Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1924 Nr. 18

Spalte:

402-403

Autor/Hrsg.:

Oesterreicher, Konrad

Titel/Untertitel:

Sehr anmutige Materie über das Leiden Christi. Neu hrsg. v. Parthenius Minges 1924

Rezensent:

Lempp, Eduard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

401

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 18.

402

„Menschensohnidee" und der „Messiasidee" die Katastrophe
des Lebens Jesu entspringen; aber ist dieser
Gegensatz wirklich in dieser grundsätzlichen Schärfe
vorhanden, ergibt sich nicht gerade auf Grund der
synoptischen Erzählungen und der Erwägungen, die
kürzlich Reitzenstein zu der „Menschensohnfrage" beigesteuert
hat, — sie scheinen freilich dem Verfasser nicht
bekannt zu sein — eine innere Verbindung zwischen
beiden Gedankenreihen, die es unwahrscheinlich macht,
daß daran das Werk Jesu gescheitert sei? Oft scheint
auch die innere Verknüpfung der Ereignisse zu sehr an
der lukanischen Darstellung orientiert, ohne daß genügend
geprüft wäre, wie weit die lukanische Art grundsätzlichen
Historisierens in der dem Evangelium zugrunde
liegenden Tradition ihre konkrete Verwurzelung
habe. Aber wichtiger als diese oder ähnliche Einzelbedenken
ist die prinzipielle Frage: ist es angesichts der
inneren Beschaffenheit unserer Quellen grundsätzlich
gestattet, nach streng historischen Zusammenhängen
zwischen den berichteten Einzeldaten der Geschichte
Jesu zu forschen? Der Verfasser prüft zwar überall die
Frage, ob diese Tat oder jenes Wort in diese oder jene
bestimmte Periode des Lebens Jesu hineingehöre; aber
er kann sie doch nur prüfen auf Grund der ungeprüften
Voraussetzung, daß ein allgemeiner historischer
Zusammenhang in der Folge der Berichte sich widerspiegele
, wenn vielleicht auch trümmerhaft und mannigfach
gebrochen. Mit der Bejahung oder Verneinung
dieser Voraussetzung steht und fällt die Untersuchung.
Wenn, wie bekannte deutsche Arbeiten immer wieder
gezeigt haben, die Art der Verknüpfung nicht ein ursprüngliches
Element der synoptischen Tradition ist,
sondern nur die isolierte Erzählung, wenn die vorhandene
Verknüpfung in stärkerem oder schwächerem
Grade anderer Art ist als historisch, dann fehlt auch
das methodische und sachliche Recht, nach einem streng
historischen Zusammenhange zu forschen. Freilich,
dieses letzte verwickelte Problem ist durchaus noch nicht
in dem notwendigen Maße geklärt; es erhebt sich gerade
verstärkt die Frage, aus welcher Art und ans welchem
Grunde die nun einmal in den Evangelien vorhandene
innere Verbindung der Daten sei. Dann ist
es aber nicht das kleinste Verdienst dieser eindringlichen
Untersuchung, die Frage dadurch wieder zur Diskussion
gestellt zu haben, daß sie es unternommen hat, einen
lückenlosen Zusammenhang geschichtlicher Art in den
Erzählungen aus der Geschichte Jesu aufzudecken.
Breslau. Ernst L o Ii m e y e r.

Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenes. Onder, Redactie
van F. Pijper, A. Eekhof, en J. Lindeboom. N.S. XVII. Deel.
S.'Gragenhage: Martinus Nijhoff 1924. (320 S.) 8».

Der wiederum sehr reichhaltige Jahrgang der altbewährten
holländischen Zeitschrift für Kirchengeschichte
bietet, in sachlicher Gruppierung, folgende Aufsätze
(die alte Kirchengeschichte ist nicht vertreten
). J. Lindeboom gibt mit eingehender Einleitung
die Petrarcabiographie von Rud. Agricola nach
der Münchener Handschrift unter Beifügung der Varianten
der Stuttgarter; nur in diesen beiden Manuskripten
erhalten, ist die manche Details bietende Biographie
selbst Koerting (Petrarcas Leben und Werke 1878) entgangen
. Auf die religiöse Stellung Petrarcas fällt kein
neues Licht. — A. H y m a hat in der Nürnberger Stadtbibliothek
den Traktat des Gerhard Zerboldt von Zut-
phen: an liceat libros divinos transferre in vulgare, kurz
de libris teutonicalibus genannt, gefunden und veröffentlicht
ihn; er soll die Brüder gegen Angriffe der Dominikaner
verteidigen. In der Einleitung wird die Bedeutung
der Deventer Brüder überschätzt, wenn „viele der
Lehren Luthers nur eine Wiederholung einer Botschaft,
die längst vor seiner Geburt da war", sein sollen. —
D. de Kok beschreibt mittelalterliche Codices aus ehemaligen
niederländischen Klarissenklöstern, überwiegend
franziskanische Literatur enthaltend. — Reichhaltig sind

