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Ausgabe:

1924 Nr. 19

Spalte:

414-415

Autor/Hrsg.:

Jacob, B.

Titel/Untertitel:

The Decalogue 1924

Rezensent:

Dalman, Gustaf

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 19.

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„theozentrischer" Theologie eine neue Wendung
, und zwar eine solche, die es von der früheren
Fassung ebenso erheblich wie vorteilhaft unterscheidet.
Unter „theozentrischer Theologie" versteht er jetzt, daß
man dem „Werte", den Gott repräsentiert, (ei ei! Herr
Kollege Schaeder! einen ähnlichen Begriff soll auch
Ritsehl gelegentlich gebraucht haben) ein theozen-
trisches und nicht ein anthropozentrisch-egoistisches Gepräge
gibt. Das hat gewiß guten Sinn und gute Berechtigung
. Faßt man beide Gedankenreihen zusammen,
wird man also zu sagen haben: wenn einmal das Begriffspaar
anthropozentrisch-theozentrisch die Aufgabe
bestimmen soll, muß die Theologie anthropozentrisch
und theozentrisch zugleich sein, nämlich anthropozentrisch
im methodischen Ansatz, theozentrisch in der
Zielrichtung.

Der dritte Abschnitt über „Kirchen und Sekten
" entstammt der Feder des schon in den ersten
Kriegstnonaten auf dem Felde der Ehre gebliebenen
Otto Lernpp. Sein Artikel ist von Dr. R. Lempp durchgesehen
, aber doch nur teilweis überarbeitet und ergänzt
worden. Dieser Umstand hat leider zur Folge, daß für
die Kirchen und Sekten in Osteuropa die Angaben über
den äußeren Bestand nur für die Vorkriegszeit vollständig
und zuverlässig sind. Indes das Schwergewicht
des ganzen Abschnittes liegt auch nicht auf diesen statistischen
Angaben, sondern auf der inhaltlichen Charakteristik
der Kirchen in ihrem Verhältnis zu einander
und derjenigen ihrer Sektenbildungen.

Besondere Hervorhebung verdient der vierte Abschnitt
über „christentumsfeindliche Strömungen
in der Gegenwart". Er ist im Grundstock
von Karl Heim geschrieben, aber später in dessen
Abwesenheit von Hans Leisegang neu bearbeitet worden
. Zwei Hauptgruppen christentumsfeindlicher Weltanschauungen
und Denkweisen werden unterschieden,
je nachdem ob eine transzendente Wirklichkeit überhaupt
bestritten, oder aber anders als vom christlichen
Glauben bestimmt wird. In der ersteren Gruppe werden
Materialismus, Hylozoismus oder naturalistischer
Monismus, energetischer Monismus und historischer
Materialismus (Marxismus) behandelt; in der anderen
der spekulative Monismus, der moderne Pessimismus
oder Neubuddhismus, die Nietzsche - Religion, der
Goethekult und die theosophisch-anthroposophische Bewegung
. Zumal in den letztgenannten Unterabschnitten
werden die entscheidenden Probleme klar, sicher und anschaulich
gekennzeichnet.

Göttingen. 0> Wobbermin.

Recherches de Science Religieuse. Tome XIV. Nr. 3 4. Paris:
Bureaux de la Revue 1924. (S. 193-384) 8». fr. 7-.

Ouy de Broglie: De la place du Surnaturel dans la Philosophie
de saint Thomas (S. 193—246) behandelt das Problem vom
metaphysischen, nicht vom historischen Standpunkt aus. Emil Suys:
Le commentaire de la Parabole du Semeux dans les Synoptiques
(S. 247—254): anfiocnüui hat zwei Bedeutungen „gesät werden"
und „besät werden"* (vgl. Jerem. 2,2 Aquila und Theodotion); in
diesem Doppclsinn wird es mit Recht von der patristischen Exegese
verstanden. Bei Matth, und Mark, wird der Hörer durch den Boden
versinnbildlicht: Wie die Verschiedenheiten des Bodens das Wachstum
des Samens verschieden beeinflussen, so die verschiedenen Seelenanlagen
der Hörer den Erfolg des Wortes. In Luk. 8,12ff. dagegen haftet
das Vergleichsbild in den ersten beiden Gliedern am Boden, in den
letzten beiden am Samen, ein Wechsel, der sich aus dem künstlerischen
Stil ergibt, wie er auch sonst bei Luk. nachweisbar ist. Gustave
Bardy: L'autorite du Siege Romain et les controverses du II Hörne

siecle (S. 255_272). Dieser erste Aufsatz beschränkt sich in der

Hauptsache auf Origines, Novatian und Cyprian; die ganze Zeit von
230—270 soll behandelt werden. Jean Cales: Les Psaumes des
fils de Core Ps. 49 und 84 (S. 273—287) mit französischer und lateinischer
Übersetzung, textkritischen Noten, Bemerkungen über die
literarische und dichterische Form, die Lehre, den liturgischen Gebrauch
und das Datum. Man wird den Ausführungen überall mit
Interesse folgen und fast überall zustimmen können, auch der Datierung
: Ps. 84 ist vorexilisch, Ps. 49 „ä la periode moyenne de la
literaturc sapientiellc". Der Text wird gut verbessert, wenn auch
teilweise noch mehr hätte geschehen müssen, um ihn lesbar zu

