Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1924 Nr. 18

Spalte:

393

Autor/Hrsg.:

Thilo, Martin

Titel/Untertitel:

Der Prediger Salomo 1924

Rezensent:

Volz, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

393

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 18.

394

einer eschatologischen Heilsapotheke, die Israel von
Anfang an besessen und aus der ihm je nach Bedarf das
Nötige verabfolgt werden konnte. Hier müssen ihm
Greßmann und Sellin Vorspanndienste leisten. Mit einem
Satz wie dem S. 82 aus Sellin zitierten oder dem
vom Vf. S. 168 ausgesprochenen, oben angeführten:
„Von der Geburtsstunde..." kann man alles oder nichts
erklären. Ich wenigstens vermag einen solchen Satz nur
in dem religionspsychologischen Sinne zu unterschreiben,
daß alle Religion den Glauben an ihre zukünftige Bewährung
in sich trägt. Soll er zu geschichtlicher Erklärung
dienen, so gerät man ins Bodenlose.

Es ließen sich auch an Einzelheiten noch Ausstellungen machen.
S. 158 ist z. B. aus den heidnisch theophoren Namen bei Juden
zuviel erschlossen, gerade als ob etwa jeder Isidor selbst oder sein
Vater ein Verehrer der Isis gewesen sein müßte vgl. den Vf. selbst
S. 163: „Sie (die fremden Namen) begegnen oft neben den echt jüdischen
bei ein und derselben Familie." Ebenso ist es ein unsicherer
Schluß, aus dem Namen „Tel-Abib" im Sinne von Sturmfluthügel
ableiten zu wollen, daß der Ort von deportierten Juden kolonisiert
worden sei. Denn das ist eine Bezeichnung von Ruinenstätten, die
häufiger vorkommt. Doch davon genug.

Es soll noch ausdrücklich gesagt werden, daß die
Schrift auch wegen eigener Auffassungen von Einzelheiten
es wert ist, iii der protestantischen Forschung
berücksichtigt zu werden.

Dassensen, Kr. Einbeck. Hugo Duensing.

Thilo, Priv.-Doz. Lic. Dr. Martin: Der Prediger Salomo. Neu

übersetzt und auf seinen Gedankengang untersucht. Bonn: A. Marcus
& E. Weber 1923. (50 S.) 8°.
Das schlichte Büchlein enthält mehr als man vermutet; es ,'st ein
gedrängter Kommentar zu Kohelet, und überall beobachtet man, daß
der Vf. selbständig und mit innerem Anteil in seinen Stoff eingedrungen
ist. Der anschaulichen Obersetzung folgen nach jedem Sinnabschnitt
die Inhaltsangaben; die sehr ausführlichen exegetischen
Noten grammatikalischen und sachlichen Inhalts bieten viel Bemerkenswertes
; die Einleitung macht mit dem Problem bekannt, der
Schluß sucht die Lösung zu geben. Zu bedauern ist, daß Vf. die
neueste Literatur über 1905 hinaus nicht kennt. Seine Gesamtauffassung
von Kohelet ist eigenartig, wird sich aber schwerlich durchführen
lassen. Auch er bestreitet zwar einen geschlossenen Gedankengang
in Kohelet, stellt aber doch das Buch als geistige Einheit
dar, so daß die einzelnen Stücke (abgesehen von den ersten und
letzten Sätzen des Herausgebers) sämtlich auf Kohelet zurückgehen
und hinter den Einzelheiten das leitende Ziel wie bei einer Predigt
erkannt werden könne. Es läßt sich m. E. nicht umgehen, da und
dort fromme, korrigierende Einträge späterer Hand anzunehmen, und
das ursprüngliche Büchlein Kohelets scheint mir mehr eine lose Form,
etwa nach Art der Meditationen Mark Aurels zu haben, so daß wir
einen solchen inneren Aufbau des Ganzen nicht suchen und auch den
Zusammenhang der einzelnen Abschnitte nicht pressen dürfen. Dabei
kommen das tragische Ringen und der Mangel dieses bedeutenden
Mannes am Ausgang des Judentums noch stärker zum Ausdruck,
als wenn man seiner Schrift einen solchen bewußten Zweck zuschreibt.

Tübingen. P. Volz.

Windfuhr, Pastor Walter: Baba meßia („Mittlere Pforte" des
Civilrechts). Text, Übersetzung und Erklärung. Nebst einem textkritischen
Anhang. Gießen: Alfred Töpelmann 1923. (VI, 122 S.)
gr. 8°. — Die Mischna, hrsg. v. G. Beer u. O. Holtzmann, IV, 2.

Vf. ist durch eine 4'/2 jährige Kriegsgefangenschaft
in seiner Arbeit unterbrochen worden, und wir begrüßen
es freudig, daß seine wertvolle Kraft dem
Mischna-Unternehmen erhalten geblieben ist. Auch
dieses Heft zeugt von der Gediegenheit der Textkenntnis
und Textbehandlung des Vf. und von seinem scharfsinnigen
Eindringen in den nicht immer leicht zu verstehenden
Gedankengang. Die Einleitung berichtet
hauptsächlich über den Inhalt des Traktats, und diese
Einleitung sowie die Überschriften über den einzelnen
Abschnitten und Teilabschnitten unterrichten trefflich
über den Aufbau des Traktats. Die knappen, aber gehaltreichen
grammatikalischen und exegetischen Anmerkungen
zeigen aufs neue, wie notwendig dieses
Mischna-Unternehmen ist, um die kultischen, kulturellen
, wirtschaftlichen und sozialen Zustände des Judentums
in den Jahrhunderten vor und nach Jesus zu erfassen
. Denn hierfür sind die Mischnatraktate unsere
beste Quelle, und ein sachkundiger, strengsachlicher
Kommentar fördert viel Wissenswertes zu tage.
Tübingen. P. Volz.

