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Ausgabe:

1924 Nr. 1

Spalte:

23-24

Autor/Hrsg.:

Beyer, Oskar

Titel/Untertitel:

Die unendliche Landschaft. Über religiöse Naturmalerei und ihre Meister 1924

Rezensent:

Stuhlfauth, Georg

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 1.

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Materials erscheint, und daß der Aufsatz „Einige Worte
Jesu, die nicht in unseren Evangelien stehen" in dieser
Gestalt zum ersten Mal veröffentlicht ist. Er beleuchtet
12 Sprüche, teils aus dem übrigen N.T., teils aus
späteren Evangelien, teils aus Kirchenvätern, teils aus
ägyptischen Papyri, deren „Echtheit" nicht sicher ist,
die v. H. aber als in anderem Sinn echt bezeichnet,, weil
sie sich zu dem uns "sicher bekannten Evangelium fügen.
Ein Nachwort gibt Notizen über Entstehung und frühere
Veröffentlichung der aufgenommenen Arbeiten. Ein
systematisches Inhaltsverzeichnis aller 6 Bände ist beigedruckt
. Der Verleger hat die Ausstattung genau so vornehm
hergestellt wie die der früheren Bände. So freuen
wir uns denn dankbar der reichen Gabe von hohem
Wert mit ihrer Fülle gewichtiger Darbietungen. Und
diese Bände, deren sechster hier vorliegt, enthalten nur
die Parerga dieses riesigen Lebenswerks! Wer das bedenkt
, muß immer wieder staunen.

Gießen. M. Schian.

Procksch, Prof. D.O.: Altes Testament und Judentum. (Sonder-
abdr. aus der „Allg. Ev.-Luth. Kirchenzeitung" 1921). Leipzig:
Dörffling u. Franke 1921. (36 S.) 8». Gz. —.40.

In dem ersten der beiden unter dem Titel „Altes
Testament und Judentum" vereinigten Vorträge: „Das
A. T. als deutsches Glaubensbuch" beschäftigt sich
Procksch mit dem biblischen oder klassischen Judentum
. Der andere Vortrag: „Das Problem des ewigen
Juden" bietet eine Charakteristik des nachbiblischen
Judentums.

Der 1. Vortrag ist von dem Gedanken getragen:
„Nach den Gesetzen der Kausalität und der Analogie
ist das deutsche Glaubensleben unlösbar mit dem A. T.
verknüpft" (S. 4). Sowohl in seinem messianischen
Selbstbewußtsein wie in seiner Verkündigung ist Jesus
ganz vom A. T. abhängig gewesen. Der Glaube ist
die Schicksalsgemeinschaft des N. T. und des Christen
mit dem A. T. Zwischen dem geschichtlichen Erleben
Israels und dem des deutschen Volkes gebe es viele
Analogien. Das läßt sich hören.

Ahasver oder der ewige Jude ist dem Verf. ein
Symbol der nachbiblischen entwurzelten Judenheit.
Durch die 2. Zerstörung des Tempels wurde das Judenvolk
in den Nomadenzustand zurückgeworfen. Das sagenhafte
Wort Christi an Ahasver sich zu eigen machend:
„Ich gehe, du aber sollst bleiben, bis ich komme"'
sieht P. die einzige Erlösung des ruhelosen Judentums
in der Bekehrung zum Christentum. Zwischen dem Geist
des A. T. und dem ganz dem Mammondienst ergebenen
heutigen Judentum liege eine tiefe Kluft (S. 20), „nur
Narren können hier den gleichen Geist behaupten". Ich
kann dieser These nicht zustimmen. Vielleicht überlegt sich
der Verf. einmal Stellen wie Jes. 49, 23. 60, 10. 16! Und
ist wirklich das nachbiblische Judentum nur der Vampyr,
der den Völkern das Blut aus dem Leibe saugt?! (S. 26).
Wie viel verdankt gerade die a. t.liehe Fachwissenschaft,
die ja P. selbst vertritt, dem Einfluß der Juden!

Beide Vorträge sind durch die bekannten Angriffe
von Delitzsch und Harnack gegen das A. T. veranlaßt.
Wie es scheint, stimmt P. dem Urteil D.'s über das nachbiblische
Judentum zu. Procksch übersieht m. E. die
Lichtseiten der nachklassischen Zeit. Von jeher ist vielmehr
das Judentum ein polares Phänomen gewesen!

Heidelberg. Georg Beer.

Beyer, Oskar: Die unendliche Landschaft. Über religiöse Naturmalerei
und ihre Meister. Mit 34 Bildwiedergaben. Berlin: Furche-
Verlag 1922. (47 S. u. 32 Tafeln) 4°. Gz. 10—.

In dem geschmackvoll und vornehm ausgestatteten
Bande geht Beyer einem Typus von Landschaftsmalerei
nach, für den der Titel den zwar neuartigen, aber auch

unklarsten Ausdruck gewählt hat. Denn nur der Untertitel
läßt ahnen, daß es sich um die religiös gestimmte,
religiös erlebte Landschaft handelt, die Beyer im Auge
hat, und er selbst weist im Vorwort darauf hin, daß
man, statt von der unendlichen Landschaft zu reden,
besser, richtiger reden müßte von der mystischen Landschaft
. So spricht denn auch der Text nur ausnahmsweise
von der unendlichen, um so regelmäßiger von der
mystischen oder von der religiösen Naturdarstellung.

