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Ausgabe:

1924 Nr. 2

Spalte:

522-525

Autor/Hrsg.:

Walther, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Lehrbuch der Symbolik. Die Eigentümlichkeiten der vier christlichen Hauptkirchen vom Standpunkt Luthers aus dargestellt 1924

Rezensent:

Mulert, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 23/24.

522

Succession des Episkopats; wo Protestanten etwas davon
abgetan haben, stirbt der Glaube an lebendige Sa-
cramente und das Bedürfnis darnach. IV „The Freedom
oj Catholic Authority" hat leicht, katholische
Lehre als Ganzes anzunehmen. Man muß sie auf
Fachaussagen beschränken und drüberhinausgehende
Emanationen abweisen, das fordern einfach common-
sense and normal system. Anstoß bieten höchstens
the unofficial developments der Volksfrömmigkeit
. Und doch gehören diese auch dazu; man
darf nur nicht pedantisch sein: es ist unmöglich, einen
Mann mit £ 1000 im Jahr reich, einen mit £ 999 arm
zu nennen, zu sagen, wann das Tageslicht endet und die
Nacht beginnt. Nach der Abgrenzung gegen die nichtchristliche
und die protestantische Seite kommen in
V „The Validity oj Anglo - Catholic Claims" die
eignen Forderungen. Die engl. Kirche war, trotz
bewahrter kathol. Ordnung und kathol. Sacraments-
leben, in ihrem Personal und ihrer Lchrdarstellung fast
ganz ein protestantischer Körper geworden. Der Staat
hatte mit Schuld daran. Nun hat die katholische
Erweckung durchs ganze Land einen mit „gemäßigt
hoch" zu beschreibenden kirchl. Zustand erkämpft. „Der
Anglokatholik ist gleich einem Manne, dem man den
Zutritt in ein Haus erlaubt hat, in dem schon zwei oder
drei Bewohner sind, der aber den Anspruch erhebt, das
ganze Haus gehöre von Rechts wegen ihm": Der Jurist
mit hochgekrempelten Hemdärmeln. Er beruft sich
darauf, daß der rechte katholische Geist latent stets da
war; Beweis: das sacramentale Leben.1 Das Common
Player ist eine Minimum-Basis; Ruhe wird erst,
wenn der ganze katholische Glaube erreicht, gehalten
und geübt wird. Butterweich wird die Position gegen
Rom verfochten, und, S. 56, heißt es von dem Dogma
der Unfehlbarkeit des Papstes: wir haben es noch
nicht erreicht. Rom hat von England zu lernen, das
seine Katholicität erweist, indem es übertretende Priester
aus der römischen und östlichen Kirche nicht neu
ordiniert, wohl aber bekehrte prot. ministers unbedingt
. Ein Römischwerden liegt denn ganz fern: der
Anglokatholicismus hat die kathol. Atmosphäre,1 „den
besonderen Typ des Heiligen und Mystikers, den die
kath. Religion allein hervorbringen kann"; „persönlicher
Übergang zu Rom ist für einen Anglokatholiken
eine Betätigung von Unglauben an seine sacramentale
Erfahrung." Die 39 Artikel sind so wenig unfehlbar
wie das Common Prayer. Daß die Anglokatholiken im
Schisma leben, ficht sie wenig an; das Beispiel des
Ostens zeigt, daß keine auch noch so legitime Weiterentwicklung
der Lehre im Westen, menschlich gesprochen
, durchgeführt und durch allgemeine Anerkennung
bekräftigt ist, ehe sich der nicht-lateinische
Teil der Kirche damit auseinandergesetzt hat. Anders
urteilen ist ultramontan. Daß es endlich in England
chaotisch hergeht, darf keinen wundern: der Hauseigentümer
braucht Zeit, bis er die unberechtigte Besatzung
hinausgeworfen hat. Der Schlußabschnitt bringt lose
Bemerkungen. Rom ist das fertige, der Anglokath. das
Haus im Bau, und das ist die schönere, zukunftsmächtigere
Aufgabe, zudem, er ist, mehr als es Rom je sein
kann, „heilsam und gesund englisch". Der Anglokatholik
ist weit entfernt davon, sectiererischer Dogmatiker
zu sein; nirgends tritt das Dogma mehr zurück; aufgrund
seines Kultlebens, der Schau, die ihm geworden,
iii der der Heiland, seine Mutter und die Heiligen ihre
Stelle haben, ist er Eroberer, nicht Controverstheolog;
in seiner Alles umfassenden Liebe duldsamer, als es
ein andrer sein kann. Interessant ist die Reminiscenz
an die Heimkehr des Vfs. vom Kriege: Angesichts der
vulkanischen socialen Probleme, die vor der Gesellschaft
standen, schien ihm seine Richtung einen Augen-

1) the note of sanetity reicht zu, einer Kirche Existenzrecht
zu geben, tröstet sich Newman in Littlcmore, zwei Jahre
vor seiner Conversion (Brilioth, Nyanglikansk Kcnässans, Kyr-
kohist. Arsskr. 1922, 201—204).

blick eine Kräfteablenkung in ceremonielle Speciali-
täten hinein zu sein; nun sieht er aber: zuerst ein geistliches
Heim, und alles wird sich geben. Bei aller Besonnenheit
gilt es fortzuschreiten (wenigstens die höhern
geistlichen Grade sollen dem Cölibatär vorbehalten
sein); jeder Stein ist zum Bau nötig; erst dann können
wir in die Gemeinschaft mit fremdem Christentum eintreten
, wenn wir unsre nationalen Instinkte dazu nicht zu
verlassen, sondern hinzuzubringen haben.

