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Ausgabe:

1924 Nr. 15

Spalte:

336

Autor/Hrsg.:

Bartels, Adolf

Titel/Untertitel:

Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch, begr. v. Rudolf Kögel, Emil Frommel u. Wilhelm Baur. 45. Jahrg. 1924 1924

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 15.

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das Ringen um eine dem Überkommenen mindestens gleiche Intensität
des neu Geschaffenen immer von Anfang bis zu Ende selbst zu
leisten haben. Und gerade die eigenständigsten Predigten finden,
wenigstens meiner Erfahrung nach, die beste liturgische Umrahmung,
wenn aus den alten Kernliedern und Kerngebeten das erforderte Neue
in oft nur erstaunlich leiser Abtönung erwächst. Aber wer will alle,
von denen und um derentwillen Liturgien geboten werden, unter eineu
Hut bringen?

So wirds nicht daran fehlen, daß L.s Arbeit auch
deutsch nach ihren starken wie nach ihren schwächeren
Seiten auf das liturgische Schaffen unsrer Tage einwirkt,
als Beispiel und Gegenbeispiel.

Fahrenbach (Baden). Peter Katz.

Fünfundzwanzig Jahre „Grüne Blätter" von Johannes Müller.

J. Müller gehört zu den wenigen Männern der
Gegenwart, die weit über die christlichen Kreise hinaus
über christliche Dinge gehört und beachtet werden.
In seinem Organ hat er ein Vierteljahrhundert einen
Einfluß auf viele Tausende ausgeübt, der an dieser
Stelle von ihm zu sprechen erlaubt, auch wenn er durchaus
nicht unter die Theologen gezählt werden will.
Ist es schon an sich eine Leistung, einen solchen Zeitraum
hindurch im wesentlichen allein ein derartiges
Blatt durchzuführen — nur wenige andere sind mit Beiträgen
darin zu Gast gewesen — so ist die unerschöpfliche
Kraft besonderer Erwähnung wert, mit der M.
allen Fragen nachgeht, die in seinen Gesichtskreis fallen.
Hieß der Untertitel zuerst „Blätter für persönliches
Leben", so seit dem XVII. Band „Blätter für Lebensfragen
" und neuerdings „Blätter für persönliche und
völkische Lebensfragen". Darin spiegelt sich die Entwicklung
auch der ganzen Zeit, der M. dienen will. Mit
der einseitigen Kraft aller, denen eine große Wahrheit
aufgegangen ist, sagt er in immer neuen Wendungen,
was ihm geschenkt worden ist. Und das ist die Wahrheit
: wahres und echtes Leben ist uns von Gott in Jesus
geschenkt worden, und dieses wird uns auf dem Weg
des Erlebens zu teil. Unermüdlich macht M. diese Erkenntnis
seinen Hörern und Lesern deutlich. Wahres Leben
ist persönliches Leben, d. h. unabhängig von der Welt,
den Umständen und den Menschen; es ist schöpferisches
und ursprüngliches Leben, durch das wir von der Sinnlosigkeit
des Daseins erlöst und Herren unseres Daseins
werden. Jesus ist die Lösung des Problems Mensch, der
Entdecker des Objektiven in uns und der Lebensgesetze
jenes wahren Lebens; in ihm hat sich die Lebensmacht
des Alls, der lebendige Gott einzigartig ausgesprochen.
Von seinem Eindruck überwältigt muß man sich ihm anschließen
, um jenem Ursprünglichen in uns zur wachstümlichen
Entfaltung zu verhelfen. — Diese drei Punkte
werden nun immer wieder gegen alle intellektuellen
und sentimentalen Mißverständnisse geklärt. Dann aber
wird jene Entdeckung auf alle möglichen Lebensfragen
bezogen. Immer wieder wird das Verhältnis der Menschen
zu einander, besonders das in der Ehe, immer
wieder wird die Not, die man mit sich selbst, mit dem
Leben und seinen Geschicken hat, von hier aus beleuchtet
. Allen Hemmungen gegenüber mit dem Leben fertig
zu werden, dazu will M. helfen. So ist er ganz und gar
auf das Praktische gerichtet und ein Feind aller logisch
durchgearbeiteten Theorie. Er kommt von Nietzsche
her. an dem ihm das Problem des Menschen aufgegangen
ist; von ihm ist er zu Jesus gekommen, in dem er die
Lösung fand. Darum hat es wenig Sinn, sich mit M.
über seine Auffassung von Jesus oder über jenen ihm
entgegenstrebenden Kern im Menschen auseinanderzusetzen
oder auf logische Widersprüche hinzuweisen.
Man muß sich an dem Helfer zu wahrem Leben freuen,
dessen Stärke weniger in seinen theoretischen Ansichten
als in oft glücklich formulierten Ratschlägen zur Bewältigung
des Lebens liegt: sachlich leben, nichts tragisch
nehmen, geradeaus, d. h. nicht rücksichtslos, aber
rückhaltlos leben. Immer mehr ist, wie in dem erwähnten
Wechsel des Untertitels angedeutet wurde, der
Nächste und zuletzt das Volk in den Vordergrund gerückt
: in der sachlichen Hingebung an diese gewinnt man
das persönliche Leben, während man es durch die selbstquälerische
Arbeit an sich und das ewige Reflektieren
verliert. In Elmau hat sich wie bekannt M. eine Stätte
geschaffen, die der Pflege dieser Art von Leben im Umgang
wahlverwandter Geister gewidmet ist. Von hier
läßt er auch seine Blätter ausgehen, um ihnen den persönlichen
Charakter zu wahren, während seine Bücher
und die Sammlungen der wichtigsten Aufsätze aus jenen
bei Beck in München erschienen sind.

