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Ausgabe:

1924 Nr. 22

Spalte:

483-484

Autor/Hrsg.:

Schneller, Ludwig

Titel/Untertitel:

Die Bergpredigt. In zwanzig Predigten ausgelegt 1924

Rezensent:

Schian, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 22.

484

bekannt gewesen sein. In der Form schließt es sich der
gewöhnlichen Weise an: ein Vater erteilt seinem Sohne
Belehrung. Aber es ist „schon schriftmäßig in 30
numerierte Kapitel eingeteilt, deren jedes einen guten
Gedankengang hat" (Erman). Schon Budge bemerkte
die nähere Berührung mit den Proverbien, ohne dem
weiter nachzugehen. Das tut nun Erman in diesem
Aufsatz. Nach seinen Ausführungen kann es kaum
noch einem Zweifel unterliegen, daß das ägyptische
Schulbuch der Weisheit jüdischen „Weisen" bekannt
war und von ihnen benutzt wurde. Es kann sich hier
nicht um zufällige Gleichheiten und Ähnlichkeiten handeln
, sondern nur um Abhängigkeit. Und daß diese auf
Seiten der Hebräer vorliegt, war ja von vornherein das
Wahrscheinliche, — der Beweis ist Erman gelungen. Die
Berührungen finden sich hauptsächlich in dem Buche
Prov. 22, 17—24, 22. Das Buch des Amen-em-hope wird
eingeleitet mit den Worten: Neige Deine Ohren, höre
(meine) Worte, setze Dein Herz daran sie zu verstehen.
Gut ist es, wenn man sie ins Herz setzt, (aber) wehe
dem, der sie überschreitet. Lasse sie im Kasten deines
Leibes ruhn, daß sie der Schlüssel (?) in Deinem Herzen
seien." Dazu vergleiche man Prov. 22, 17—18 (nach
dem richtig gestellten Text): Neige Dein Ohr und höre
(meine) Worte und setze Dein Herz daran, sie zu erkennen
. Denn angenehm ist es, wenn Du sie in Deinem
Leibe bewahrst, daß sie zusammen auf Deinen Lippen
bereit sein. In der Schlußrede des Amen-em-hope heißt
es: „Du hast (nun) diese dreißig Kapitel gesehn, die
eine Freude und eine Lehre sind". Prov. 22, 20 heißt es:
habe ich Dir nicht 30 geschrieben mit Ratschlägen und
Erkenntnis? Erman wird doch recht haben, wenn er hier
den — allerdings recht unverständig benutzten Schluß
des Amen-em-hope-buches wiederfindet und so dem so
umdeuteten Q^bü des hebräischen Textes einen vernünftigen
Sinn gibt. Auch die Fortsetzung in V. 21:
„um Dich Wahrheit erkennen zu lassen, Dich Worte
(□"hdn, str. das folgende DDn) zurückbringen zu
lassen denen, die Dich senden" erhält eine passende
Erklärung aus dem Amen-em-hope. Dort ist (1, 5—6)
von der Ausbildung des Beamten die Rede, die ihm die
Fähigkeit geben soll, „eine Rede erwidern zu können
dem, der sie sagt, und eine Meldung zurückzubringen
dem, der einen sendet". Es möge mit diesen besonders
schlagenden Beispielen genug sein. — Der Hergang der
Sache wird von Erman in folgender Weise richtig gefaßt
sein. In saitischer oder persischer Zeit mag ein
Jude in Ägypten die Lehre des Amen-em-hope kennen
gelernt und für seine Volksgenossen ins Hebräische —
oder ins Aramäische? — übersetzt haben. „Den Gott"
ersetzte er durch Jahwe und hat auch sonst für sein
Publikum mancherlei getilgt und geändert. Er ließ die
Einteilung in 30 Kapitel mit der Einleitungs- und Schlußformel
. Dies Buch wurde von Sammlern ausgeschlachtet
und zwar — wie meist — ohne rechten Verstand. Das
zeigt uns die Benutzung in Prov. 22, 17—24, 13, wo wir
eng zusammengedrängt sieben Stellen aus jenem Buche
finden, allerdings auseinandergerissen und äußerst verderbt
. — Die A. T.er haben Grund dem Verfasser für
seine Studie, der er in 2 Tafeln den ägyptischen Text
der in Frage kommenden Stellen beigegeben hat, herzlich
dankbar zu sein.

Bonn. Johannes M e i n h o 1 d.

Schneller, D. Ludwig: Die Bergpredigt. In zwanzig Predigten
ausgelegt. 3.-5. Tausend. Leipzig: H. G. Wallmann 1924.
(133 S.) 8°. geb. Gm. 3-.

