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Ausgabe:

1924 Nr. 13

Spalte:

271-272

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf v.

Titel/Untertitel:

Die älteste uns im Wortlaut bekannte dogmatische Erklärung eines römischen Bischofs 1924

Rezensent:

Koch, Hugo

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271

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 13.

272

Israelit namens Akimelek oder, da diese Form völlig sinnlos und
nirgends bezeugt ist, vielmehr Abimelek. Man wundert sich dann
nicht mehr, wenn man S. 201 die Übersetzung von t. Sam. 21,16
liest: „Der kann nach Hause gehen", obwohl kein Wort davon im
Texte steht; hinterher scheint dem Verf. selbst bange geworden zu sein
(vgl. S. 202), aber daß ha hier nicht Artikel, sondern Fragewort ist,
hat er auch dann noch nicht gemerkt. Der Schlußabschnitt bringt
endlich die Hauptthese des Buches: Jerubbaal aus Ophra ist der
Herrscher der Vorzeit, dessen Wiederkehr Micha erwartet.

Die angeführten Beispiele genügen zur Rechtfertigung
meines Urteils, das ich in aller Schärfe formulieren
muß, weil der Verf. nicht allein steht, sondern
weil die Fälle sich mehren, die eine Verwahrlosung
unserer alttest. Wissenschaft befürchten lassen: Derartig
zuchtlose Phantasien, die den Text nach Willkür umdichten
und nichts als Vermutungen häufen, die überdies
mit unzureichenden sprachlichen und archäologischen
Kenntnissen arbeiten, verdienen nicht, ernst genommen
zu werden.

Berlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.

Harnack, Adolf v.: Die älteste uns im Wortlaut bekannte
dogmatische Erklärung eines römischen Bischofs. (Zephyrin
bei Hippolyt, Refut IX, 11.) Aus Sitzungsberichte d. preuß.
Akad. d. Wiss. Philos.-histor. Kl. 1023, 7. Berlin: W. de Gruyter
& Co. in Komm. (1923). (S. 51—57.) 4°.

Ders.: Der erste deutsche Papst (Bonifatius 11. 530/32) und die
beiden letzten Dekrete des römischen Senats. Aus Sitzungsberichte
d. preuß. Akad. d. Wiss. Philos.-histor. Kl. 1924, 5. Ebd.
(1924). (S. 24—42.) 4°. Gm. —60.

1. Der römische Bischof Zephyrin erklärt nach
dem Berichte Hippolyts: eyw olda eva Xqlotov 'irjaovv, x«t
rclrjv aviov eregov ovdt'va, ytvvrjr.or /.<<) na&rjtov. v. H.,
der in seiner Dogmengeschichte 1 1 (1909) 748 diesen
Satz als Vermittlung zwischen Modalismus und Hypo-
stasenchristologie verstanden hatte, faßt ihn jetzt im
Sinne eines äußersten Modalismus, der nicht nur die
Pneuma- und die Logosspekulation, sondern auch die
Sohnesspekulation ausschließt und sich in der Gottesfrage
ganz auf den geschichtlichen Christus beschränkt
und so den in der römischen Gemeinde zwischen den
modalistischen Lehrern (Kleomenes und Sabellius) und
dem Logoslehrer Hippolyt herrschenden Streit durch
ein Zurückgehen hinter die Streitfrage zu schlichten
versucht. Was ihn früher zu einer andern Auffassung
verleitet hatte, ist der Umstand, daß er die im Berichte
Hippolyts nachfolgenden Worte: noxe de leywv oty o
7tairq ani&avev, alld o vläg, ovrwg aitavatov tt)v ardoiv
ev rcp law diexrjQ^aev auf Zephyrin bezog, während sie,
wie schon Döllinger richtig erkannt hat, offenbar wieder
auf Kallist gehen, der das Subjekt des ganzen Abschnittes
ist. Seine Ausführungen — auch daß yevvrrtbv
statt yevrjtbv zu lesen ist — sind einleuchtend. M. E.
fordert es schon der Gegensatz der von Kallist selber
,manchmal' getanen Äußerung zu der von ihm (nach
Hippolyt) dem Zephyrin eingegebenen Erklärung, diese
in scharf modalistischem Sinne zu nehmen. Der dvrtQ
mtiavryg y.al dygaiiuarog kennt eben seinen Kultgott
und sonst keinen.

