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Ausgabe:

1924 Nr. 25

Spalte:

537-539

Autor/Hrsg.:

Chiappelli, Alessandro

Titel/Untertitel:

La „Distruzione del Tempio e la riedificazione in tre giorni“ nei Sinottici e in Giovanni 1924

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 25.

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Auch sonst wird Verf. der religionsgeschichtlichen
Forschung nicht gerecht. Wenn er ihr etwa die Einbildung
zuschiebt, ins Innerste der Frömmigkeit des
Apostels hineinführen und die Entstehung seines Glaubens
entschleiern zu können. Oder wenn er die Achsel
über das Verfahren gewisser Gelehrter zuckt, die einen
bleibenden Kern von zeitgeschichtlich bedingter Hülle
sondern wollen (S. 5. 117, 1). Wo das geschieht, etwa
bei H. Holtzmann, erfolgt es doch nicht in der Meinung
, eine historische Feststellung über das, was dem
Urchristentum selbst wichtig oder unwesentlich war,
getroffen zu haben. Der Beweggrund ist doch allein
der praktische, zu zeigen, wie auch in der Gegenwart
mit ihren so ganz anderen religiösen Lebensverhältnissen
wichtige Teile der urchristlichen Religiosität fruchtbar
gemacht werden können.

Manches, was M. gegen die Religionsgeschichtler
vorbringt, kommt mir wie ein Streit um Worte oder um
ein mehr oder weniger vor, so z. B. die Erörterung
darüber, ob das Urchristentum eine synkretistische Religion
genannt werden dürfe oder nicht. Die Auffassung,
daß Paulus kein Gnostiker sei, kann richtig, falsch oder
halbrichtig sein, je nach dem, was man unter einem
Gnostiker versteht. Hier hätte jemand, der die Philosophie
zur Berichtigung der Geschichtswissenschaft aufruft
und sich für „klare phänomenologische Tatbestände
" begeistert, wohl etwas schärfer in der Fassung
der Begriffe sein können. Wenn es richtig ist, daß man
die paulinische Christusanschauung nicht mit der „späteren
Gnosis" auf eine Linie stellen soll, so darf man
deshalb noch nicht mit der Behauptung operieren, daß
überhaupt „gnostische Ideen noch nicht in seinen Gesichtskreis
getreten sind* (S. 83) und von da aus „gnos-
tisch" anmutende Aussagen harmlos deuten. Den Satz
von „den Gnostikern, die die Kirche vorfanden" (89, 2),
würde ich nach den Ergebnissen moderner Forschung in
die Aussage umkehren, daß die Kirche „Gnosis" vorfand.
Gegensätze wie der, daß der Hymnus auf die Liebe
(1. Kor. 13) nicht das unbeabsichtigte Erzeugnis einer
glücklichen Stunde, sondern eine den Korinthern
mitgeteilte Einlage sei (65), scheinen mir schief. Man
kann doch das Ergebnis glücklicher Inspiration bei
passender Gelegenheit einem weiteren Kreise mitteilen,
ohne daß es deshalb den Segen seiner Geburtsstunde zu
verleugnen braucht. Derartiges ist mir noch öfter aufgefallen
.

Im ganzen habe ich den Eindruck, als ob Verf. in
dem Wunsche, vermeintlichen Einseitigkeiten der religionsgeschichtlichen
Forschung zu begegnen, die Scylla
nicht völlig vermieden hat.

Göttingen. Walter Hauer.

Chiappelli, AlessandTo: Virgilio nel Nuovo Testamento.

Estratto dall' Atene e Roma XXII, 1919, Nr. 241—243. Florenz:

Enrico Ariani 1919. (14 S.) gr. 8°.
Ders.: Ancora su Virgilio e gli <-Atti degli Apostoli». Florenz:

Selbstverlag. (S. 89—98) gr. 8°.
Ders.: La „Distruzione del Teinpio e la riedifieazione in tre

giorni" nei Sinottici e in Giovanni. Estratti Rivista „Bilych-

nis", II. Serie, Nr. 117. Rom: Casa Edit. „Bilychnis" 1923.

L. 2.50.

1. u. 2. In den beiden ersten Aufsätzen (in der
Ztschr. ,Atene e Roma'; der erste XXII. 1919, beim
Sonderabzug des zweiten ist keine Jahreszahl angegeben
) sucht Ch. eine weitgehende Anlehnung der Apostelgeschichte
, namentlich der ,Wir-Stücke', zumal im
Seetahrtsbericht der beiden letzten Kapitel, an Virgils
Aeneis nachzuweisen. Wie in dieser durchaus religiösen
Dichtung, so erfährt auch in der AG. der Held bei
schwerwiegenden Entschlüssen und in gefährlichen Lagen
unmittelbare Weisungen und Hilfeleistungen des
Himmels, erlebt auf der Seefahrt ähnliche Abenteuer,
erleidet Schiffbruch, tröstet die Gefährten und wird
mit ihnen gerettet, er landet schließlich am Ufer von
Puteoli (nicht weit von Cumä, wo Aeneas die Höhle
der Sibylle besuchte) und kommt von da an sein Ziel,

