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Ausgabe:

1924 Nr. 15

Spalte:

333-334

Autor/Hrsg.:

Walz, Johann Baptist

Titel/Untertitel:

Die Sichtbarkeit der Kirche. Ein Beitrag zur Grundfrage des Katholizismus 1924

Rezensent:

Schmidt, Kurt Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 15.

334

rungen verdienen um so mehr Aufmerksamkeit, als sie
sichtlich bestimmt sind, den Herbartschen Formalstufen
ein Ende zu bereiten; sie können für die Praxis recht
bedeutsam werden. Ich kann mich freilich dem Eindruck
nicht verschließen, als ob der Gegensatz zum Intellektualismus
allzu stark ausgearbeitet, das Wert- und Willensmoment
allzu scharf betont wurde. Bleibt der RU.
dabei noch Unterricht? Aber ich verkenne nicht,
daß Pf.'s Sätze eine Korrektur des üblichen Verfahrens
einleiten können, die dessen Einseitigkeiten überwindet.
— Daß die Psychotherapie einmal daraufhin angesehen
wurde, was sie für den RU. austrägt, war notwendig.
D i e 11 r i c h erörtert dabei vier Methoden: die suggestive
, die persuasive, die voluntative, die psychanalytische
. Alle vier sucht er in gewissen Grenzen für den
RU. fruchtbar zu machen. Dabei mag man wohl hier
und da geneigt sein, ein "Fragezeichen zu machen; im
Allgemeinen aber muß man sich über die nüchterne Art
freuen, in der D. diese Dinge bespricht. Das gilt auch
von seiner knappen Erörterung der psychanalytischen
Methode, die Einseitigkeiten und Entgleisungen der
begeisterten Psychanalytiker zurechtrückt. Wenn er dabei
besonders die Privatbeichte empfiehlt, so wird nicht
deutlich, wieso sie zur Methodik des Religionsunterrichts
gehört. Zur Erziehung: natürlich, aber zum
Unterricht?

Die Sammlung, zu der diese Schriften gehören,
füllt, weil sie in der pädagogischen Literatur klar die
evangelischen Gesichtspunkte vertritt, eine Lücke aus
und ist, obschon selbstverständlich nicht alle Beiträge
von gleichem Wert sind, zu begrüßen.
Breslau. M- Schi an.

Walz, Priester Dr. theol. Johann Baptist: Die Sichtbarkeit der Kirche.

Ein Beitrag; zur Grundfrage des Katholizismus. Würzburg: St.
Rita-Verlag 1924. (XXII, 375 S.) gr. 8°. Gm. 4.50.

Es ist das bekannte katholische Dogma, das der
Verfasser in dieser Arbeit, einer Würzburger Dissertation
von 1922, uns vorführt. Er behandelt im ersten
Teil die Begriffe: Materielle und formelle Sichtbarkeit
, sichtbare und unsichtbare Kirche, das sichtbare
und unsichtbare Element in den Definitionen von
„Kirche". Merkwürdigerweise finden wir auch einen
„geschichtlichen Überblick über die Lehre von der
Sichtbarkeit der Kirche" unter der Überschrift „Die
Begriffe". Der zweite Teil bringt die dogmatischen
Beweise, zunächst die Sichtbarkeit der
Kirche in ihrer Vorbereitung im Alten Bund und ihre
Grundlegung durch Christus. Dann wird nacheinander
behandelt die Sichtbarkeit in der Verfassung (Hirtenamt,
Lehramt, Priesteramt), das sichtbare Oberhaupt, die
Sichtbarkeit in den Gliedern. Die Beweise werden in
jedem Falle der Schrift und der Tradition entnommen.
In einem II. Abschnitt dieses Teils wird die Sichtbarkeit
der Kirche in ihren Merkmalen (Einheit, Apostolizität,
Heiligkeit und Katholizität), sowie ihre stete Fortdauer
und Heilsnotwendigkeit dargelegt. Ein III. Abschnitt
bringt kurze grundsätzliche Erwägungen. Den Schluß
bildet ein dritter Teil, in dem die Anschauungen
der Gegner besprochen werden. Dabei fällt die
Ruhe und Sachlichkeit des Tones, mit dem dies geschieht
, sehr angenehm auf.

Zu dem Buch Stellung zu nehmen ist schwer. Da
es nur eine breite Darstellung der auch vorher schon
bekannten katholischen Anschauung enthält, ist grundsätzlich
nichts Neues daraus zu lernen. Auch ließen
sich meines Erachtens gegen die Stichhaltigkeit der
einzelnen Schrift- und Traditionsbeweise so viele historische
Bedenken geltend machen, daß es zwecklos ist,
Einzelnes besonders herauszuheben. — Der Wert des
Buches liegt in der Stoffsammlung. Die Literatur ist
sehr fleißig herangezogen. Der Aufsatz von Katten-
busch z. B. über den „Quellort der Kirchenidee" in der
Festgahe für Harnack ist schon benutzt. So wird man
annehmen können, daß alles, was von katholischer Seite

