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Ausgabe: | 1924 Nr. 15 |
Spalte: | 329-330 |
Autor/Hrsg.: | Louis, Peter |
Titel/Untertitel: | Katholische Missionskunde 1924 |
Rezensent: | Schian, Martin |
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329
Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 15.
330
Vertreibung der Deutschen von ihren Arbeitsfeldern, j
Daneben sind gewisse Wandlungen des öffentlichen |
Lebens in Indien, vor allem die nationalen Bestrebungen
dargestellt; auch die katholische Mission wird kurz
skizziert.
Die Hauptmasse des Textes ist unverändert aus der
Erstauflage übernommen. Ich darf mich deshalb darauf
beschränken, die Veränderungen zu würdigen. Da muß
zunächst betont werden, daß das Buch durch den Wegfall
der Bilder, mit denen die Erstauflage ausgestattet
war, gewonnen hat. Die Auswahl von Bildschmuck für
ein 'historisches Werk setzt, soll sie wirklich das Verständnis
fördern, ganz andere Hilfsmittel voraus, als sie
zur Zeit der Missionswissenschaft zu Gebote stehen.
Der ausgesparte Platz ist durch die erwähnte Textvermehrung
besser benützt. Denn es ist um der Sache
wie um des Lesers willen sehr zu begrüßen, daß die
deutsche Mission und ihr tragisches Ende eine so ausführliche
Darstellung finden. Damit wird einerseits die
indische Missionsgeschichte bis zu einem wichtigen Einschnitt
hin geschildert, andererseits eine übersichtliche,
gerade in ihrer Absichtslosigkeit umso wirksamere Verteidigung
der mißhandelten deutschen Mission geliefert.
Möge sie auch über unsere Grenzen hinaus ein williges
Gehör finden!
Als Wünsche für eine weitere Vervollkommnung
des Buches möchte ich allerdings zwei Änderungen vorschlagen
. Einmal eine bessere Disposition des deutschen
Abschnitts, der sich jetzt im Text anders als im
Inhaltsverzeichnis darstellt. Es müßte so heißen:
Deutsche Missionsarbeit in Indien (283—339), nämlich
a) Die einzelnen Gesellschaften (283—331); b) Der
Krieg (331—339). Ferner verdient das VII. Kapitel
„Der Kampf der Geister" eine neue Bearbeitung. Außer
der dankenswerten Zugabe über T a g o r e ist das Kap.
geblieben, wie es schon in der Erstauflage stand. Da
vermißt man heute nicht nur den Sadhu Sundar
S i n g h , man erwartet auch eine stärkere religiöse Würdigung
Gandhis (der jetzt auf S. 267 ff. nur nationalpolitisch
aufgefaßt wird, wogegen Romain R o 11 a n d s
packendes Gandhibild anzurufen wäre). Ja, man darf
dem ganzen Abschnitt eine völlige Neugestaltung wünschen
derart, daß der Leser beim Abschied von diesem
Buche einen tieferen Eindruck von dem wirklichen
Kampf der wirklichen „Geister" Indiens mitnimmt. Dafür
, wie starken Anteil an diesem Kampfe die evangelische
Mission als eine geistige Großmacht hat, für das
Hauptthema also, wird auch in seiner jetzigen Fassung
Richters Buch auf lange hinaus das Standard work
bleiben.
Gießen. Heinrich Fr ich.
Louis, nr. Peter: Katholische Missionskunde. Ein Studienbuch
zur Einführung in das Missionswerk der katholischen Kirche.
Aachen: Xaveriusverlagsbuchhandlung 1024. (VII, 239 S.) 8". =
Abhandlungen aus Missionskunde und Missionsgcschichtc, 41. Heft.
Gm. 2.40; geb. 3.30.
Die katholische Seite besitzt bereits mehrere Werke
zur Missionskunde (J. Schmidlin, B. Arens); daß sie nun
in Louis' Buch auch eine kurze, billige Einführung
erhält, darf sie stolz machen. Es enthält alles, was zur
Sache gehört: eine knappe Darstellung der Missionsgeschichte
, die nach der Gegenwart hin genauer wird,
theoretische Erörterungen zur Missionslehre (Mission
und Missionar, Trager und Leiter, Methode, Ziel), alphabetischen
Schriftennachweis, Zeittafeln u. a. Die
Missionsmethode ist auffallend kurz behandelt (S. 214
Di? 218); man darf dieses Stück glatt als nicht ausreichend
bezeichnen. Auch das über das Missionsziel
Gesagte (S. 218f.) befriedigt nicht; die Bemerkungen
über die protestantische Methode, die „an vielen Stellen
ganz auf soziale, wirtschaftliche und kulturelle Betätigung
eingestellt" sei, während die gründliche religiöse
Belehrung vielfach ausbleibe, „da man mit der kulturellen
Hebung schon ein Hauptziel der Mission erreicht
zu haben glaubt", sind ganz schief und völlig ungerecht
. In der Missionsgeschichte, zumal in der der
apostolischen Zeit finden sich Wendungen, die uns als
naiv anmuten; die katholische Auffassung tritt mit der
wirklichen Geschichte gar zu kraß in Widerspruch. Die
evangelische Mission wird nur kurz erwähnt, S. 78 mit
einer gar nicht kleinen Anerkennung. Das Register ist
leider sehr lückenhaft und ungenau; für Einzelnachweise
ist der Raum hier zu knapp. Irrtümlich ist S. 117
die Aufhebung des Restes des Jesuitengesetzes ins letzte
Kriegsjahr verlegt. Im Ganzen: ein übersichtliches und
brauchbares Buch, das freilich mancher Verbesserung
fähig wäre.
