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Ausgabe:

1924

Spalte:

285

Autor/Hrsg.:

Kerschensteiner, Georg

Titel/Untertitel:

Charakterbegriff und Charaktererziehung. 3., verb. Aufl 1924

Rezensent:

Niebergall, Friedrich

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286

Reflexionen ausgeweitete Untersuchung in eine wirklich
phänomenologische Forschung umgebildet werden.
Bremen. _ Bruno Jordan.

Kerschensteiner, Georg: Charakterbegriff und Charaktererziehung
. 3., verb. Aufl. Leipzig: B. G. Teubner 1923. (XII,
288 S.) kl. 8°. Gm- 3—; geb. 4—.

Das Buch ist wesentlich dasselbe geblieben. Ausführliche Untersuchungen
über die Begriffe Charakter, Persönlichkeit, Individualität,
ober Temperament, Begabung und die geistige Charakteranlage tragen
die Lehre vom Wesen der Erziehung zum Charakter in Familie,
Schule und eigner Arbeit. Nicht neu eingetragen, aber sehr verstärkt
erscheint der Beitrag der Wertphilosophie und Wertpsychologie zum
Verständnis der Aufgabe. Dem emotionalen Seelenleben, besonders
den Wertgefühlen ist mehr als früher Rechnung getragen. Hier sollte
weiter gearbeitet werden. Die Hauptfrage müßte heißen: sind Wertschätzungen
übertragbar, und wenn, auf welche Weise? Vielleicht
wird eine spätere Auflage auf diese Kernfrage eingehen.

Marburg. F- Nie bergall.

Grützmacher, Prof. D. R. H.: Textbuch zur systematischen
Theologie und ihrer Geschichte im 16., 17., 19. u. 20. Jahrh.

2., durchgearb. u. verm. Aufl. Leipzig: A. Deichert 1923. (VIII,
206 S.) gr. 8°. = Sammlung Theologischer Lehrbücher.

Das Buch, das seinerzeit in Nr. 12 der Theologischen
Literaturzeitung (Jahrgang 1921) besprochen
worden ist, erscheint hier in zweiter Auflage. Es bietet
bekanntlich ausgewählte Texte aus der systematischen
theologischen Literatur des Protestantismus dar. Zwischen
die einzelnen Zitate sind je und je verbindende Erläuterungen
eingeflochten, die den Zusammenhang herstellen
und das Verständnis erleichtern sollen. Von dem
Umfang des herangezogenen Materials mögen die Überschriften
der einzelnen Paragraphen eine Vorstellung
geben: 1) Der dogmatische und ethische Oehalt der
lutherischen Bekenntnisschriften — dieser Abschnitt ist
neu aufgenommen; 2) Die altlutherische Theologie;
3) Schleiermacher; 4) Hegel und die von ihm beeinflußte
Theologie und Religionsphilosophie; 5) R. Rothe; 6)
Schelling; 7) Die Erlanger lutherische Theologie; 8)
Konfessionell-lutherische Theologie (Kliefoth, Philippi,
Vilmar, Stahl); 9) Positive Vermittlungstheologie (J.A.
Dorner, Julius Müller); 10) Biblische Theologie (Beck,
'Cremer, Kähler); 11) Das Wiederaufleben Kants und
der Neukantianismus; 12) Ritsehl und die Ritschlsche
Schule; 13) Neuprotestantische und religionsgeschichtliche
Theologie (H. Lang, Lagarde, Troeltsch, Qunkel,
Bousset, Greßmann); 14) Verschiedene Systematiker der
■Gegenwart.

Es versteht sich von selbst, daß an einer Sammhing
, wie der vorliegenden, eine parteipolitisch orientierte
Kritik mancherlei auszusetzen und zu bemängeln
hätte. Eine objektive, aufs Sachliche gerichtete Beurteilung
wird dagegen nicht unterlassen zunächst anzuerkennen
, daß die an sich nicht ganz leichte Aufgabe
relativ glücklich gelöst worden ist. Einen entschiedenen
™Hschritt gegenüber der ersten Auflage bedeutet es,
daß die herangezogenen philosophischen Werke nicht
in dem Maße wie früher durch Excerpte aus Kuno
Fischer, sondern durch Originalzitate illustriert worden
sind: damit ist mindestens ein Schönheitsfehler auf ein
Minimum reduziert worden. Auch sind die seinerzeit von
der Kritik geäußerten, die Aufnahme einiger weiteren
•systematischen Schriften fordernden, Wünsche zum guten
Teil berücksichtigt worden. Merkwürdig bleibt immerhin
, daß die rationalistische Literatur so gut wie ganz
ausfällt; einige charakteristische Beispiele hätten doch
*ohl Platz gehabt. Ebenso fällt auf, daß unter den
Kitschlianern der vielleicht echteste, dem Meister kongenialste
, Th. Häring völlig außer Acht gelassen worden
ist. Indessen soll hier grundsätzlich auf Einzelheiten
nicht eingegangen werden. Nur e i n Mangel
wenigstens sei noch exempli causa herausgehohen, weil
ihm leicht abzuhelfen wäre. Auf S. 41 heißt es: „Die
Religionen werden (von Schleiermacher) vor allem nach
dem Gesichtspunkt unterschieden, ob sie in bezug auf
die frommen Erregungen das natürliche in den menschlichen
Zuständen dem sittlichen, die anderen (sie!) das
sittliche dem natürlichen unterordnen." Das ist nicht
richtig, trifft für die Gattungen, nicht aber für die Stufen
der Religion zu. Im übrigen soll nichts davon zurückgenommen
werden, daß das Buch als Anregungsmittel
und als Veranschaulichungsmittel nützlich und willkommen
ist.