machen; auch an neuen Vorschlägen fehlt es nicht. Einleuchtend ist
z. B. Ps. 49, 19 vejödiha und läh „und preist sie, daß es ihr wohlgehe
", die Umstellung von 84, 11 hinter V. 3 und die Lesung: „ein
Tag in deinen Vorhöfen ist besser als tausend draußen" (bahüs).
Pierre Batiffol: Les principales cathedrac duConcile deCarthage
de 397 (S. 287—292). Dann folgt ein dankenswerter Hinweis
auf die Revue des Etudes grecques XXXVI p. LVIII—LIX: Isidore
Levy schreibt Tertullian: de baptismo V esietas vocant . . . quos
aquae neeaverunt, nach dem ägyptischen iairtg oder uaitig zweifellos
mit Recht. Gustave Bardy: Sur la lettre des six eveques
(S. 292 f.) an Paul von Samosata; der Brief scheint in einer H.S. des
Athos bezeugt zu sein. Joseph de Ghcllinck: La diffusion des
Sententiae de Gandulph de Bologne (S. 293 ff.) und die H.S. 273
Cambridge. Stephane Harent: Une appreciation de Beruhe
dans le pere Surin (S. 296f.). Zwei reichhaltige Bulletins von Jean
Cales über „die Exegese des Alten Testamentes" (S. 298—323) und
von Jules Lebreton über „die christliche Urgeschichte" (S. 324
bis 382) schließen das Doppelheft.

Schlachtensee-Berlin. Hugo Greßmann.

Wüst, Walther: Der Lamaismus als Religionsform der hochasiatischen
Landschaft. (Zeitschrift für Geopolitik, I. Jg. 1924
Heft 5, S. 295—302). 8". Berlin-Halensee: K. Vowinckel.

Der Verfasser dieser Studie sucht zu zeigen, inwiefern
der Lamaismus unter dem Einfluß der tibetischen
Landschaft entstanden ist. Seine eine Wurzel zwar wird
im indischen Buddhismus gesucht, während die vor-
lamaistische Religion Tibets in der Tat, wenn man von
dem apriorischen Element wie in jeder Religion so in
ihr absieht, als Schöpfung der umgebenden Landschaft
bezeichnet werden kann. Daß sich dann der
Buddhismus nach Tibet verbreitete, wird damit erklärt
, daß seine weltflüchtige Lehre dem auf härtesten
Daseinskampf und mühevolle Arbeit des Tages eingestellten
Gebirgsmenschen zusagte, sowie daß der fremde
Priester den bösen Geistern noch überlegener als der
einheimische Zauberer zu sein und die glänzende Pracht
der buddhistischen Bauten Ausstrahlung eines erhöhten,
sicheren und uralten Lebens zu sein schien. Auch die
Veränderungen, die der Buddhismus auf tibetischem Gebiet
erfuhr, werden, wenngleich nur andeutungsweise,
aus dem Einfluß der Landschaft erklärt, dagegen die
Erweiterung des Pantheons bleibt merkwürdiger Weise
unberücksichtigt. Aber auch so stellt der Artikel einen
wertvollen Beitrag zum Verständnis des Lamaismus dar,
weshalb hier auf ihn hingewiesen werden sollte.
Bonn. Carl Clemen.

Jacob, Dr. B.: The Decalogue. Philadelphia: Dropsie College
for Hebrew and Cognate Learning 1923. (S. 141—187) gr. 8°.
= Sonderabdruck aus „Jewish Quarterly Review" XIV, 2.

Bei der Zählung der zehn Gebote verdient die
„jüdische" nach dem Verf. als die allein exegetisch gerechtfertigte
den Vorzug vor den in den christlichen
Katechismen vorkommenden. Nach derselben gibt es
nur Ein Verbot des Begehrens. Aber die Verbote fremder
Götter und des Bilderdienstes werden als zweites Wort
von dem ersten: „Ich bin Jhvh., dein Gott" usw. getrennt
. Durch die in die Gebote eingeschalteten fünf
Begründungen, welche als ursprünglich gelten sollen,
werde diese Zählung notwendig gemacht. Doch scheint
die von Philo und auch, was J. nicht erwähnt, von Jo-
sephus, Antt. III 5, 5, vertretene Zählung, welche das
Verbot fremder Götter zum ersten Worte zieht und das
Verbot des Bilderdienstes besonders rechnet, als mindestens
ebenso gerechtfertigt. Eigenartig ist die vom Verf.
angenommene Schreibung des ganzen Dekalogs auf
jeder der zwei Tafeln mit verschiedener Verteilung der
„Worte" auf den beiden Seiten derselben (5+5 und
4+6), während die Masora, auf deren Vorschriften J.
nicht eingeht, die Teilung 3+7 andeutet. Zum vierten
und zehnten Gebot allein werden sachliche Erörterungen
geboten. Die Auszeichnung des siebenten Tages beruht
darauf, daß die Zahl sieben als Kombination von
drei — „viel" und vier = „sehr viel" befriedigende
Fülle bedeute. Das Gebot wolle sagen, daß der Mensch
| nicht lebenslang Sklave sein, sondern immer wieder