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Ausgabe:

1924 Nr. 21

Spalte:

476-477

Autor/Hrsg.:

Svenska Kyrkans Årsbok. I: 1921, II: 1922

Titel/Untertitel:

III: 1923, IV: 1924 1924

Rezensent:

Katz, Peter

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 21.

476

Kultur-Gestaltung aufgenommen: neue Einstellung zum
Mittelalter, positive Schätzung der Scholastik, Neuentdeckung
der Gotik, Gegensatz zum Kantianismus (Sozialisten
, orthodox-prot. Kreise), Mißtrauen gegen den
deutschen Idealismus, Rückkehr der Philosophie zum
Objekt; moderne Kunst und Literatur im Katholizismus.
Parallel hiermit neue Entwickelungen auf dem Gebiet
der Sozialethik und Staatsauffassung (bei der kath.
Jugend ein kath. Imperialismus — „nur die kath. Theo-
kratie kann die Völker zur Ruhe bringen"). 5) Der neue
Codex juris canonici: vollendete Papalisierung durch
den Universalepiskopat des Papstes; Mischehen-Gesetz;
Weltfriedensbund u. ä.; Esperanto; der Möns Vaticanus
als der Berg, zu dem die Völker wallen. 6) Neues
Lebensgefühl im Katholizismus an Stelle der inneren
Unruhe: Wittig, Pribilla, Keppler; der Modernismus
voll Papst- und Kirchenbegeisterung.

Die äußere Lage des Katholizismus: a) in Deutschland
: l/s Katholiken; Auseinanderfluten der Katholiken
in verschiedene politische Parteien, b) im Ausland:
am günstigsten steht es für den Kath. in Columbia und
Lettland, nicht schlecht in Italien (Partito popolare ita-
liano, Kath. Universität in Mailand); in Frankreich wachsende
Sympathien; in Holland: kleine Zunahme; in
Böhmen Verluste: 1 273 649; Polen droht; Rumänien
und Jugoslawien, Portugal und Guatemala kulturkämpferisch
; in Belgien die Flamen und Wallonen antiklerikal
; in Österreich die Los-Von-Rom-Bewegung; Dänemark
erhielt durch Bischof van Euch ein System von
Pfarreien und Klösterlein; Schweden hält sich zurück;
Norwegen hat 2612 Katholiken; in England spielt der
Kath. jedenfalls politisch gar keine Rolle; Schweiz:
Verluste durch Abwanderung; Rußland: große Hoffnungen
Roms.

Die 2. Auflage bringt zum Stoffe der 1. A. noch
52 Seiten „Neues vom Katholizismus unserer Tage":
1) Der Papst und die Propaganda: Papstfest in Deutschland
, katechetische Bewegung, neues Konzil, scharfer
Trennungsstrich zwischen Kath. und Sozialdemokratie,
Ludendorffs Vorwürfe, der Propagandapräfekt Wilhelm
van Rossum und seine Nordlandsfahrt, die Bischofssitze
von 839 auf 874, die apost. Vikariate von 197 auf 206
vermehrt. 2) Die Ordensüberschwemmung („der mo-
nastische Frühling hat Hochwasser gebracht"): 481
neue Ordensniederlassungen (der Ev. Bund rechnet 711);
aber die Zahl der Ordenspersonen hat sich nicht eigentlich
vermehrt (im Anhang genaue Listen der Ordensvermehrung
. 3) Der Geisterkampf und die Jugend;
Thomas gegen Kant; aber auch neu-augustinische Schule
der Intuition bis zum phänomenologischen Intuitionisten
Scheler, den die Neothomisten und Vermittelungsmän-
ner ablehnen oder als Wiederholung von Gratry (Ora-
torianer, f 1872) entkräften wollen, hingegen der Jesuit
Przywara für den Kath. zu retten sucht. Der
Kampf gegen Kant als fortgesetzter Kampf gegen Luther
! Die Krise der „Neudeutschland"-Gruppe wegen
der Autoritätsfragen. Autoritäts-Aufrufe von Romano
Guardini, aber Absage geistig sehr hochstehender Kreise
aus der kath. Jugend. 4) Gegenwehr: hier gibt H.
Ratschläge, die sich nicht klar genug aus dem Meere
der Tatsachen erheben; es wäre der Mühe wert, sie in
einer neuen Auflage gesondert und scharf pointiert als
3. Teil zu bringen, eine Antwort auf die Frage: Welche
Prinzipien des konfessionellen Kampfes ergeben sich
für H. aus den erörterten Tatsachen? H. ist in der 2.
Aufl. nicht mehr so seelenruhig wie in der 1., bleibt aber
dabei: das Wort soll es schaffen. Auch in der 1. Aufl.
waren die Ausführungen über die praktische Haltung
zum Kath. und über die sich aus der geänderten Lage
ergebenden Wesensbestimmungen des Protestantismus
nicht eigentlich sichtbar postiert; man merkt, was H.
meint, aber man will das in einem eigenen systematischen
Teile lesen.