Sch. hält Matth. 5—7 „im großen und ganzen" für einen treuen
Bericht von der berühmten Bergrede, den Matthaeus wahrscheinlich
noch am Abend nach der Rede aufgezeichnet habe (S. 6. 12). Wie
mit dieser Anschauung, so befindet er sich auch mit mancher Einzeldeutung
auf einem Boden, der alles andere als fest ist; und daß
ihm das Bewußtsein um diese Tatsache fehlt, wirkt unbehaglich. Abgesehen
davon sind die Predigten klar, übersichtlich, praktisch und
vielfach, weil mit Beispielserzählungen durchsetzt, recht anschaulich
. Nur — alle Seligpreisungen (Matth. 5, 2—12) und das ganze

Vaterunser in je einer Predigt zu behandeln, ist allzu kühn, als daß
das Unternehmen befriedigen könnte. Und die Nöte, die heut, gerade
heut die Bergpredigt uns oder doch vielen macht, treten viel zu wenig
hervor. Ein allzu einfaches Erklären schafft sie beiseite; so beim
„Streich auf den rechten Backen", nicht ganz so stark bei dem
Thema „Liebet eure Feinde". Daß gerade für diese Themata (und für
ein weiteres) Predigten aus der Kriegszeit geboten sind, halte ich
nicht für glücklich; mindestens mußten sie neugestaltet werden. Man
kann trotz des vielen Eindrücklichen und Warmherzigen, das in den
20 Predigten steht, nicht den Eindruck los werden, daß sie der ganzen
ungeheueren Schwierigkeit gerade dieser Aufgabe nicht gewachsen sind.
Gießen. M. Schi an.

Landgraf, Domvikar Dr. Artur: Das Wesen der läßlichen
Sünde in der Scholastik bis Thomas von Aquin. Eine
dogmengcschichtliche Untersuchung. Nach den gedruckten und ungedruckten
Quellen gearbeitet. Bamberg: Görresverlag 1923. (XX,
368 S.) gr. 8°. Gm. 10—.

Eine unermüdliche Befragung aller erreichbaren
Scholastiker, mit der Absicht, das Wesen der läßlichen
Sünde spekulativ zu erfassen. Das Ziel der Entwicklung
ist Thomas. In ihm stellt sich die Vollendung der mit
der Frühscholastik anhebenden Behandlung des Problems
dar. In der alten Kirche vor Augustin war es nicht aufgerollt
. Schrift und Väter haben nur wenig über die
läßliche Sünde mitgeteilt. Die Frühscholastik beginnt
die einzelnen Seiten des Problems zu betrachten. Mit
Alexander von Haies und Bonaventura wird klar festgestellt
, daß die läßliche Sünde die bloße „Nichthinordnung
" einer Handlung auf Gott sei. Doch erst
Thomas hat das z. T. aus heterogensten Elementen bestehende
Material und die isolierten Erwägungen einzelner
Stücke des Problems zu einem harmonischen
Ganzen zusammengefaßt und gezeigt, daß alle vorangegangenen
Behauptungen erst eine feste Grundlage erhielten
, wenn sie mit der Notwendigkeit der Hinordnung
aller Werke auf Gott verknüpft würden. Er auch hat
zuerst den Versuch gemacht, das Wesen der läßlichen
Sünde, d. h. der der Todsünde entgegengesetzten Sünde
aus einer allgemeinsten Begriffsbestimmung herzuleiten.
Sie ist die Sünde, die soweit es an ihr ist, eine Nachlassung
, d. h. ein Ende ihrer Bestrafung nicht ausschließt
, während die Todsünde, soweit es an ihr ist,
eine ewige Strafe verdient und damit jede Verzeihung,
d. h. ein Ende der Strafe ausschließt. Das führt zur
Untersuchung der Frage, was grade die läßliche Sünde
besonderes an sich hat, daß sie an sich eine Nachlassung
nicht ausschließt. Hauptsächlich mit Rücksicht
auf die habituelle Sünde vergleicht Thomas die läßliche
Sünde mit einer Krankheit, die sich heilen läßt, im
Gegensatz zur unheilbaren Krankheit der Todsünde.
Unheilbar ist jene Krankheit, durch die ein Lebensprinzip
zerstört wird, heilbar jene, durch welche zwar
keines der Lebensprinzipien, aber doch etwas aus ihnen
Folgendes zerstört wird, das aber durch die Kraft der
Lebensprinzipien wiederhergestellt werden kann. Ist der
Mangel der „Rechtheit" ein solcher, daß er die Liebe
nicht ausschließt, so entsteht die läßliche Sünde. Denn
Mängel wie diese können durch die zurückbleibende
Liebe, als das Lebensprinzip, geheilt werden. Der letzte
Teil der Arbeit befaßt sich mit der Erklärung der scholastischen
Lehre vom Wesen der läßlichen Sünde in der
jüngsten Zeit und gibt einen Überblick über die Behandlung
des Problems in den ersten 50 Jahren nach
dem Tode Thomas. Im Anhang werden veröffentlicht
die Summae de bono Philippi de Greve circa rela-
tionem inter caritatem et bonitatem moralem. Cod. Vatic.
lat. 7669. Ausgewählte Quaestiones quodlibetales des
fr. Eustachius Ord. Min. Ms. de Dole 81 und Cod. Vatic.
Borgh. 139; Petrus de Trabibus, Kommentar zum
II. Sentenzenbuch. Nürnberger Stadtbibliothek Cent.
II 6. Die Nachlassung der läßlichen Sünden ist in
diesem Bande nicht erörtert. Das Material hat aber der
Verfasser gesammelt. Er hofft, es demnächst vorlegen
zu können.

Kiel. Otto Scheel.