Gießen. E. W. Mayer (Straßburg).

Feuling, Daniel, O.S.B.: Glaubensgewißheit und Glaubenszweifel
. Drei Vorträge f. Gebildete. Beuron : Verl. cf. Beuroner
Kunstschule 1920. (61 S.) gr. 8°. Gm. —40; geb. —60.

Die drei Vorträge behandeln Ursprung und Grund
der Glaubensgewißheit, Glaubensschwierigkeit und Glaubenszweifel
, vertiefte Glaubenserkenntnis. Obwohl z. T.
nüchtern-lehrhaft, da viele sorgfältige Begriffsunterscheidungen
vorausgesetzt werden, die seit alter Zeit in der
katholischen Dogmatik sich forterben, vermögen sie
doch den nachdenkenden Protestanten zu interessieren.
Sowohl durch eigentümlich Katholisches, wie die Herausarbeitung
der fides divina in ihrer Sonderart; der Katholik
muß sozusagen an seinen Glauben glauben, an das
Göttliche dieses Glaubens, der doch andererseits als
von Verstand und Wille mitbewirkt erscheint. Bezeichnend
für den rationalen Zug der katholischen Apologetik
ist auch, daß die Nöte der Kriegszeit den Glauben nicht
ernstlich bedrohen sollen, da die Glaubwürdigkeit der
göttlichen Offenbarung und des kirchlichen Lehramts
durch sie nicht berührt werden. Nach der anderen Seite
hin interessant ist und jedem ernsten evangelischen
Christen sympathisch sein wird die Art, wie F. nicht
allen Zweifel als unfromm bekämpft. Sondern, ähnlich
wie andere katholische Theologen zu guter Hoffnung
für das ewige Los vieler Nichtkatholiken kommen, indem
sie ihnen in weitem Umfange fides implicita zutrauen,
so unterscheidet F. zwischen den Glaubensakten, die
durch Zweifel unmöglich werden, und der Glaubens-
tugend und Glaubensgnade, die trotzdem bleiben könne.

Kiel. H. Mulert.

d'Herbigny, Michel, S.f.: L'Unite dans le Christ. Rom:
Pontificio Istituto Orientale. (29 S.) gr. 8°. = Orientalia. Series II.
Christiana Num. 1.

Zu den vom päpstlichen Bibelinstitut in Rom seit
1920 unter dem Titel ,Orientalia' veröffentlichten zwanglosen
Heften tritt mit vorliegendem Heft eine ,Christiana'
betitelte zweite Reihe, die von dem jenem Institut angegliederten
orientalischen Institut herausgegeben wird und
die Vereinigung der morgenländischen Kirchen mit der
römischen anbahnen will. Nach einer Bemerkung des
Verf. ist seine Abhandlung durch den Wunsch orthodoxer
Russen veranlaßt worden, den katholischen Gedanken
über eine Wiedervereinigung der Kirchen kennen
zu lernen. Die Hauptsache ist dabei selbstverständlich
der Primat und die Unfehlbarkeit des Papstes und so
werden hier neben den üblichen Schriftstellen etliche
morgenländische Stimmen zu Gunsten jener Lehre aufgeführt
. Wir erfahren dabei auch, daß Jesus die Überzeugung
der Jünger, daß einer von ihnen ,der erste' und
,der größte' werden sollte, keineswegs durch die Erklärung
, daß alle gleich bleiben würden, ein für allemal
zurückgewiesen habe und daß Paulus bei der Versicherung
seiner völligen Unabhängigkeit von den Zwölfen
allein den Petrus ausnehme. Wenn der Verf. den Heidenapostel
dem hl. Petrus zu Antiochien einen Mangel an
,orthopedie' vorwerfen läßt, so entspricht das doch nicht
so genau dem griechischen Wortlaut, wie er meint, da
hier ja von oo^njcndulv die Rede ist (Gal. 2, 14).
München. Hugo Koch.

Cathrein, Viktor, S. J.: Katholik und katholische Kirche.

Freiburg: Herder & Co. 1922. (364S.) 8°. Gm. 5—; geb. 6.20.

Die Haltung des Buchs ist die gleiche wie die des
ThLZ 1923 Sp. 10 besprochenen Werkes von C: Die
katholische Weltanschauung, als dessen Fortsetzung sich