Die Quellen, aus denen H. schöpft, sind kath. Zeitschriften
, Broschüren, auch Zeitungen, dazu Krose's

Kirch]. Handbuch, der neue Codex juris canonici, Herders
Konversationslexikon, private Mitteilungen aus allen
Ländern, viel Autopsie; unter den Zeitschriften besonders
die „Stimmen der Zeit" und „Hochland" nebst den
Acta Apostolicae Sedis; unter den Broschüren und Büchern
Veröffentlichungen der Verleger Herder, Bachem,
Aschendorff, Theatiner - Verlag , Deutsches Quickbornhaus
, Dümmler, Haas und Grabherr, Grünewald, Volksverein
; unter den ev. Schriften besonders Christi. Welt,
Eiche, die Bücher des Sämann-Verlags, Veröffentlichungen
des Ev. Bundes, Schneiders Kirchl. Jahrbuch,
Heiler, Mirbt; dazu die „Tat". H. hat eine vielverzweigte
Literatur verarbeitet, die über die Absichten
und Erfolge des zielbewußten Klerus und der Intellektuellen
unterrichtet; nun wäre aber noch eine Literatur
vorhanden, die über die Lage und Absichten des
Volkes Aufschluß geben könnte: all die „Franzis-
kusglöcklein", „Josephsboten", „Monika", „Schutzengel
", die Loofs in seiner „Symbolik" beachtet hat; dazu
neuere Predigtbände, Andachtsbücher, Gesangbücher,
katechetische Handbücher und Zeitschriften, zwar von
Geistlichen geschrieben, aber in direkter Zusammenarbeit
mit dem Volke.

Das objektive Bild, das man aus H. vom heutigen
Vorwärtsdrängen des Katholizismus, besonders in
Deutschland, gewinnt, ist dies: die günstige „Konjunktur
" vermag der Kath. zwar dazu auszunützen, sich
besser als je überall bekannt zu machen, zur Geltung zu
bringen, ja populär zu werden; aber von da bis zur tatsächlichen
Hereinnahme der Nichtkatholiken in den
Kath. ist noch ein weiter Schritt, der nur ausschweifender
kath. Phantasie als beinahe gelungen oder bald gelingend
erscheint; bis heute kommen mehr Katholiken
zum Protestantismus als Protestanten zum Katholizismus
, alle Siegestrompeten können nicht darüber hinwegtäuschen
. Man findet daher bei kirchlich verantwortungsvollen
Stellen nichts vom Siegesjubel. Und
das trotzdem vom Winfried-Bund und Eucharistischen
Völkerbund, besonders auch von dem holländischen
Jesuiten van Ginneken, unter Evangelischen Bekehrungsfeldzüge
unternommen werden. Aber immer wieder vermag
eine gewisse kath. Presse den Anschein zu erwecken
, als sei mindestens Preußen reif für den Kath.;
und man tut das absichtlich.

H. meint, zur Angst und Unruhe hätten wir Evangelischen
weniger Grund, als der Anschein vortäusche;
aber auf dem Platze müssen wir sein, kämpfen müssen
wir. Um jeden Preis will H. einen neuen Kulturkampf
vermieden sehen, der des deutschen Volkes Elend zum
Überlaufen bringen müßte.

Magdeburg. Leonhard F:endt.

Svenska Kyrkans Arsbok I 1021 (174 S.); II 1922 (200 S.); III
1923 (208 S.); IV 1924 (222 S.). 16°. Stockholm: Svenska
Kyrkans Diakonistyrelses Bokförlag. geb. je Kr. 4.50.

Das „Jahrbuch der schwedischen Kirche" im Verlage des Diakonic-
vorstandes (über diesen siehe E. Rodhe in Pastbl. v. Nov. 1922) ist
ein Pfarrkalender, der über den nächsten Zweck hinaus allen kirchlich
Interessierten dienen will. Es erscheint also voraus aufs kommende
Jahr. Die vier ersten Bände sind durch ein Register beim vierten zu
einer Einheit zusammengeschlossen und bieten in der Tat bleibenden
Aufschluß. Jeder Band enthält knappe Literaturübersichten mit sehr
vielen Buchtiteln aus schwed. Theologie und Frömmigkeit des vergangnen
Jahres (ab 1919), ohne die dem Ausländer manches entginge.
Die Würdigung tritt dabei bewußt zurück. Weiter Darstellungen des
kirchlich Bedeutsamen aus Reichstagen und Synoden, wobei die Besprechung
der Vorlagen, der Aussprachen und der Beschlüsse die
Kirchenkunde stets auf den neusten Stand führt. In steigendem Maße
treten dem Berichte über die evangelischen Schwesterkirchen zur Seite.
Die missionarische Arbeit findet eingehende Behandlung: beides nicht
zufällig, gehört es doch in höherm Maße als etwa bei uns zum
Leben der Reichskirche als solcher. Oenaue Statistiken lassen die
Verschiebungen von Jahr zu Jahr verfolgen.

Daß wir in Deutschland seit der Verfassung vom August 1919
nur noch Freikirchen hätten (I 78), ist zum mindesten nicht glücklich
ausgedrückt; auch wo das Band zum Staate sich gelockert hat, ist
keineswegs der Typ der Vereinskirche gewollt noch geworden, wie
denn II 100—102 eine lebendige, viel Zutreffendes bietende Schilde-