung des Neuen Testaments. Die Abhängigkeit des ältesten Christentums von nichtjüdischen Religionen und philosophischen Systemen zusammenfassend untersucht. 2., völlig

Rezensent:

Harnack, Adolf

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555

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 26.

556

aber alle? und ob immer? das ist doch noch recht sehr
die Frage" (S. 17). Auch weist der Verfasser Günter
mehrere Beispiele einer Konfrontierung von ganz disparaten
Dingen nach, aus denen sich für den Entscheid des
Problems überhaupt nichts ergibt. An manchen Punkten
ist H. in der Lage, das von Günter reichlich beigebrachte
Material noch zu ergänzen, und dafür wird man ihm
besondern Dank wissen; denn letzten Endes hängt der
endgültige Entscheid der Frage doch nur von der Beschaffenheit
des Materials ab.
Döttingen. Alfred Bert holet.

Mensching, Lic. theol. Gustav: Die Bedeutung des Leidens
im Buddhismus und Christentum. Ein Vortrag. Hannover:
C.V. Engelhard & Co. 1924. (19 S.) kl. 8°. Gm. —30.

Dieser Auszug aus einem Vortrag will ausgesprochenermaßen
keine neuen Erkenntnisse mitteilen, sondern nur „der kirchlichen
Verkündigung Anregung und Material bieten". Er behandelt nach
einander das Wesen, die Entstehung des Leidens und die Erlösung
von ihm und stellt die buddhistische und christliche Auffassung
davon richtig dar. Weitere Hefte sollen ebenfalls der Auseinandersetzung
des Christentums mit außerchristlichen Geistesmäcbten, besonders
den großen Religionen des Ostens, dienen.

Bonn. Carl C lernen.

Gemen, Prof. D. Dr Carl: Religionsgeschichtliche Erklärung
des Neuen Testaments. Die Abhängigkeit d. ältesten Christentums
v. nichtjüdischen Religionen und philos. Systemen. Zusammenfassend
unters. 2 , völlig neubearb. Aufl., 1. Hälfte. Gießen:
A. Töpelmann 1924. (IV, 192 S.) gr. 8°. Gm. 6—.

Die erste Auflage dieses in seinen Grenzen
schätzenswerten Werks ist in dieser Zeitung von
Bousset angezeigt worden (1910, Nr. 26). In der
neuen Gestalt hat es seine Vorzüge bewahrt; sie lassen
sich in dem Satze zusammenfassen, daß es eine im Einzelnen
mit besonnenen Urteilen versehene, sehr reichhaltige
Zusammenstellung der zahlreichen Untersuchungen
in Bezug auf das Außerchristliche im Neuen
Testament darbietet. Also ist es ein willkommenes Hilfsmittel
für die auf diesem Gebiet arbeitenden Forscher,
und der große Fleiß des Verfassers verdient Anerkennung
. Daraus daß es Lücken in Bezug auf die ausländische
Literatur aufweist — die empfindlichste ist, daß
die Abhandlungen von Moore übersehen sind —, wird
Niemand dem Verf. heute einen Vorwurf machen.

Sobald man aber mit prinzipiellen Erwägungen und
Fragen an das Werk herantritt, möchte man eine viel
durchgreifendere Umgestaltung desselben wünschen, als
sie der Verf. in seiner „völligen Neubearbeitung" geleistet
hat. Diese Wünsche beginnen schon bei den
ersten einleitenden Kapiteln „Die Geschichte des Problems
" und „Die mit dem Juden- und Urchristentum in
Berührung gekommenen Religionen und philosophischen
Systeme". Das ist keine Geschichte des Problems, sondern
der Ausschnitt aus einer räsonierenden Bibliographie,
und auch keine aufklärende Darstellung der „Berührungen
". Wenn einerseits weder die epochemachende Arbeit
F. Chr. B a u r's auf diesem Gebiet noch meine
„Dogmengeschichte" erwähnt werden, so geht daraus
hervor, daß der Verfasser „religionsgeschichtlich" in
einem Sinne faßt, der diesen Begriff auf das Peripherische
und Archäologische nahezu reduziert. Wenn andrerseits
an dem Spätjudentum (trotz S. 18f.) in
Concreto kaum getastet wird, so ergibt sich, daß die
Hauptfrage, wieviel „Außerchristliches" das Christentum
als eine Erscheinung des Spätjudentums schon in
der Wiege, ja in seiner Konstitution mitbekommen hat,
dem Verfasser in ihrer durchschlagenden Bedeutung
nicht aufgegangen ist, und wenn man nirgendwo einen
Aufschluß darüber erhält, wie sich in jenem Zeitalter
Religionen (Mysterien) und Philosophie zu einander
verhalten, so bleiben prinzipielle Unklarheiten bestehen,
die die Forschung schon seit langem bedrücken. Auch
das zweite einleitende Kapitel („Die Methode der Untersuchung
") ist dürftig, weil es eine Reihe grundlegender
methodischer Fragen (Welchen Sinn hatte ein rezipiertes

Element bei seiner Aufnahme? — Pseudomorphose —
Arabeszierung usw.) unerörtert läßt, die erörtert werden
müssen, wenn die religionsgeschichtliche Forschung
nicht immer wieder in Dilettantismus ausarten soll, d. h.
in die fortgesetzten Bemühungen, vage Möglichkeiten in
Tatsachen umzuwandeln und die NT.liche Forschung
abwechselnd unter d i e außerchristliche Religion zu
beugen, für die sich die wechselnde Mode interessiert.

