Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1924

Spalte:

294-295

Autor/Hrsg.:

Mötefindt, Hugo

Titel/Untertitel:

Zur Geschichte der Barttracht im alten Orient 1924

Rezensent:

Gressmann, Hugo

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

293

294

und Entlehnungshypothesen mit gutem Recht zu begründen
sucht.

Auch wo G. dazu übergeht, die religiösen Gestaltungen
der Feudalzeit aus denen der noch einheitlichen
bäuerlichen Gesellschaft abzuleiten, müssen nach
dem Stand der Quellen gerade die Mittelglieder meist
rekonstruiert werden. Die Korrespondenz, die G. da
zwischen der religiösen Wandlung und der politisch
sozialen zieht, erscheint zuweilen vielleicht etwas schematisch
, und ein Fragezeichen darf wohl hinter die Behauptung
gesetzt werden, daß alle auf den bäuerlichen
Urzustand folgende Religion nur eine Entleerung und
Abstraktion darstelle; fällt doch auch die auf den
Himmel gerichtete Anschauung für G. unter dieses Urteil
. Wie hinter dem ei sten Kapitel des Werkes am meisten
die eigene Forschung des Verfassers dahinter steht, so
hinter dem letzten über das religiöse Empfinden der
Chinesen in der Gegenwart eigne Anschauung und
Erlebnisse. Alle seine hierauf bezüglichen Beobachtungen
sind sicher zutreffend; es fragt sich nur, ob sie
ganz vollständig sind, und ob in der Tiefe nicht doch
noch andere und starke religiöse Strömungen zu spüren
sind als die von ihm beobachteten.

Auf das Ganze gesehen scheint mir G.'s anziehend geschriebene Darstellung
, der hoffentlich noch manche Kinzeluntcrsuchungen in der Art
seines Meisters Ed. Chavannes folgen werden, trotz ihres vielfach hypothetischen
Charakters einen Gewinn für das Verständnis der chinesischen Religion
zu bedeuten. Sie beruht ohne Zweifel auf eigener Kenntnis der Quellen
und weist nicht nur auf neue Tatbestände hin, sondern lälit auch das Bekannte
in vielfach ganz neuem Licht und in organischer Verbindung
mit den das Gesamtleben beherrschenden Strömungen erscheinen.
Doch setzt sie schon einige Kenntnisse der chinesischen Geschichte
voraus. Drum möchte ich gerade an dieser Stelle nicht versäumen,
auch auf das nach Granet erschienene Werk von A. Krause „Ju-
Tao-Fo, die religiösen und philosophischen Systeme Ostasiens" als
auf einen Führer durch das verschlungene Gebilde der Religion der
Chinesen empfehlend hinzuweisen.

Berlin-Friedenau. W. Schüler.

Deila Vi da, Giorgio Levi: Storia e Religione nell' Oriente

semitico. Rom: Libreria di Scienze e Fettere del Dott. G. Bardi
1024. (VIII, 157 S.) 8°. — Biblioteca di Scienze e Filosofia Nr.2.

L. 11—.

Der Inhalt ist beschränkter, als der Titel vermuten
läßt. Die 8 Kapitel behandeln folgende Themata: Der
Grient und wir; zur Charakteristik der Semiten; heilige
und profane Geschichte Israels; die Entwicklung der
Gottesvorstellung im alten Israel; Judentum und Christentum
; der religiöse und kulturelle Wert des Islams;
neuere Forschungen über Muhammcd und über die Ursprünge
des Islams; Panislamismus und Khalifat. Der
Verfasser beherrscht die wissenschaftlichen Probleme
und die Literatur in erstaunlichem Umfange; auch die
deutsche Forschung ist ihm gut bekannt. Die Darstellung
der israelitischen Religionsgeschichte, der man
in allem Wesentlichen zustimmen wird, ist sehr fesselnd,
besonders durch die eingestreuten politischen Betrachtungen
, die an Lehmann-Haupt orientiert sind, und
durch die Bemerkungen über die Politik der Propheten
(S. 53 f.), die sich ungefähr mit dem Standpunkt von
Tröltsch decken; freilich wird nicht dieser genannt, sondern
(der mir unbekannte) Salvatorelli, der die verneinende
, geradezu „nihilistische" Stellung der Propheten
zum Staat und zur äußeren Politik gegen die
(zweifellos falsche) Auffassung Wellhausens besonders
wirksam vertreten haben soll. Da der Verf. ein anerkannter
Forscher auf dem Gebiet des Islams ist, wird
man seinen geistreichen Ausführungen und klugen Urteilen
auch hier gern Gehör schenken und dankbar von
ihm lernen.

Bcrlin-SchlaChtcnscc Hugo Grcßmann.

