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Ausgabe:

1924 Nr. 18

Spalte:

399-401

Autor/Hrsg.:

Cadman, William Healey

Titel/Untertitel:

The last journey of Jesus to Jerusalem 1924

Rezensent:

Lohmeyer, Ernst

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399

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 18.

400

zu erklären, aber auch hier scheinen mir die Parallelen
nicht sehr beweiskräftig. Denn daß im Zauber
Reichtum und Ansehen versprochen wird oder die
Herrschaft über Unter- und Ober-Ägypten, ist doch eine
ziemlich vage Parallele, und der Hinweis darauf, daß
Könige wie Nektanebos und Salomo als Zauberer gelten
, ist überhaupt keine Parallele, und daß man durch
Zauber den Zorn von Königen abwenden kann — ein
Versprechen, das übrigens in astrologischen Texten sehr
häufig ist — hat doch auch mit der biblischen Versuchungserzählung
kaum .etwas zu tun. Was Eitrem
dann auf S. 18 f. über Typhon ausführt, unterliegt
m. E. ernsthaften sachlichen und methodischen Bedenken
. Für die erste Versuchung, die Verwandlung der
Steine in Brot, vermag Eitrem keine Parallelen aus der
Zauberliteratur beizubringen. Trotzdem bezeichnet er
sie doch als echt magische Handlung. Am Ende seiner
Ausführungen gesteht er freilich, daß die Gleichung
nicht aufgeht. Daß man Stoffe aus Magie, Ritus und
Märchen heranziehen müsse, um die Versuchungserzählung
zu erklären. Damit scheint mir Eitrem freilich
seinen eigenen Versuch schon kritisiert zu haben.

Wie mir scheint, wäre der Gedanke der Erwägung
wert, ob wir es nicht in der Versuchungserzählung —
die von inneren Diskrepanzen nicht frei ist — mit einem
schon früher bekannten Erzählungsstoff zu tun haben,
der auf Christus übertragen ist, einem Erzählungsstoff,
der möglicher Weise auch in den Ps. Clementinen einen
von der evangelischen Erzählung unabhängigen Niederschlag
gefunden hat. Recogn. II, 9 kann sich Simon
Magus von einem Berg stürzen. III, 47 führt er an:
Iapides panes feci. Ich erinnere ferner an Acta Arche-
lai 63, wo von dem Absturz des Terebinthus-Buddha
vom solarium excelsum die Rede ist. Sollte dieser
ganze Erzählungsstoff nicht aus dem Osten stammen
(Syrien, Iran?) und von dorther in das frühe Christentum
und die Simonianische Sekte eingedrungen sein?
Hierüber wird man natürlich erst dann reden können,
wenn die dringend nötige Erforschung der Überlieferung
über Simon Magus wieder neu eingesetzt hat. Immerhin
ersehe ich aus den Ausführungen von P. Alfaric in
der Revue historique 1924 S. 51, daß Alfaric eine ähnliche
Vermutung vorträgt. Nach seiner Meinung ist die
Versuchungsgeschichte Jesu der Versuchung des Simon
Magus direkt nachgebildet worden. Ich stehe der Annahme
einer solchen direkten Übernahme skeptisch
gegenüber.

Göttingen. Erik Peterson.

Cadman, William Hcaley, D. theol., B. L., B. D.: The last journey
of Jesus to Jerusalem. Its purpose in the light of the Synoptic
Gospels. London: Oxford University Press 1923. (159 S.) 8°.

7sh. 6d.

Dieses Buch ist ein neuer und scharfsinniger Beitrag
zu dem in der englischen Theologie weit stärker
als in der deutschen behandelten Problem, welches der
äußere Ablauf und welches die innere Verknüpfung in
den von den synoptischen Evangelien berichteten Ereignissen
der Geschichte Jesu sei. Als Thema der Untersuchung
wird zwar nur „die letzte Reise Jesu nach
Jerusalem" genannt; doch da unsere Quellen von dem
Verlauf und Inhalt dieser Reisetage selbst nur wenig
berichten, muß sie sich den Abschnitten zuwenden, die
ihr vorangehen und die ihr folgen. Der vorangehende
Abschnitt setzt dann selbst die erste Tätigkeit Jesu in
Galiläa voraus. Demgemäß muß sich die Untersuchung
in vier Kapitel gliedern, von denen das 1. (S. 11—56)
„die Krisis in Galiläa", das 2. (S. 57—101) das Petrusbekenntnis
, das 3. (S. 102—113) den Verlauf der Jerusalem
-Reise und das 4. „den letzten Appell" Jesu behandelt
(S. 114—159); und dieser Anlage gemäß wird
das Hauptinteresse der Arbeit dem 2. und 4. Abschnitt
zufallen.