Breslau. M. Schi an.
Immanuel Kant. Festschrift zur zweiten Jahrhundertfeier seines
Geburtstages. Hrsg. v. d. Albertus-Universität in Königsberg, mit
einer Silhouette v. Prof. Heinrich Wolf f. Leipzig: Dieterichsche
Verlagsbchh. 1924. (III, 270 S.) 4°. Gin. 10-; geb. 12-.
Inhalt. 1) A. Ooedeckcmeyer, Kant u. die geistige Lage der Gegenwart
. S. 1. — 2) E. Bichel, Inlocalitas. Zur neupythagoreisehen Metaphysik.
S. 17. - 3) W. Eitel, Ein Dokument zur Behandlung mineralogischer
Gegenstände in Kants Vorlesungen über die physische Geographie. S. 27. —
4) H. Hcimsocth, PersönlichkeitsbewulStsein und Ding an sich in der
Kantischen Philosophie. S. 41. — 5) A. Kowalewski, Die verschiedenen
Arbeitsformen der Philosophie und ihre Bewertung bei Kant. S. 81. —
6) E. Meyer, Kant u. d. Okkultismus. S. 115. - 7) H. Rust, Kant u. Calvin.
S. 129. — 8) W. Sauer, Neue Horizonte der Copernikanischen Wendung.
S. 151. — 9) F. E. Otto Schulze, Über die Bedeutung der psychologischen
Grundbegriffe in Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. S. 177. —
10) Martin Schulze, Das „radikale Böse" u. d. Wiedergeburt. S. 203. -
11) R. Unger, „Der bestirnte Himmel über mir." Zur geistesgeschicht-
lichen Deutung des Kantworts. S. 239.
Im allgemeinen ist diese Festschrift eine Enttäuschung
. Sie enthält neben dem unvermeidlichen
Mittelgut sogar Aufsätze, die als einfach minder-
vm rüg gelten müssen. (Nr. 6 u. 7 vor allem.) Ich
hebe im folgenden nur die heraus, aus denen wissenschaftlich
etwas zu lernen ist.
Am lehrreichsten und wirklich schön ist Nr. 11.
Utiger führt das Thema seines Herder, Novalis und
Kleist (s. m. Bespr. Th. L. Z. 1924 Sp. 138 f.) fort. Er
hat zu diesem Buche schon eine Ergänzung gefügt („Zur
Geschichte des Palingenesiegedankens im 18. fahrh."
Deutsche Vierteljschr. f. Lit. Wiss. u. Geist Gesch. II, 2, S. 257
bis 74); der hier anzuzeigende Kantaufsatz ist die zweite.
U. zeigt, wie Kant 1755 eine Verknüpfung von Unsterblichkeit
und Sternenhimmel sich gedacht habe, und
stellt diese Verknüpfung in die Zusammenhänge der
Aufklärungsphilosophie hinein. Er trägt dann sämtliche
Stellen aus Kant zusammen, die ein Fortspinnen des
Themas in der einen oder andern Richtung enthalten.
Das Ergebnis ist, daß sich Kant die feste Verbindung
zwischen Unsterblichkeit und Sternenhimmel gelöst habe
, und ihm nur die in dem bekannten Wort vom gestirnten
Himmel über mir von ihm ausgedrückte im
Ästhetisch - Erhabenen liegende Beziehung zwischen
Sternenwelt und Sittengesetz übergeblieben sei. Darin
sieht U. eine Hinüberwandlung der Weltbetrachtung
vom Transzendent - Metaphysischen zum Innermenschlich
-Ethischen vollzogen, die dann dem Idealismus und
der Romantik ihre Tiefe gibt, obwohl sie sie nicht
rein festzuhalten vermochten.
Für Fichte darf ich U. wohl auf meinen Aufsatz Zeitschr. f. Phil,
u. phil. Krit. Bd. 163. S. 17 ff. hinweisen.
Heimsoeth in Nr. 4 hat sich ein schwieriges und
wichtiges Thema gewählt. Er legt eine Vorstudie zu
einer Darstellung von Kant's metaphysischem Weltbilde
vor. Und zwar greift er gleich die entscheidende Frage
heraus: welches ist der metaphysische Kern von Kants
Persönlichkeitsbewußtsein? wie ist das Verhältnis von
synthetischer Einheit der Apperzeption und individuellem
Ich nach Kant zu denken? Gelöst hat H. das
Problem, das mit dem rätselhaften intelligiblen Charakter
zusammenhängt, noch nicht. Aber eine sehr lebendige
Anregung ist von ihm gegeben.