Nilsson, pr0f. Martin P.: Primitive Time-Reckoning. A study
in the origins and first dcvelopmcnt of the art of counting time
among the primitive and early culture peoples. Lund: C. W. K.
Olecrup 1920. (XIII, 384 S.) "gr. 8°. Skrifter ntgivna av Hu-
manistiska vetenskap ssanifnndeti Lund. I.

Dieses mir erst kürzlich zur Anzeige zugegangene
Werk, das einen spröden Stoff meistert und in leicht

lesbarer Form zugänglich macht, enthält eine umfassende
Sammlung und Verarbeitung ethnologischen
Materials aus den kulturlosen Völkern und den ältesten
Zeiten der geschichtlichen Völker. Besser als aus einem
kurzen Überblick über die Ergebnisse, die am Schluß
zusammengefaßt werden, erkennt man die Art und den
ungefähren Umfang des behandelten Themas an den
Überschriften der einzelnen Kapitel: Der Tag, die
Jahreszeiten, das Jahr, die Sterne, die Monate, die altsemitischen
Monate (bei den Babyloniern, Israeliten und
vormohammedanischen Arabern), die Kalender-Regulierung
(durch Schalttage und Jahresanfang), die volkstümlichen
Monate der europäischen Völker, Solstitien
und Äquinoktien, künstliche Zeitperioden und Feste, die
Kalender-Macher und Schluß (Zusammenfassung und
Griechische Zeitrechnung). Neben den ägyptischen,
babylonischen und arabischen Beispielen werden auch
die hebräischen vielfach herangezogen und erläutert;
auch ohne ausdrückliche Zitate und Hinweise wird der
Kenner des Alten Testamentes dankbar sein für die
| Fülle von Gegenstücken, die ihrn hier in der semitischen
Welt und anderswo begegnen. Wer die primitive Zeitrechnung
der Israeliten, von der wir nur dürftige Kunde
haben, im Zusammenhang der menschheitlichen Entwicklung
verstehen will, muß zu diesem Buche greifen,
j das die Haupttatsachen klar heraushebt und ohne phan-
! tastische Hypothesen auf Grund des ethnologischen
i Stoffes die einleuchtende Erklärung bietet.

Abgesehen von den Monatsnamen und den Mondfesten
am Neumond und Vollmond sind die Ausführungen
über den Sabbath (S. 329 ff.) besonders wichtig,
weil hier eine neue These über seinen Ursprung vertreten
wird. Der Zusammenhang mit dem babylonischen
Vollmondstag wird ebenso abgelehnt wie der
mit den babylonischen Siebenertagen. Statt dessen wird
der Sabbath mit den überall in der Welt verbreiteten
! Marktwochen in Verbindung gebracht; die Markttage
sind zugleich Ruhetage und, wie in Westafrika, mit
allerlei Tabus belegt. So einleuchtend die Gegengründe
gegen die bisher übliche Anschauung sind und so sehr
die Parallelen, etwa die römischen nundinae, für die
neue Auffassung sprechen, bleibt doch eine große
Schwierigkeit bestehen, die N. nicht genügend betont
hat. Er hält es für möglich, daß wenigstens in kleineren
Verhältnissen der Sabbath vor dem Exil der eigentliche
Markttag gewesen sei und daß man schon damals versucht
, aber erst nach dem Exil erreicht habe, auch den
Handel am Sabbath auszuschalten und ihn zu einem
j völligen Ruhetag zu machen. Indessen setzt doch Arnos
j 8, 5 voraus, daß sogar die Wucherer ihr Geschäft am
Sabbath schließen und mit Ungeduld sein Ende er-
I warten, um weiter wuchern zu können. Der Sabbath war
demnach in der Zeit des Arnos kein Markttag. Vielleicht
war er es nicht mehr; denn wenn die These N.s
I haltbar sein soll, wird man sie wohl etwas modifizieren
I müssen und annehmen, daß der Sabbath nicht der Markt-
| tag der Israeliten, sondern der Amoriter (oder Kana-
: aniter) war: Im Gegensatz gegen die Landeseinwohner
und ihre Sitten haben die Einwandernden Israeliten die
Siebenertage und die Enthaltung von der Arbeit zwar
entlehnt, aber zugleich haben sie sie ihrem Gotte Jahve
geweiht und den (kanaanitischen) Handel verboten.
• Wie so oft in der Religionsgeschichte würde dann auch
hier ein Brauch zugleich bekämpft und angeeignet
worden sein; unter dieser Voraussetzung ließe sich die
Geschichte des Sabbaths in Israel gut verstehen.
Bcrlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.

Mötefindt, Dr. Hugo: Zur Geschichte der Barttracht im
alten Orient. Leipzig: Dieterich'sehe Verlbh. 1923. (IV, 64 S.)
gr. 8°. Gm. 1.20.

In mühseliger Einzelforschung ist es dem Verf.
gelungen, zu interessanten Ergebnissen zu gelangen und
ein umfassendes Bild von der Geschichte der Barttracht
im vorderen Orient zu entwerfen. Er unterscheidet fünf