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Ausgabe:

1924 Nr. 25

Spalte:

546

Autor/Hrsg.:

Böhme, Jakob

Titel/Untertitel:

Vom dreifachen Leben des Menschen. Neu hrsg. v. Lothar Schreyer 1924

Rezensent:

Clemen, Otto

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545

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 25.

546

bezüglich der Quellenfrage zu dem gleichen, nur sehr
viel eindringlicher dargelegten Ergebnis kommen. Auch
für sie ist es zweifellos, daß die Passio von Malalas abhängig
ist, und zwar gerade in den Stücken, die Harris
als Bestandteil einer altchristlichen Apologie ansehen
wollte. Aber schon hier sind sie tiefer eingedrungen als
R o b i n s o n: sie können feststellen, daß für die Dichterzitate
(Orpheus, Sophokles, Sibylle [Plato?], Apollo,
vermutungsweise auch Homer) als Quelle nicht Malalas,
sondern eine Sammlung von ypr/rrro/ in Betracht kommt
die der im Codex Angelicus 43 (vgl. Studi italiani
4,88) erhaltenen entsprochen hat. Sie haben sich sodann
einer inhaltlichen Betrachtung zugewandt und zunächst
an dem Apollo-Orakel (dessen vollständigen Text
sie bei Buresch, Klaros, Nr. 16 [S. 99] aufgefunden
haben) gezeigt, daß es aus dogmengeschichtlichen Gründen
vor dem 5. Jahrhundert gar nicht entstanden sein
kann. Sie haben bei ihren Streifzügen durch die spätere
Literatur die bemerkenswerte Beobachtung gemacht, daß
gerade die Byzantiner mit den Fragen nach der Entstehung
der heidnischen Götter lebhaft beschäftigt
waren und das Aufwärmen euhemeristischer Theorien1
keineswegs als Nachleben altchristlich - apologetischer
Stellungnahme angesehen werden muß. Sie konnten
auch von dem Bekenntnisstück in der Apologie der
Katharina zeigen, daß es sich dabei um eine Arbeit etwa
des 6. Jahrhunderts handelt, und sie weisen schließlich
darauf "hin, daß das in der Rede der Heiligen zum Ausdruck
gebrachte kaiserliche Gottesgnadentum im Munde
eines altchristlichen Apologeten, mochte er noch so
staatsfreundlich gesinnt sein, schwerlich denkbar sei.
Darüber, daß BJ von der Passio abhängig ist, sind sie
mit Harris und Robinson einig. Doch weichen sie
von den oben mitgeteilten Sätzen Robinsons insofern
ab, als sie der Meinung sind, derselbe Mönch, der
BJ auf Grund alter Quellen geschrieben hat, habe auch
die Passio, die ihm in der Form von Cod. Par. 1180 vorlag
, in die vom Metaphrasten aufbewahrte Form umgegossen
. Da sie Krumbachers Datierung von BJ übernehmen
, so kommt der Damaszener als Verfasser für sie
nicht in Frage. Daß Palästina seine Heimat war, glauben
sie aus der Verwandtschaft der Glaubensformel des
Sophronius von Jerusalem mit dem symbolartigen Stück
der Passio schließen zu dürfen.

So weit ich sehe, läßt sich zurzeit Entscheidendes
weder für diese Ansetzung noch für die Robinsons
beibringen. Vielleicht hat dieser Recht, wenn er schreibt:
„This is a question for our modern students of Byzan-
tine literature. The answer can only come from those
who can speak with authority on the materials and
methods of the Metaphrast." Jedenfalls ist durch seine
und noch mehr durch Klostermanns und Seebergs
Untersuchung die Harrissche Hypothese aus der
Erörterung ausgeschieden worden, ohne daß dadurch
der Dank für die Anregung, die ihr Urheber der
Forschung gegeben hat, verringert wird.
Gießen. G. Krüger.

1) Die Ableitung des Namens Aikatharina aus Hekataios lehnen
sie ab und weisen ihrerseits darauf hin, daß die Betonung der
Jungfräulichkeit und Reinheit der Katharina in der vom Metaphrasten
dargebotenen Textform schwerlich ganz unbeabsichtigt sein
dürfte.

Jones, Prof. Rufus M.: The Later Periods of Quakerism.

