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Ausgabe: | 1924 Nr. 25 |
Spalte: | 533-534 |
Autor/Hrsg.: | Brandenburg, Erich |
Titel/Untertitel: | Die Grotten von Jerusalem. Ihr Ursprung und ihre Beziehungen 1924 |
Rezensent: | Dalman, Gustaf |
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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 25.
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peratur des Meerwassers gelten, aber auch Beiträge
geben zur Beschreibung der Randgebirge, der Mineralien
und der Vegetation der Seeufer. Es wird dabei u. a.
aufmerksam gemacht auf die Notwendigkeit genauer
Messung der Verdunstung des Seewassers, mit der H.
Koppe sich während des Krieges beschäftigte, auf
die Aufspeicherung der Sonnenwärme in den tieferen
Schichten des Wassers, den Einfluß der Temperatur auf
die Ausscheidung verschiedener Salzarten, und man bedauert
, daß nicht noch eingehendere Untersuchungen
an Ort und Stelle stattfinden konnten. Für die Pflanzen-
und Tierkunde findet man bei Blanckenhorn, Naturwissenschaftliche
Studien, vom Verf. gar nicht berücksichtigt
, Zuverlässigeres. Von Antilopen, Rebhühnern,
dem Hennabaum, Papyrus sollte nicht geredet werden.
Für die Entstehung des Sees und das biblische Ereignis
von Sodom ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte
. Aber jeder Fortschritt in der Erkenntnis dieses
einzigartigen, noch immer nicht hinreichend erforschten
Sees macht für uns klarer, welche Bedeutung er in der
Vergangenheit haben konnte. Es ist zu bedauern, daß
die dänische Expedition von 1913 bisher nichts über
ihre Beobachtungen veröffentlicht hat.
Greifswald. G. D a 1 m a n.
Brandenburg, F.: Die Grotten von Jerusalem. Ihr Ursprung
und ihre Beziehungen. Frankfurt a. M.: J. Kauffmann in
Komm. 1923. (89 S. m. Abb.) 8°. = Gesellschaft f. Palästina-
Forschung, 9. Veröffentlichung. Gm. 3—.
Derselbe Verf. hatte 1914 in seinem „Bericht über
eine Reise in Syrien und Palästina" Erstaunen erregt
durch die Behauptung, daß die Felsengräber Jerusalems,
unter denen er neue „Funde" gemacht zu haben glaubte,
ursprünglich Kultstätteu waren, und eben jetzt haben
die Zeitungen sich mit seiner neuerlichen Bestimmung
einer kleinen Skulptur als Kultobjekt eines Venusheiligtums
beschäftigt, weil sie den Fundort als Stätte des i
Grabes Jesu beweisen soll. Die obige Schrift unterbaut
die Deutung der vom Verf. 1913 „gefundenen" Grotten
als Heiligtümer durch den Hinweis auf die Typen von
prähistorischen, ägyptischen, assyrischen, babylonischen
und hetitischen Heiligtümern, welche den Typen der
Grabanlagen verwandt seien. Quercella, Längscella,
Sanctissimum seien auch da als wesentliche Bestandteile
zu beobachten. Nur sei die Quercella zu einer Vorhalle
geworden, indem die Wandteile zwischen dem Eingang
und den beiderseits angebrachten Fenstern zu Pfeilern
zusammenschrumpften. Der Längscella entsprächen die
Zentralkammern der Grabanlagen. Erst nachträglich
habe man sie mit Nebenkammern umgeben, in denen man
die Toten unter den Schutz des Heiligtums stellte. Vier
Tafeln geben am Schluß eine Übersicht über die besprochenen
Heiligtümer- und Grabtypen. Als Resultat
der Vergleichung des Auftretens der Typen außerhalb Palästinas
wird bezeichnet, daß die „Grottenheiligtümer"
Jerusalems infolge ägyptischen Einflusses nach 1300,
aber noch vor 1120 entstanden seien. So müßten sie
dann auch das Vorbild für den Tempel Salomos mit
seinem Schema Vorhalle, Längscella, Sanctissimum abgegeben
haben. Die Grottenheiligtümer, die freilich an
Tälern liegen, seien aber noch lange im Gebrauch geblieben
und würden von Ezechiel mit den von ihm getadelten
Bergheiligtümern gemeint. Selbst die Anlage
des Grabes der adiabenischen Königsfamilie wird trotz
ihres Schmuckes mit römischer Kunst für ein solches
Heiligtum erklärt, dem man die Grabkammern nur angehängt
habe. Der Verf. unterläßt jede Auseinandersetzung
mit den besonders von Macalister und Schumacher
gewonnenen Anzeichen für die Geschichte der
palästinischen Grabtypen, wonach die vermeintlichen
voi israelitischen „Grottenheiligtümer" frühestens in die
spätnachexilische Zeit gehören. Er meint, das Hinnomtal
sei zum Höllental geworden, wie die in den Grotten
verehrten Gottheiten später zu Dämonen wurden, „wie
wir das stets bei wechselnden Religionen finden", —
während doch der geschichtlich klare Weg von dem
einen zum andern Namen ein ganz anderer war. Die
vom Deutschen Palästina-Institut 1909—11 ausgeführte
Untersuchung der gesamten Felsennekropole Jerusalems
hat ergeben, daß Spuren einer vorgängigen Benutzung
der Grabanlagen als Heiligtümer nirgends erkennbar
sind. Wohnungs-, nicht Heiligtumstypen werden ihnen
zugrunde liegen, wie es die Herausgabe der Resultate
jener umfassenden Untersuchung demnächst zeigen soll.