Im übrigen erfahren wir, daß die mystische (religiöse,
religiös beseelte, ich möchte im Sinne des Verfassers
auch sagen: fromme) Landschaft in China, wo sie ihre
Blütezeit vom 7.—13. Jahrhundert hatte, ebenso Gemeingut
ist, wie sie in Europa spät und überaus selten hervorgetreten
. Unverstanden und kaum beachtet ist sie in
ihrer Bedeutung erst der Gegenwart aufgedämmert und
auch da nur solchen zugänglich, die für sie ein inneres,
kongeniales Organ haben.

Beyer weiß (im zweiten Teil seiner Ausführungen, der die einzelnen
in Betracht kommenden Künstler vorführt, während der erste Teil allgemeine
Erörterungen bietet über Landschaftsmalerei überhaupt, über
Arten der Landschaft, die Möglichkeit religiöser Naturdarstellung,
über das mystische Naturerlebnis usw.) von europäischen Meistern, die
einschlägige Werke hervorgebracht haben, nur zu nennen Botticelli,
Grünewald, Rembrandt, Friedrich, Millct, Segantini, Hans Thoma,
Steinhausen, Carl Mense, von Botticelli jedoch wiederum nur 1 Zeichnung
(zu Dantes Paradiso), von Grünewald nur 2 Landschaftsbilder
aus dem Isenheimer Altar, von Rembrandt nur 1 Federzeichnung und
das Bild mit der väterlichen Mühle 1653, von Thoma 3 Beispiele
(zwei Ölgemälde und eine Radierung), von Mense 2 Bilder, in denen
diese Meister zur reinen Höhe der religiös erlebten Landschaftsdarstellung
emporgestiegen seien. So bestätigt sich, was Beyer in seinen
allgemeinen Ausführungen bemerkt (20): ,,Es gibt keinen einzigen
unter den für unser Thema in Anspruch genommenen Landschaftsmalern
, der eine lückenlose Folge religiös wertvoller Bilder zurückgelassen
hätte, ja es muß vielmehr behauptet werden, daß die
religiösen Landschaften bei jedem stets in der Minderheit entstanden
sind. Es gibt... Maler, denen solche ganz selten (oder gar
nur ein einziges Mal während ihres ganzen Lebens!) gelungen sind,
weil ihre besondere Kunstbegabung sie zu anderen künstlerischen
Zielen hintrieb."

Von einer Entwicklung dieser Art Naturmalerei kann
also nicht die Rede sein; alles ist Einzelerscheinung —
außer in China. Mir scheint aber, daß die Grenze zwischen
der religiösen Erlebnislandschaft und der Stimmungslandschaft
eine sehr schwankende ist, wie ich
denn die chinesischen und japanischen Proben, die Beyer
abbildet, als religiöse Naturdarstellungen kaum zu
empfinden vermag. Zum andern läßt sich, so sehr Beyer
sich auch umgesehen hat, der Kreis der zu berücksichtigenden
deutschen Künstler doch wohl noch erweitern;
ich denke an einzelnes des genialen Heinrich von Zügel
und des nicht minder begnadeten Matthäus Schiestl.

Die schöne, wenn auch unvollständige Zusammenstellung
bleibt ein Verdienst; besinnliche Betrachter und
j Freunde einer verinnerlichten Landschaftsmalerei werden
dem Verfasser für das Gebotene gerne danken und die
empfangenen Anregungen weiter nützen.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Mitteilung.

Die Leser meiner Besprechung von W. Liitgcrt, Die Religion
des Idealismus und ihr Ende I.II. (Th.L.Z. XLVIII
1923 Sp. 217 ff. 349 ff ) mache ich darauf aufmerksam, daß I
meine Kritik erwidert hat, „Beilagen zur Geschichte der Rel.«(or deg
deutschen Idealismus", Gütersloh 1924, 69 S. (= Beiträge 4jfeörde.
rung christl. Theologie XXIX 1). Das Heft enthält 1) cit)sr£irckte
Entgegnung, 2) ein Nachtragskapitel „Kant als Idealist und T>eaijst",
das L.s Sprachgebrauch betreffs des Wortes Idealismus begründen so\,
3) den nachträglichen Abdruck von Quellennachweisen.

Ich kann eine Broschüre, der gegenüber ich so seht .'a^ej Djn, j„
diesem von mir im Dienst der Allgemeinheit verwalteten Btatte weder
besprechen, noch durch einen von mir ausgewählten Rezet «enten besprechen
lassen. E. rsch.

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 26. Januar 1924.
Beiliegend Nr. 1 des Bibliographischen Beiblattes.
Das Jahresregister der Bibliographie 1922 wird mit der nächsten Nummer, ev. mit Nr. 3 der ThLZ ausgegeben.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Nikolausberger Weg 31.
Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.