Soweit überhaupt, also Nachkriegstheologie, unleugbar
feinerer Art als etwa der Fundamentalismus
überm Meer, vom Geist der Reformation bewußter, aber
nicht weiter geschieden.
Fahrenbach (Baden). Peter Katz.

Walther, Prof. D. Dr. Wilh.: Lehrbuch der Symbolik. Die

Eigentümlichkeiten der vier christlichen Hauptkirchen vom Standpunkt
Luthers aus dargestellt. Leipzig: A. Deichert 1924. (XII,
477 S.) gr. 8°. == Sammlung Theologischer Lehrbücher.

Wie Loofs den alten Namen Symbolik beibehalten
hat und tatsächlich doch keineswegs nur eine Ver-
gleichung der Lehren, sondern daneben gutes Material
über Verfassung, Kult und anderes konfessionskundlich
Wichtige bietet, so will Walther „auch die Verfassung,
den Kult, die besondere Art der Frömmigkeit" darstellen
. „Aber bei den vier Hauptkirchen bilden auch
für derartiges die Symbole die Grundlage". Daß allerdings
der Begriff symbolischer Bücher nicht ganz in dem
Sinn, wie er auf lutherischem Boden erwuchs, auf die
anderen Kirchen angewendet werden kann, tritt bei W.
zurück. Und daß für eine Darstellung von Verfassung,
Kult und Frömmigkeit der katholischen Kirchen die
Bekenntnisschriften die Grundlage zu bilden hätten,
mag fraglich sein. Auch überrascht es, daß W. tatsächlich
nur die vier Hauptkirchen behandelt, von den sog.
Sekten nirgends ausdrücklich handelt (was den Wert
seines Buchs für Studenten und Pfarrer in der Gegenwart
erheblich vermindert), obwohl er sagt, es liege
kein Grund vor, nur einzelne aus den christlichen Religionsgemeinschaften
zu berücksichtigen. Daß diese Einschränkung
ein der Ungunst des Inflationsjahres 1923
gebrachtes Opfer sei, wird in der Vorrede, die andere
derartige Opfer nennt, nicht erwähnt. Wenn zu diesen
Opfern gehört, daß die Auseinandersetzung mit anderen
„des Charakters einer persönlichen Polemik entkleidet"
ist, so wird man das begrüßen. Wie zwecklos ist viele
solche Polemik in Büchern, die zunächst für Studenten
bestimmt sind! Weil W. daneben nicht nur Pfarrern,
sondern auch Laien dienen will, hat er die Belegstellen
übersetzt.

Vergleicht man das Buch mit der letzten auf deutschevangelischem
Boden erschienenen Symbolik, der von
Kunze (s. Theol. Lit. Ztg. 1922 Sp. 178ff.), so ist klar:
W. lenkt keineswegs in dem Maße, wie K. es tut, zur
Symbolik älteren Stils zurück; er bietet oft mehr Material
über Verfassung und Kult, Frömmigkeit und Sittlichkeit
der Kirchen, als man erwarten kann, wenn doch
die Bekenntnisschriften zu Grunde gelegt werden sollen.
Auch disponiert er verständiger Weise nicht nach den
einzelnen Lehrpunkten, sondern er stellt das System
jeder Kirche im Zusammenhang dar. Wenn er allerdings
dabei überall das gleiche Schema zu Grunde legt (Gott,
Mensch, Christus, Kirche, Gnadenmittel, Heilsaneignimg,
Sittlichkeit, letzte Dinge), so ist das einer Herausarbeitung
der wirklichen Eigenart der einzelnen Kirchen nicht
günstig. Und in einem entscheidenden Stück unterscheidet
er sich leider von Kunze nicht: er stellt den
Protestantismus nach den Bekenntnisschriften des
16. Jahrhunderts dar (nur ganz gelegentlich wird z. B.
erwähnt, daß der neuere Calvinismus vom älteren in
manchem abweicht). Für die Kritik, die er an den
Lehren und dem Wesen der verschiedenen Kirchen übt,
gibt er als Grundlage den Standpunkt Luthers an, mit
dem er sich offenbar wesentlich einig fühlt.

In der Tat hat W. ein scharf ausgeprägtes und
charakterfestes Luthertum. Aber wie große Ver-