Marburg. F. Niebergall.

Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch, begr. v. Rudolf Kögel, Emil
Frommel u. Wilhelm Baur. Hrsg. v. Adolf Bartels u. Julius
Kögel. 45 Jg. 1924. Titelb.: D. Ernst v. Dryandcr. Halle:
C. Ed. Müller 1923. (III, 256 S.) kl. 8°. Gm. 4 ; geb. 5-.

Die Neue Christoterpe 1924, diesmal geschmückt mit einem guten
Bild Ernst von Dryanders, entspricht ihrem bewährten Ruhm. Es
geht über den Rahmen der Th.Lit. Ztg. hinaus, alle Beiträge zu besprechen
. Es sollen nur die kurz genannt werden, welche auch die
Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Theologie verdienen. Dazu gehört
nächst der kurzen Charakteristik Dryanders als „Prediger von
Gottesgnaden" (Vits) der sehr eigentümliche Aufsatz von Wilhelm
Scharrelmann, „das Buch der vierzig Tage" ein fast
romantischer Versuch, den Verkehr des Auferstandenen mit den
Jüngern mittelst der Phantasie zu einer lebendigen Erzählung im Stil der
Evangelien auszugestalten — ein modernes Gegenstück zu gleichen
Versuchen, wie wir sie aus dem 2. Jahrhundert kennen. Ich bin nicht
ohne Bedenken gegen solchen Versuch in einem Laienbuch wie die
Christoterpe. Die Grenze zwischen poetischer Fhantasiewelt und evangelischer
Erzählung wird verwischt, das Visionäre gesteigert. Mag die
christliche Gemeinde selbst urteilen, ob ihr das zusagt. Historischer
Sinn sträubt sich gegen diese Fortsetzung der „Apokryphen". Der
Stil wirkt fast „maniriert", aber zugegeben sei, daß die Ideenwelt der
vierzig Tage anschaulich zu Tage tritt. Für den Ethiker ist der
feine Aufsatz von Generalsuperintendenten Klinge mann über
„Glaube und Vaterlandsliebe" von Interesse, die in ihrer
gegenseitig vertiefenden Kraft dargestellt werden. Jeden Theologen
wird der „Rückblick" Adolf Schlatters interessieren mit der
Überschrift „Die Bibel". Er zeigt ganz von selbst die geschichtliche
Mission, die dieser Theologe in der Gegenwart gehabt hat,
gründliche wissenschaftliche Behandlung der biblischen Bücher denen
schmackhaft zu machen, die mit ihm einig sind in der gläubigen
Stellung zur heiligen Schrift — er hat seiner Lebensarbeit damit
selbst ein ehrenvolles Denkmal gesetzt. Für den praktischen Theologen
ist Joh. Rupprechts Charakteristik der Wirksamkeit Hermann
von Bezzels von großem Interesse — es tritt die im
edelsten Sinn des Worts „mittelalterliche" Persönlichkeit dieses evangelischen
Seelsorgers in helles Licht. Der Aufsatz von Adolf
Bartels „Die Oberwindung Lessing s" hat vielleicht in
der Hauptsache Recht — daß Lessing nicht der Gegenwart, sondern
der Geschichte angehört. Aber es liegt die Oefahr vor, daß darüber
seine große Bedeutung in der Oeschichte zu sehr unterschätzt wird.
Die Charakteristik von O be ra m m e r gau , durch Wolfgang
Lindner wird, wenn sie auch nichts Neues bietet, vielen Lesern willkommen
sein. Die belletristischen Beiträge von Anna Schieber, Auguste
Supper, Dörthe Kögel u. A. gereichen dem Jahrgang zur Ehre.
Greifswald.___Ed. v. d. Goltz.

Paul, Geh. Ob.-Reg.-Rat Georg u. Ob.-Konsist.-Rat Johannes Hose-
mann: Die Kirchensteuer in Preußen für das Rechnungsjahr
1924. Praktischer Leitfaden unter Mitwirkung v. Assessor Dr.
Georg Banasch verfaßt. Berlin: C. Heymann 1924. (VI, 74 S.)
80 Gm. 2.40.

Die Erhebung der Kirchensteuer ist in diesem Jahr eine ganz besonders
schwierige Sache. So ist die Zusammenstellung der rechtlichen
Grundlagen, die gründliche Erörterung des einzuschlagenden
Verfahrens und die Darbietung praktischer Muster, die den Kirchengemeinden
die Arbeit sehr leicht macht, dankbarst zu begrüßen. Zugrunde
gelegt sind vor allem die Verhältnisse in der preußischen
Landeskirche der älteren Provinzen, doch können auch die übrigen
preußischen Landeskirchen, ja sogar die katholischen und jüdischen
Gemeinden in Preußen das Heft mit großem Vorteil benutzen. Der
Abdruck wichtiger für das ganze Reich geltenden Aktenstücke wird
auch außerpreußischen Landeskirchen willkommen sein.

Breslau. M. Sch ian.

Die nächste Nummer der ThLZ erseheint am 9. August 1924.
Beiliegend Nr. 15 des Bibliographischen Beiblattes.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Nikolausberger Weg 31.
Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.