Erst wenn die Felsengräber Syriens und Kleinasiens
einmal ebenfalls systematisch untersucht sind, wird die
Zeit gekommen sein, über die Wanderungen der Grabtypen
nachzudenken. Mit kühnen Kombinationen auf
Grunde sporadischer Beobachtungen wird die Altertumswissenschaft
nicht gefördert.
Greifswald. G. Da Im an.
Strack, Hermann (t), und Paul Billerb eck: Kommentar
zum Neuen Testament aus Talmud und Midrascli. 2. Bd.: Das
Evangelium nach Markus, Lukas und Joliannes und die Apostelgeschichte.
München: C. H. Beck 1924. (IX, 867 S.) gr. 8".
Gm. 20- ; geb. 24-; Hfrz. 28-.
Dem 1922 erschienenen und im vergangenen
Jahre hier angezeigten (48. Jahrgang Nr. 19, 1923 Sp.
385—388) ersten Bande von Strack-Billerbecks großem
Kommentarwerk ist nunmehr der zweite gefolgt. Es ist
selbstverständlich, daß er keinen anderen Charakter
zeigt als jener. War doch das gesamte Manuskript
fertiggestellt, bevor überhaupt mit dem Satze begonnen
worden ist. So kann für die Charakteristik der Gesamthaltung
im wesentlichen auf die frühere Besprechung
hingewiesen werden. Das ist auch deshalb statthaft,
weil wenigstens in der ersten Hälfte des neuen Buches,
bei der Erklärung des Markus- und Lukasevangeliums
fortgesetzt an den ersten Band erinnert wird, der die
Hauptlast der synoptischen Auslegung getragen hat.
Bei der Abfassung der früheren Rezension war der
vorherrschende Eindruck der der Bewunderung gewesen
für den ungemeinen Fleiß und die staunenswerte Gelehrsamkeit
und Sorgfalt, welche die Bearbeiter offenbarten
. Damit verband sich die Dankbarkeit für ein der
Forschung zweifellos sehr dienliches Buch, das wir so
wohl nur von dieser Seite bekommen konnten. Erst in
zweiter Linie hatte sich auch die Kritik hervorgewagt.
Heute — muß ich gestehen — nehme ich nach längerem
Umgang mit dem Werke einen etwas anderen Standpunkt
ihm gegenüber ein. Nicht als ob ich etwas von
den Lobsprüchen zurückziehen wollte, die ich dem ersten
Bande gespendet habe, oder als ob ich mir einbildete,
seither zu einem Talmudkenner herangereift zu sein, der
seine Stimme lauter erheben dürfe. Aber es will mir
heute so scheinen, als wäre wichtiger als die Vermehrung
des Chores jener, die dem Unternehmen verdiente
Anerkennung zollen, der Hinweis auf seine
Schranken. In den Kreisen, die den Verff. nahe stehen,
beschwert man sich gern über die wahllose Häufung
religionsgeschichtlicher Parallelen und Analogien. Aber
derselbe Vorwurf läßt sich mutatis mutandis gegen
Strack-Billerbeck kehren. Es wird unendlich vieles mitgeteilt
, was im Grunde für das Verständnis des N.T.s
wenig oder gar nichts bedeutet. S. 204—06 ist zu
Lk. 14, 12 alles zusammengetragen, was rabbinische Literatur
über das Frühstück verlauten läßt. S. 213—15
hören wir zu Lk. 15, 16 eingehend vom Johannisbrot.
S. 372—99 handelt zu Joh. 2, 1 ausführlichst über Ehe
und Hochzeit, S. 641—47 zu AG. 6, 3 über Armenpflege
, 647—661 zu AG. 6, 16 über Ordination,
696—702 zu AG. 10, 9 über die Gebetszeiten der
Synagoge. Und sehr vieles derartige ließe sich noch
aufzählen. Gewiß sind solche Stoffsammlungen höchst
verdienstlich. Nur gehören sie nicht in einen Kommentar
zum N.T. Wir empfangen eigentlich kaum einen solchen
, sondern wir erhalten Materialien zu einer rabbi-
nischen Archäologie, Kultur- und Religionsgeschichte,
aufgereiht am Faden des nt. Textes und lediglich in
der durch diesen bedingten Vollständigkeit. Würden sich