2 Vols. London: Mactnillan and Co. 1921. (XXXVI, 1020 S.)

Den zweiten, von William Braithwaite bearbeiteten
Band der großen Quäkergeschichte habe ich in dieser
Zeitschrift 1922, Sp. 9 zur Anzeige gebracht und konnte
dabei auf das Erscheinen des letzten Bandes noch in
einer Fußnote hinweisen. Dieser ist mir verspätet zugegangen
, so daß ich erst jetzt auf ihn eingehen kann.
Sein Verfasser, Professor Jones an der Studienanstalt
der Quäker zu Haverford in Pennsylvania, ist uns durch
seine Spiritual Reformers in the 16 th and 17 th Centu-
ries (s. diese Zeitung 1922, Sp. 9 f.) bereits vorteilhaft
bekannt und hat sich auch in seinem neuesten
Werk als ausgezeichneter Historiker und trefflicher
Schriftsteller erwiesen. Er hat es nicht nur verstanden,
die Geschichte seiner Denomination seit dem 18. Jahrhundert
mit kritischem Blick in sich selbst zu verfolgen
und mit fesselnder Anschaulichkeit darzustellen, sondern
er hat sie auch mit sicherem Griff in den zeitgeschichtlichen
Rahmen hineingestellt und das wechselnde
Verhältnis des Quäkertums zur religiösen und kulturellen
Entwicklung der Neuzeit mit wohltuender Unparteilichkeit
herausgearbeitet. Bestimmend ist dafür im 18.
Jahrhundert zunächst der mystische Quietismus, sodann
Aufklärung und Methodismus. Indem er diese Einflüsse
im einzelnen verfolgt, hält Jones durchweg den
Blick gerichtet auf die gedoppelte Entwicklung des
Quäkertums im Mutterland und in Amerika. Daß er
gerade der Entwicklung in Amerika, der er übrigens
schon ein eigenes Buch gewidmet hat (The Quakers in
the American Colonies, 1911), mit besonderer Sorgfalt
nachgegangen ist, liegt bei ihm nahe und wird ihm
bei uns mangels sonstiger Orientierungsquellen besonders
gedankt werden. Sehr lichtvoll sind die Vorgänge
dargestellt, die (seit 1826) zu der großen Spaltung
zwischen Hicksiten und Orthodoxen führten. Jones
macht, obwohl er den Rationalismus der Hicksiten ablehnt
, doch kein Hehl daraus, daß ihm wachsende Betonung
des Dogmatismus in der Stammgruppe, dessen
also, was er Evangelikaiismus nennt, d. h. „a body of
doctrines, a System of theological coneeptions, alone
containing the eternal truth of christianity", der Auswirkung
der Quäkergrundsätze im Wege zu stehen
scheint. Seine Darstellung der Entwicklung im 19.
Jahrhundert ist sichtlich von der freudigen Erkenntnis
getragen, daß darin der undogmatische, untheologische
Geist des Quäkertums zu immer stärkerer Geltung gekommen
ist. So kommen in der zweiten Hälfte des
Buches die humanistischen Bestrebungen der Quäker
(vgl. die Kapitel Anti-Slavery Work, Friends in Educa-
tion, Friends' Testimony for Peace, London Meeting for
Sufferings) zu wirksamer Darstellung. Einen großen
Raum nehmen die Lebens- und Charakterbilder hervorragender
Quäker und Quäkerinnen ein. Neben allbekannten
und weniger bekannten Namen begegnen uns
hier natürlich auch gänzlich unbekannte. Aber man
wird keine dieser Charakteristiken ohne Gewinn lesen.
Für besonders beachtenswert halte ich endlich die ausführliche
Einleitung, eine grundsätzliche Einführung in
die Begriffe mysticism und evangelicalism von quäkerischem
Standpunkt, die von einer Selbstverständlichkeit
und Weitherzigkeit der Auffassung religiöser Kernfragen
Zeugnis gibt, wie man sie in unseren Konfessionskirchen
bedauerlicherweise selten findet. Auch die
schriftstellerischen Qualitäten von Jones erscheinen
hier in bestem Licht. Das Register ist vorbildlich gearbeitet
.

Gießen. G. Krüger.

Böhme, Jakob: Vom dreifachen Leben des Menschen. Neu

hrsg. von Lothar Schreyer. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt
. (592 S. m. 2 Abb. u. 2 Taf.) kl. 8°. = Aus alten Bücherschränken
. Eine Sammlung vergessenen u. gefährdeten dtschn.

Volksgutes. Hrsg. v. Dr. Wilhelm Stapel. Qm. 10_

Zum ersten Male seit der Gesamtausgabe von 1730 wird hier
eine unverkürzte Einzelausgabe des bedeutsamen Werkes des protestantischen
Mystikers dargeboten. Eine Einführung in Böhmes Gedankenwelt
und sprachliche Erläuterungen sind beigegeben. Beides
kurz gehalten, das ist aber wohl doch auch das Richtige. In
Böhmes Gedankenwelt und Sprache muß man sich einfach einlesen
und einleben. Die übersichtliche Textanordnung und die Interpunktion
erleichtern die Lektüre.

Zwickau i.Sa. o. C lernen.

Deutschland und der Vatikan. Ein Beitrag zur politischen Orientierung
von einem Deutschen. 4. Aufl. Berlin: Säemann-Vcrlag 1924.
(91 S.) 8». Gm. 1-.

Das Heft bildet eine Fortsetzung des unter demselben Pseudonym
erschienenen bekannten Buches „Papst, Kurie und Weltkrieg"