Weil der Verfasser für die prinzipiellen geschichtlichen
Fragen wenig Sinn zeigt und alles in Einzelfragen
auflöst, ist sein Werk in strengem Sinn überhaupt kein
geschichtliches; man kann es vielmehr ein antiquarisch-
realenzyklopädisches nennen. Faßt man es so, so fehlt
freilich den Entscheidungen im Einzelnen, die so zu
sageti in einem abstrakten Raum gefällt werden, die
letzte Überzeugungskraft; aber man räumt dem Verf., wie
schon bemerkt, gerne ein, daß er mit bemerkenswerter
Umsicht, frei von Vorurteilen nach Rechts und Links,
seines übernommenen schiedsrichterlichen Amts in den
zahllosen Einzelfragen gewaltet hat. Er ist kein „Abhängigkeits
-Enthusiast", ja er übt bei einigen Problemen
mehr Zurückhaltung als m. E. zur Zeit noch zulässig ist.
Eine gewisse Ungleichmäßigkeit der Behandlung fällt
auf. So ist das große Problem der „Triaden" auf nur
3 Seiten und dabei sehr äußerlich behandelt. Umgekehrt
werden „Taufe" und „Abendmahl" einer sehr ausführlichen
Untersuchung unterzogen, die man mit Gewinn
liest.

Ceterum censeo — man studiere, wenn man das
N.T. „religionsgeschichtlich" erklären will — vor allem
das Spätjudentum, aber nicht nur nach Weber und
Schür er. Eine Rekonstruktion des Spätjudentums —
ein bedeutendes Hilfsmittel bietet jetzt Strack — in
der Totalität seiner Erscheinungen muß vorangehen, bevor
sich entscheiden läßt, welches fremde Gut die Kirche
des Apostolischen Zeitalters (bis zur Zeit Domitians)
ohne das Medium des Spätjudentums rezipiert hat. Bei
der Frage nach der Möglichkeit direkten Imports kommen
zahlreiche Erwägungen in Betracht, die leider oft
vernachlässigt werden — nicht nur die Erwägung über
Kern und Schale, sondern auch über die Verschiedenheit
der Weltstellung der Christenheit in den Zeiträumen
40—70, 70—120, 120—180, sowie über die Spirituali-
sierung und Transmutation rezipierter Elemente.

Berlin. Adolf v. Harnack.

Norton, Prof. Frederick Owen: The rlse of Christianlty. A histo-
rical study of the origin of the Christian Religion. Chicago: Univ.
of Chicago Press. 1924. (XXVI, 269 S.) 8°.
Dies Büchlein will Unterrichtszwecken dienen; es will in lesbarer
Form in die Quellen, d. h. in der Hauptsache in das Neue
Testament einführen, und es dem Studenten ermöglichen, aus den
Quellen heraus selber das Buch über die Ursprünge und die Entwicklung
des Christentums bis zum Anfange des 2. Jahrhunderts
zu schreiben, also über den Stoff, den der Verf. behandelt. Verf.
sagt, daß er mit der von ihm befolgten Methode gute Resultate erzielt
habe, und in der Tat scheint mir diese Anweisung zu selbständiger
Durchdringung des Stoffes praktisch zu sein. Der Standpunkt
, von dem aus der Verf. die Geschichte des ältesten Christentums
ansieht, ist der des wissenschaftlichen Durchschnitts, kenntnisreich
und besonnen. Deutsche Bücher werden nur zitiert, so weit sie in
englischer Ubersetzung vorliegen.

Kiel. G. F ick er.

Kaufmann, Carl Maria: Amerika und Urchristentum. Wclt-
verkehrswege des Christentums nach den Reichen der Maya und
Inka in vorkolumbischer Zeit. München: Delphin-Verlag 1924.
(58 S.) gr. 8°. Gm. 3.50.

Der Verfasser dieser Broschüre hatte schon 1922
in seinem Beitrag zur Merkle-Festschrift (S. 152 ff.) und
in der 3. Auflage seines Handbuchs der christlichen
Archäologie auf die Wahrscheinlichkeit direkter Beziehungen
zwischen der alten Welt und Amerika in
vorkolumbischer Zeit hingewiesen. Hier behandelt er
diese Frage ausführlicher, ohne doch schon sein ganzes
Material vorzulegen und dadurch ein abschließendes Urteil
zu ermöglichen. Immerhin kann man schon jetzt