Das erste Kapitel schildert in knappen und scharfen
Zügen die Wirksamkeit Jesu in Galiläa. Ihr Ziel ist,

eine Bußbewegung unter der Bevölkerung als Vorbedingung
für das Kommen des Gottesreiches hervorzurufen
; ihr äußerer Erfolg die Zuneigung des Volkes
und die Todfeindschaft zweier mächtiger Gegner, der
Pharisäer und des Landesfürsten Herodes Antipas. Aus
beidem reift der Entschluß Jesu, die Verkündigung statt
in Galiläa unter den durch das bevorstehende Passahfest
geschaffenen günstigen Bedingungen in Jerusalem
fortzusetzen. Dieses also ist der nächste und äußere
Zweck der Jerusalem-Reise; aber die Krise, die über
sein Werk in Galiläa hereingebrochen ist, wandelt auch
die innere Anschauung Jesu. Er überzeugt sich, daß eine
Fortsetzung seiner Tätigkeit gleichbedeutend ist mit dem
Gang ins Martyrium, er begreift seinen Tod als „einen
vitalen Faktor in der Erfüllung seines Zweckes". —
Aus dieser inneren und äußeren Lage wird die Bedeutung
der- im 2. Kapitel untersuchten Periode des
unsteten Wanderns außerhalb der Grenzen Galiläas und
seines Hauptereignisses, des Petrusbekenntnisses, erkennbar
. Sie ist gegeben in der Abweisung aller traditionellen
Messiaserwartungen, die das Petrusbekenntnis
auf Jesus zu übertragen droht, in der Überzeugung, daß
Jesus durch „die ianua mortis" hindurch müsse, um als
„Menschensohn" (in dem allein berechtigten eschato-
logischen Sinne des Wortes, den der Verf. näher begründet
) und das heißt als Weltenrichter, zurückzukehren
, endlich in dem Schweigegebot an seine Jünger,
das nicht durch ein Dogma, sondern durch bestimmte
historische Umstände bedingt ist, und in der daraus
fließenden Aufforderung, sein Martyrium zu teilen. So
hat die letzte Reise nach Jerusalem, wie das 3. Kapitel
kurz berührt, nicht das Ziel, daß Jesus volkstümliche
Messiaserwartungen in die Wirklichkeit umsetze
— auch die Bartimäus-Geschichte legt nichts davon
nahe — sondern daß er wie früher in Galiläa, so jetzt
in Jerusalem eine Bußbewegung in dem zusammengeströmten
Volke entfache; freilich mit teilweise veränderten
Mitteln, unter denen an erster Stelle sein Tod
steht, jener Tod, der das sorgsam bewahrte Geheimnis
der Rückkehr als „Menschensohn" in sich trägt.
Deshalb ist auch in den Tagen des Jerusalemer Aufenthaltes
, wie das 4. Kapitel an den einzelnen Berichten
nachweist, nichts von messianischen Ansprüchen Jesu
zu spüren; weder der Einzug noch die Tempelreinigung
ist so zu werten. Alle seine Handlungen und Gespräche
haben nur den Sinn, Zeit zu gewinnen und die Sicherheit
der eigenen Wirksamkeit dadurch zu verbürgen,
daß er das Volk auf seiner Seite hält. Der Verrat des
Judas aber durchkreuzt diesen Plan; er geht nicht auf
die äußeren Umstände der Verhaftung, sondern auf
die inneren Hoffnungen Jesu. Dadurch erhält das
Synhedrium die Möglichkeit, Jesus als falschen Propheten
und Messias vor dem Volke hinzustellen. Der
Verrat überzeugt Jesus, noch bevor er verhaftet ist, von
der Unerfüllbarkeit seines Werkes. In der Dunkelheit
dieser Lage „bindet er in dem letzten Mahle seine vertrauten
Jünger an sich, ihnen eine baldige Wiedervereinigung
zusichernd".

Es ist ein klarer und straffer Zusammenhang, der
zwischen den innerlich kaum verbundenen Berichten
der synoptischen Evangelien zu stiften versucht wird;
und er wird, so sehr die Problemstellung von der Arbeit
der deutschen Theologie sich beeinflußt zeigt und
weiß, mit jener Scharfsinn und Besonnenheit gleicherweise
vereinenden kritischen Exaktheit durchgeführt, die
für so manche Untersuchungen der englischen Theologie
in den letzten Jahren auszeichnend ist. Es ist auch
begreiflich, daß auf dem verhältnismäßig knappen
Räume dieses Buches nicht für alle Einzelaufstellungen
eine ausgedehnte Begründung gegeben, sondern manche
Lösungen wichtiger literarkritischer und sachlicher
Probleme übernommen worden ist. Und doch erheben
sich gerade gegen die unleugbare Straffheit des aufgezeigten
Zusammenhanges gewichtige Bedenken. Um nur
einiges zu erwähnen, so soll aus dem Gegensatze der