Latium und Rom. Während Paulus selber Rom. 15,24
Rom nur als Durchgangspunkt auf seiner beabsichtigten
Reise nach Spanien bezeichnet, erscheint die ewige Stadt
in der AG. als Endpunkt: Paulus ist eben der zweite,
christliche Aeneas, der Gründer eines neuen Roms.
,Tantae molis erat, christianam condere gentenT, so
könnte man mit einer Abänderung des bekannten Virgilverses
die ganze AG. überschreiben. Und wie bei
Virgil der Tod des Aeneas nicht mehr erzählt, sondern
nur angekündigt ist, so in der AG. der Tod Pauli. Die
AG. ist ein ,libro romanamente irenico', ihr Verf. eine
,anima virgilianamente cristiana'. Damit will Ch. nicht
jeden geschichtlichen Wert der AG. verneinen, sondern
nur zeigen, daß ihre Darstellung von einem hohen Gedanken
beherrscht, daß sie ,Wahrheit und Dichtung'
zugleich ist. Als Verf. betrachtet er Lukas den Arzt,
und er glaubt, daß dieser römischen Ursprungs gewesen
sei, aber auch als geborener Grieche mit Virgils Dichtung
hätte bekannt sein können. Das mag zugegeben werden
. Aber gerade in der Frage nach dem Verf. (der
ganzen AG.) erscheint Ch.s Auffassung zwiespältig,
da er einerseits an einen Begleiter Pauli denkt, anderseits
die Abfassung in die Jahre 80—100 verlegt. Der
Gedanke, die AG. mit der Aeneis in Vergleich zu
setzen, ist nicht ganz neu, aber neu ist die planmäßige
und völlige Durchführung, und daß sie bei Ch. geistreich
und verlockend dasteht, läßt sich auf keinen Fall bestreiten
, wenn auch manche Bedenken bleiben und die
Unterschiede vielfach verwischt sind. Es ist doch ein
bischen viel ,Aeneas' bei der Sache — soviel, daß der
Druckfehlerteufel einmal (1,14) sogar aus dem Pastor
des Hermas einen ,Pastore di Enea' gemacht hat. Ein
römisches Herz wird wohl an der aus Ch.s Auffassung
hervorspringenden ,missione Romana e supremazia della
communita cristiana di Roma' Wohlgefallen finden. Was
Einzelberührungen betrifft, so wäre 11,96 zu Aen. III,
89: ,Da, pater, augurium, et animis illabere nostris' statt
an Act. 4, 29 vielleicht eher an 10, 44 zu erinnern:
hehetasv t<> ftivevfta xb dyiov hei /cdvxag rote dxovov
zag zbv kbyor. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch
noch auf eine piatonische Erinnerung in der AG. aufmerksam
machen. An der bekannten Stelle über die
Gütergemeinschaft 4, 32 heißt es nämlich: Kai otde elg
xt xwv i itacr/hvxwv avxiy t/.tytv tdtov eivai, akk' ip (aroig
redvxu xoeya — wie Plato Rep. V, 457 C/D von der Weibergemeinschaft
der (fuiaxeg sagt: *«< yvvctixctg xctuxag xwv
avdqtZv xovxwv red vxwv reiiuug tivat xotvdg, loicf di /i
delg ltrßtuiav avror/.eiv. Soviel ich sehe, wurde diese sprachliche
Übereinstimmung bisher nicht beachtet, obwohl
man den Gedanken eines urchristlichen Kommunismus
sachlich mit dem platonischen Kommunismus in Verbindung
brachte.

3. In der weiteren Abhandlung (Bilychnis 1923)
kündigt Ch. eine Schrift an, worin er die seit Baur vorherrschende
Anschauung über das Verhältnis des vierten
Evangeliums zu den Synoptikern, nach dem neuerlichen
Vorgang anderer, umkehrend nachzuweisen gedenkt ,daß
dieses Evangelium bei aller programmatischer, anago-
gischer, lehrhafter und nach manchen Seiten symbolischer
und allegorischer Eigenart' dennoch einen Grundstock
jerusalemischer oder jedenfalls jüdischer Herkunft
habe, der nicht an das Ende, sondern an den Anfang
wenn nicht der evangelischen Literatur, so doch der
Überlieferung gehöre. Als Probe greift er die Äußerung
über die Zerstörung des Tempels und seinen Wiederaufbau
in drei Tagen heraus, wie sie einerseits in den
falschen Zeugenaussagen vor dem hohen Rat und den
höhnischen Zurufen an den Gekreuzigten hei den Synoptikern
(Mk. 14,58. 15,29. Mt. 26,61. 27,39; dazu die
Anklage gegen Stephanus Act. 6, 13) und anderseits
im Redewechsel bei Joh. 2,19 erscheint. Hier habe
das vierte Evangelium die ursprüngliche Fassung und
Bedeutung des Herrnwortes wiedergegeben. Der Zusatz
ytuwicoirixov und dyeiQ-ortolrjiov bei Markus ver