augenblicklich zu dem Thema „Sichtbarkeit der Kirche"
zu sagen ist, hier zusammengetragen ist. — Vermißt
habe ich den Aufsatz von Karl Holl: Der Kirchenbegriff
des Paulus in seinem Verhältnis zu dem der
Urgemeinde (Sitzungsber. d. Preuß. Akademie d.
Wissenschaften 1921), aber vielleicht war er dem Verfasser
ja nicht zugänglich. Dagegen durfte R.
Sohm's Abhandlung für Wach: „Das Decretum Graham
und das altkatholische Kirchenrecht" nicht übersehen
werden. Der Verfasser hätte zudem durch den
2. Band des „Kirchenrechts", den er in seiner Literaturübersicht
schon nennt (allerdings mit falscher Jahreszahl
!) darauf aufmerksam werden müssen. Und an
Sohms darin ausgesprochenen Theorie von der Aende-
rung des katholischen Kirchenbegriffs um die
Mitte des 12. Jahrhunderts konnte er nicht gut vorübergehen
, wenn er sie kannte.

Sehr störend wirken die zahlreichen und groben Druckfehler. Das
Verzeichnis S. XXI f. ließe sich leicht verdoppeln.
Göttingen. Kurt Dietrich Schmidt.

Linderholm, Prof. Dr. Emanuel: Neues Evangelienbuch.

Gebete und Bibellcsungen f. d. öffentl. Gottesdienst, Schul- und
Einzelandacht. Deutsch v. Th. Reissinger. Mit Geleitw. von
Rudolf Otto. Gotha: F. A. Perthes 1924. (XXIX, 112 S.) kl. 8°.

Gm. 4—.

Das Buch, von dem ich in Th. L. Z. 1923 Nr.
10/11 einen Begriff zu geben suchte, wozu ich hier
nur Ergänzungen liefere, liegt nun in durch Rudolf
Otto veranlaßter und bereicherter Ausgabe deutsch
vor. Es ist dünn geworden: zur Raumersparnis sind die
Texte nur „durch Stellenangabe dargeboten", wo nicht
etwa aus getrennten Bibelstcllen ein neues Ganze zusammengewoben
ist. Das Stellenregister des Originals
ist weggelassen.

Die Einseitigkeit des in den Kollekten gebotenen
Gebetstoffs ist auch dem Übersetzer nicht entgangen:
„Warum es mir als ein besonderes Bedürfnis erschien,
gerade zur Kollekte des Osterfestes noch ein Parallelformular
im Anhang beizufügen, wird unschwer zu erraten
sein" (XXVI).

An Ubersetzungen herumzubessern, liegt nah, wenn man lange
Zeit mit einem Urtext umging und ihn dann verdeutscht wiederfindet.
Was sich anmerken ließe, durchlauft die reiche Skala vom Versehen
bis zur bloßen, anders gewünschten, Abschattung. Da Linderholm
sich ernstlich mühte, seine Gebetsgedanken von heute in altvertrautes
Gewand zu kleiden, setzt eine Verdeutschung Vorkenntnisse voraus, die
über das rein Sprachliche hinausgehn. So ist vielleicht im Char-
freitagsgebet die wörtliche Schlußanspielung auf E. G. Geijers
Lied über Joh. 19, 17 („Und er trug sein Kreuz", Schwed. Gesangbuch
89), att ,,intcl finns, som icke Vinns av kärlekcn som Uder"
nicht gesehn; und doch muß dies Zitat stärkste Gefühle völlig eindeutig
vorausbestimmbarer Art beim schwed. Mitbeter wecken: hier
| stehn wir an den Grenzen der Übersetzbarkeit, die Ref. aus eigner
| schmerzlicher Erfahrung und manchem Bemühn um Erstreckung der
I einmal gezogenen Schranken willig anerkennt.

Ferner sind als Erweiterungen des Originals respon-
j sorisch gegliederte Hauptgebete zu den großen Festen
j beigefügt, sodann Formulare für einen „Arbeits-Dank-
: tag" wie für einen „nationalen Feiertag", ersterc zum
Teil nach dem von Bischof William Temple von Manchester
bevorworteten Abänderungsvorschlag zum
Common Praycr (dem „grauen Buch"). Endlich finden
sich Winke, den reichen Lesungsstoff dazu auszunutzen,
den stark zu vermehrenden Wochengottesdiensten zur
Einheit des de tempore Gedankens mit dem Sonntag zu
verhelfen. Hinter diesen Beigaben zumal steht der rastlose
liturgische Belebungswille R. Ottos, der sich erstmals
ein breites Strombett in die Gemeinden hinein
sucht. Sein, aus Th. Bl. 1923,6 bekanntes, Geleitwort
schmückt denn auch den Band.

Die reichen, fein aufeinander abgetönten Texte stimmen zu rückhaltlosem
Dank; ich hätte sie in gleicher Vollständigkeit gerade auch
für die großen Feiertage begrüßt, wo statt dessen schon L. „freien
Predigttexten" Raum ließ ( als wäre nicht schon das ganze Buch
„frei". Auch vor den Gebeten und Beilagen empfinde ich dankbar,
daß unsrer Pfarrerwelt starke Anregung dargereicht ist. Sie wird
sicherlich auf dem Weg zum Altar innerlich umgesetzt werden
müssen. Denn gerade der, den nicht Pflichtformularc binden, wird