Der Koran. Ausgew., angeordnet u. im Metrum d. Originals übertragen
von Prof. Hubert Grimme. Paderborn: F. Schöningh
1923. (III, 228 S.) 8°. = Dokumente der Religion 8. Bd.

Geb. Gm. 2.85.

Das beste Koranlesebuch, welches existiert, sicherlich
was Auswahl und Anordnung anbetrifft, weithin
auch hinsichtlich der Art der Wiedergabe. Ein Vergleich
mit dem Rückert'schen Auszuge läßt den großen
Fortschritt erkennen. Rückert hatte aus dem Koran
mit dem sicheren Takte des Dichters nur das Anziehende
ausgelesen und dabei sicherlich auch oft das
wirklich Bedeutsame getroffen. So scheiden denn R.
und Gr. mehrfach dieselben Stücke als bedeutungslos
aus z. B. die Suren 69, 85—87, 98. Aber Gr. läßt
noch mehr unübersetzt wie R., er bringt nach seiner
eigenen Schätzung nur etwa ein Drittel des Koranes.
Trotzdem ist seine Auswahl der Rückertschen, die wohl
von Zufälligkeiten nicht ganz frei zu sprechen ist, überlegen
, weil er das für die Charakteristik und den Entwicklungsgang
Muhammeds wirklich Wichtige bringt
und dazu dann auch solche Stoffe heranzieht, welche
R. hatte fallen lassen. Schade, daß die kurzen, für das
Niveau bezeichnenden Suren 113 und 114 nicht aufgenommen
sind. Wie die Auswahl, so ist auch die Anordnung
neu und gut. Es war doch nur eine Verlegenheitsauskunft
, wenn man früher riet, man solle bei der
Lektüre des Koran von hinten nach vorn lesen. Hier
sind nun zum ersten Mal' die Suren der Zeit ihrer Entstehung
nach angeordnet und spiegeln so die Entwicklung
Muhammeds wieder. Naturgemäß sind die Suren
und ihre Teile zunächst einmal in mekkanische und
medinische eingeteilt; jene ordnet Gr. dann in drei Abschnitte
an: frühmekkanische, solche aus der mittel-
mikkanischen und Rachman-Periode und spättnekka-
nische; diesen gibt er nur zwei Unterteile: frühmedi-
nische Einzelheiten lind sodann medinische Suren. Die
Anordnung im Einzelnen ähnelt der von Nöldeke-
Schwally, deckt sich aber nicht mit derselben. Hier
ist das Urteil bekanntermaßen nicht immer auch nur
zur Wahrscheinlichkeit zu erheben. Die Übersetzung ist
schön und verständlich, läßt auch sicherlich den Unsinn
meist hervorleuchten, aber man muß vielleicht doch
sagen, daß sie oft zu schön ist, sie kommt einer Um-
dichtung nahe. Deshalb ist mit ihr nicht zu disputieren.
Wer etwa die erste Sure, deren arabischen Klang im
Ohre, in Gr. Wiedergabe liest, ist erstaunt, wie poetisch
sie gestaltet werden kann. Etwas skeptisch kann man
auch der Koranmetrik, bei der es ohne zweifelhafte
Annahmen und ohne Ausscheidung von allerhand Störenfrieden
nicht abgeht, gegenüberstehen. Aber besonders
anerkannt muß werden, daß auch die Koranphilologie,
d. h. in diesem Falle die Korankritik zu Worte kommt.
Durch eckige Klammern werden Änderungen Muhammeds
, durch winklige solche der Koranredaktoren bezeichnet
. Dabei ist des Einleuchtenden und auch allgemein
Zugestandenen neben manchem Unsicheren nicht
wenig. Ein Anhang bringt knappe Erklärungen der im
Texte gesperrt gedruckten Worte; darin scheint allerdings
nicht alles enthalten zu sein vgl. z.B. Scho'aib.
Die Brauchbarkeit des Buches würde noch erhöht werden
, wenn bei einer Neuauflage ein Register hinzugefügt
würde, in dem die Suren bzw. ihre Teile in der
üblichen Reihenfolge aufgeführt und ihr Standort im
Buche angegeben wurde. Der Preis dieses guten Buches
von 228 Seiten in reizender Ausstattung ist erstaunlich
gering.

Dassensen, Kr. Einbeck. Hugo Duensing.

1) Die Auswahl von Klamroth umfaßte nur die 50 von ihm für
die ältesten gehaltenen Suren aus der mekkanischen Periode, kaum ein
Achtel des Ganzen, aber aueh schon in von der gewöhnlichen abweichender
historischer Reihenfolge.