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Ausgabe:

1924 Nr. 18

Spalte:

403

Autor/Hrsg.:

Peters, Ulrich (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Jacobi a Voragine: Legenda Aurea 1924

Rezensent:

Lempp, Eduard

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403

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 18.

404

einer kurzen Vorrede stellt er zusammen, was man von Österreicher
weiß. Daß die ganz im Geist und der Art der mittelalterlichen Scholastik
abgefaßte Schrift heute noch, wie der Herausgeber hofft, etwas
beitragen könnte zur Vermehrung der Liebe zum gekreuzigten Heiland
, dürfte fraglich sein.

Stuttgart. E. Lempp.

Jacobi a Voragine: Legenda Aurea. Ausgewählt von Dr.
Ulrich Peters. Frankfurt: M. Diesterweg 1Q24. (32 S.) kl. 8°. =
Lateinische Quellen des deutschen Mittelalters, hrsg. v. Ulrich
Peters, Paul VVetzel u. Walther Neumann, Heft 1. Gm. —40.
Die lateinischen Quellen des deutschen Mittelalters sind für den
Lateinunterricht der deutschen Oberschule berechnet und wollen
Lebens- und Kulturbilder des deutschen Mittelalters geben. Das vorliegende
Heft gibt eine Auswahl aus der bekannten Legenda Aurea,
die neben der Bibel das verbreitetste Buch im Mittelalter gewesen
sein soll. Sie enthält die Legenden der Heiligen Antonius, Georg,
Petrus, Christopherus, Michael, Martin, Elisabeth, Franziskus, Sebastian
, je mit Hinweis auf ein deutsches Kunstwerk, das den betr.
Heiligen darstellt.

Stuttgart. Ed. Lempp.

Büchi, Albert: Kardinal Matthäus Schiner als Staatsmann
und Kirchenfürst. Ein Beitrag zur allgem. u. schweizerischen

Geschichte von d. Wende d. XV.—XVI. Jahrhunderts. I. Teil (bis
1514). Zürich: Verlag Seldwyla 1923. (XXIV, 396 S.) gr. 8U. =

S.-A. aus CoIIectanea Friburgensia. N. F., Lfg. XVIII.

Die Schinerbiographie, deren ersten Teil Büchi uns
jetzt vorlegt, ist die Frucht jahrzehntelanger Vorarbeiten.
Der Verfasser ist bereits der vierte Forscher, welcher
an letzteren sich beteiligt hat. Namentlich hatte er am
verstorbenen Hch. Reinhardt, dem Mitherausgeber der
schweizerischen Nuntiaturberichte, der 1896 von der
Walliser Regierung den Auftrag einer Schinerbiographie
auf breitester aktenmäßiger Grundlage erhalten hatte,
einen unermüdlichen Vorgänger, dessen umfangreiche
Exzerptensammlung aus den benutzten Archivalien und
der gedruckten Literatur Büchi durch ausgedehnte Reisen
, namentlich in die oberitalienischen Archive ergänzte
. Aus diesen Studien ging zunächst der 1. Band
der in den „Quellen zur schweizerischen Geschichte" erschienenen
Schinerkorrespondenz ,1920' hervor. Mit ihm
deckt sich zeitlich der Umfang des jetzigen biographischen
Werkes annähernd. Die erwähnte Aktenpublikation
ist natürlich seine Hauptquelle; aber darüber
hinaus hat B. namentlich aus den schweizerischen Archiven
und Bibliotheken noch manches sonstige handschriftliche
Material verwendet, z. B. zur Schilderung
der Freiburger Vorgänge die Chronik Montenach oder
das Original der großen Relation Jörg auf der Flües
über sein Zerwürfnis mit Schiner, die bisher bloß in
einer mangelhaften Kopie bekannt war.

Wenn Büchi die Zahl der benutzten Archive und
Bibliotheken mit 38 angibt, so zeigt dies schon äußerlich
die Hauptschwierigkeit seines Werkes an. Dieselbe
beruht nämlich darin, daß der unermüdliche Schiner in
die verschiedensten Fragen eingegriffen hat und deshalb
das Material zu seiner Lebensgeschichte außerordentlich
zerstreut ist. Hat doch Schiner während des im vorliegenden
Bande behandelten Zeitraums nicht bloß in der
Gesamtschweiz eine führende Stelle eingenommen und
dadurch einen literarischen Niederschlag seiner Tätigkeit
auch in den seinem Bistum entlegenen Fundstätten,
z. B. dem Basler und Züricher Staatsarchiv, hinterlassen,
sondern namentlich in das Ringen Frankreichs um Oberitalien
eingegriffen und ebenso in den schweizerischen
Söldnerwerbungen des Kaisers und Ludwigs XII. wie an
der Kurie eine große Rolle gespielt! Dabei läßt sich die
Biographie nicht bloß auf die Briefe von und an
Schiner aufbauen. Schon in seiner Äktensammlung
mußte Büchi anhangsweise eine Reihe Erläuterungsstücke
aufnehmen, ohne welche die eigentliche Schinerkorrespondenz
ein ungenügendes Bild gegeben hätte,
und in der Biographie war ein solches Weitergreifen
auf Akten, die nur Schiner betreffen, aber weder von
ihm stammen noch für ihn bestimmt waren, erst recht