die Arbeiten zur Reformationsgeschichte.
A. van Schelven beleuchtet in wertvoller Untersuchung
die Anfänge des englischen Independententums
im Verhältnis zu Flolland. Die landläufige Ansicht, daß
in Norwich es von niederländischen Täufern gewimmelt
habe, an denen sich die Gedanken von Rob. Browne
entzündet hätten, wird als falsch erwiesen. Weder sind
die Holländer, die es in Norwich gab, Anabaptisten
gewesen, noch haben die Reformierten der dortigen
Flüchtlingskirche anabaptistische Neigungen gehabt. Vielmehr
ist die Kirchenordnung von Norwich, die v. Sch.
in Cambridge auffand, von den Ordnungen des Konventes
zu Wesel 1568 abhängig. Erst nach 1570 sind vielleicht
gewisse Tendenzen independentistischer Art
spürbar. — A. Eekhof berichtet über die Grotiana in
Amerika, darunter sind fünf Originalbriefe, von denen
die drei unbekannten mitgeteilt werden. Die Yale Uni-
versity zu New Häven besitzt als ehemalige_„Doublette
der Stadtbibliothek zu Breslau" eine von Erpenius an
Grotius dedizierte Ausgabe des N. T. in arabischer
Sprache. — Derselbe bejaht in einer Miszelle die
Frage, ob Grotius arabisch konnte, dahin, daß das seit
etwa 1600 der Fall war. — P. Debongnie widmet
in französischer Sprache dem Freunde des Erasmus,
Cornelius Aurelius, eine Studie, speziell seinem Aufenthalt
in S. Victor zu Paris, der ihn zu den dortigen
Humanisten in Beziehung brachte. — A. van Schelven
stellt weiterhin fest, daß die von Johannes Liga-
rius verfaßte „Confessio Brylensis" mit einer ausgesprochen
lutherischen Abendmahlslehre für die kleine
lutherische Gemeinde zu Brielle a. d. Maas geschrieben
wurde. — J. Lindeboom gibt einen Beitrag zur
Geschichte der Anfänge des niederländischen Socinianis-
mus: die bei G. J. Vossius (Catalogus codicum manu-
scriptorum Universitatis Groninganae Bibliothecae) erwähnte
„Summa doctrina Socinistarum", von Cloppenburg
widerlegt, stammt wahrscheinlich von Vorstius und
ist „nicht ganz sauber socinianisch". Der Text der
Schrift wird abgedruckt. — J. Loosjes gibt die Biographie
von Adam Billichius, ein Deutscher von Haus
aus, dessen Moralität aber sehr zu wünschen übrig läßt
und der daher seine Gemeinde wiederholt wechseln
muß. Daß er u. a. auch in Wieringen Pfarrer war, hat
heutzutage Interesse (ca. 1595), ebenso seine Korrespondenz
mit Caspar Ulenberg. — Zur Kirchengeschichte
der Neuzeit bietet J. de Hullu
ein Dokument über den Bestand des Christentums in
Curacao 1816. — Glänzend geschrieben und außerordentlich
instruktiv ist dann der Aufsatz von A. Eekhof
über die amerikanischen Universitäten, die Frucht
einer längeren Studienreise. Es sollte ihn jeder lesen,
dem an der Erhaltung unserer guten deutschen Wissenschaft
gelegen ist — fast das Einzige was wir noch
haben! — und der mit Besorgnis auf den wachsenden
Einfluß amerikanistischen Betriebes an unseren Hochschulen
blickt. Eekhof urteilt vornehm, aber freimütig
und zeigt schlagend, daß den glänzenden äußeren Mitteln
, der glänzenden Ausstattung u. dgl. der innere Gehalt
, die wissenschaftliche Tüchtigkeit nicht entspricht.
Oberflächlichkeit ist unvermeidlich. „De Amerikaan
schoeit alles op de business-leest." Dahinter treten die
von E. hervorgehobenen Lichtseiten doch zurück. Die
einzelnen Universitäten werden in ihren verschiedenen
Abstufungen geschildert. — Eine Bibliographie der
Werke zur niederländischen Kirchengeschichte ist beigegeben
.

Zürich. W. Köhler.

Oesterreicher, Franziskanerprediger Konrad: Sehr anmutige
Materie über das Leiden Christi. Neu hrsg. von P. D. Dr.
Parthenius Minges, O. F. M. Regensburg: J. Kösel 8i Fr. Pustet
1923. (32 S.) gr. 8°. Gm. —50.

Der Herausgeber will mit der Übersetzung und Neuherausgabe
des schon 1502 u. 1581 gedruckten Büchleins zeigen, daß man schon
vor Luther das Leiden Christi überaus hochschätzte und dem Volk
verkündete, was meines Wissens noch niemand bezweifelt hatte. In