»ötig, ganz abgesehen von der oben schon erwähnten
Ausbeute erzählender Quellen. Man darf sagen, daß,
um eine solche Schinerbiographie zu schreiben, Büchi
sowohl die ganze über einzelne kantonale Vorgänge
hinausragende Schweizerpolitik jener Jahre als auch die
großen Weltbegebenheiten, soweit die Schweizer in
dieselben aktiv oder passiv verwickelt waren, aktenmäßig
studieren mußte. Wertvolle Beihilfe gewährten ihm
dabei freilieh die schon vorhandenen Publikationen.

Zur Schwierigkeit der Sammelarbeit trat die weitere
der Darstellungskunst. Beim fortwährenden wechselweisen
Ineinandergreifen der großen Händel und des
Schinerschen Lebenslaufes und bei der dadurch verursachten
unruhigen und unstetigen Tätigkeit des Kardinals
müßte eigentlich seine Biographie, um erschöpfend
zu sein, zugleich eine Gesamtgeschichte der
ersten 20 Jahre des 16. Jahrhunderts werden, in der
Schiner schließlich nur einen bescheidenen Platz behaupten
würde; selbst eine Schilderung der schweizerischen
Verhältnisse und Vorgänge müßte schon den
biographischen Rahmen sprengen. Es war keine leichte
Aufgabe, einerseits mit hinreichender Deutlichkeit und
Vollständigkeit den ganzen Hintergrund von Schiners
Wirken uns zu vergegenwärtigen und andrerseits Schiners
Person trotzdem als Mittelpunkt des Bildes festzuhalten.
Sie wurde nur dadurch einigermaßen erleichtert, daß fortwährend
in Schiners Beschäftigung mit großen Fragen
seine menschlichen Interessen und Gegensätze hineinspielen
und infolgedessen sich notwendig Kapitel allgemeineren
Charakters mit Abschnitten, die mehr Schiners
Privatanliegen, z. B. seinem Kampf mit Jörg auf der
Flüe, galten, ablösen mußten. Büchi hat sich vor
allem damit geholfen, daß er die allgemeinen Ereignisse
, soweit nicht Schiner stärkeren Anteil hatte, möglichst
überging oder nur 'streifte, anderseits das Zusammenspiel
der kleinen Privathändel des Kardinals mit
den großen Vorgängen eingehend schilderte. Auf diese
Weise gelang es ihm, dank seinem reichen neuen
Material längst bekannte Dinge von bedeutender Tragweite
in einen bisher nicht berücksichtigten Zusammenhang
zu bringen und so auch unser allgemeingeschichtliches
Wissen dankenswert zu erweitern.

Wenn Büchi nach dem Buchtitel Schiner „als Staatsmann
und Kirchenfürst" schildern will, so ruht tatsächlich
der Nachdruck durchaus auf seiner politischen
Betätigung. B. hebt allerdings hervor, daß Schiner sich
im ersten Jahrzehnt seiner bischöflichen Regierung sehr
stark der Verwaltungsarbeit gewidmet habe, und er teilt
uns Visitationsabschiede mit, welche uns wertvolle Einblicke
in die kirchlichen Zustände seiner Diözese am
Vorabend der Reformation wie in Schiners energisches
Eingreifen gewähren. Aber schon daß Büchi diese ganze
ein Jahrzehnt umspannende Tätigkeit in einem einzigen
kurzen Kapitel zusammendrängt, in den übrigen aber
höchstens gelegentlich von Schiners kirchenobrigkeitlichem
seelsorgerischen Wirken spricht, zeigt, wie sehr
letzteres in den Hintergrund trat. Tatsächlich entsprechen
ja auch diesem 10. Kapitel sechs andere, welche
die gleichzeitige politische Tätigkeit Schiners behandeln
. Also schon damals widmete Schiner nur einen
Bruchteil seiner Arbeitskraft den organisatorischen Aufgaben
. Dieselben wurden erst recht zur Nebensache, als
Schiner —teilweise allerdings unfreiwillig — die Heimat
verlassen mußte und mit kurzen Unterbrechungen in Italien
weilte. Die deutsch-schweizerischen Beziehungen werden
im vorliegenden bis 1514 reichenden Bande nur gelegentlich
gestreift; lag doch der große eidgenössische
Krieg von 1499 vor dem Beginn von Schiners bischöflicher
Wirksamkeit. Im folgenden Bande verspricht aber
Büchis sorgfältige Arbeitsweise auch eine erhebliche
Bereicherung unserer deutsch-geschichtlichen Kenntnisse
zu liefern.

Freiburg i. Br. Gustav Wolf.