Auf den römischen Ich-Stil bei autoritativen Erklärungen hat
schon Konrad Graf Preysing in der Ztschr. f. kath. Theol. 1917, 595ff.
aufmerksam gemacht. Vgl. meine Schrift .Kallist und Tertullian' 1920.
55 A. 1, die v. H. (nach S. 52 A. 2) nicht zu kennen scheint, und
jetzt Herrn. Dieckmann in der Ztschr. f. kath. Theol. 1924, 2,
314 ff., der Harnacks Deutung natürlich ablehnt. Übrigens erklärt
bekanntlich auch Nestorius im Ich-Stil: y<optf<u jus cpvaen, äXX' 6v<5
tr^ nooaxvvrpiv, und ein andermal: ego unum Christum detinio etc.
(bei Mar. Merc, ed. Schwartz, Concil. Eph. vol. V.l. 1924. p.28,22).
Auch entschuldigt sich bei Cypr. ep. 55, 24 (633, 17 Harte!) der
Libellatiker: ego prius legeram et episcopo tractante cognoveram etc.

2. Der erste deutsche Papst ist nicht, wie meistens
angenommen wird, der von Otto III. erhobene Gregor
V., sondern um fast ein halbes Jahrtausend früher
Bonifatius IL, nach dem Papstbuch .natione Romanus,
ex patre Sigivuldo', also aus romanisierter germanischer
Familie. Er wurde von Felix IV. auf dessen Totenbett
durch ein vom römischen Senat unterstütztes ,praecep-

tum' zu seinem Nachfolger bestimmt und erhielt von
ihm auch sofort das Pallium. Auch er ernannte auf
einer Synode in St. Peter durch ein .constitutum', das
alle Priester beschwören und unterzeichnen mußten, seinen
Nachfolger in der Person des Diakons Vigilius, sah sich
aber unmittelbar darnach gezwungen, diese Ernennung
als ungesetzlich zurückzunehmen. Die Zeitumstände,
Parteiverhältnisse und Beweggründe, denen diese Vorgänge
entsprangen, schildert v. H. in seiner lehrreichen
Untersuchung (mit 10 Beilagen, den Quellentexten).

Im Zusammenhang damit stehen die beiden letzten
Dekrete des römischen Senats, von denen das schon berührte
vorletzte jede Art von Umtrieben für die neue
Papstwahl zu Lebzeiten des Papstes unter schwerste
Strafen stellt, das letzte sich gegen simonistische Wahlbewerbungen
wendet. .Somit schließt die lange Reihe
der Senatuskonsulte und -dekrete nicht unwürdig — so
unwürdig die Anlässe waren — mit den beiden Aktenstücken
ab, in denen der sterbende Senat seine letzte
Sorge der Macht innerhalb der Stadt Rom zuwendet, der
die Zukunft gehört. Aber auch der erste deutsche
Papst, Bonifatius IL, teilte diese Sorge und wurde durch
sie zu den kühnsten Schritten getrieben'.

Von einer .Freiheit der Papst wähl' (S. 33) kann bei der Ernennung
des Nachfolgers durch den regierenden Papst doch nicht
gut die Rede sein. Das ,absolvit totam ecclesiam de invidia perfi-
dorum' will sicher nicht besagen, ,die Kirche habe einer förmlichen
Absolution bedurft, weil sie statt des rechtmäßigen Papstes den
falschen anerkannt habe' (S. 37 A. 1), sondern daß die Kirche damit
von der invidia perfidorum befreit worden sei (vgl. z. B. Apul.
met. I, 10, wo es von einer Hexe, nachdem sie die Stadt in Ruhe,
ließ, heißt: sie illa propitiata totam civitatem absolvit). Zu ,patri
patrum' (S. 38) vgl. meine Schrift .Kallist und Tertullian' 1920, 87
A. 1. Könnte die .maiestas', deren sich der Papst wegen der Ernennung
des Nachfolgers für schuldig bekennt (S. 35), nicht auch die
maiestas Gottes sein, die in der kirchlichen Ordnung zum Ausdruck
kommt?

München. Hugo Koch.

Holl, Karl: Die Entstehung der vier Fastenzeiten in der
griechischen Kirche, Einzelausgabc aus den Abhandlungen der
Preußischen Akademie d. Wissenschaften. Jahrg. 1923. Phil.-Hist.
Klasse Nr. 5. Berlin: W. de Gruyter & Co. in Komm. 1924. (40
S.) 4°. Gm. 1.50.

Der Gegenstand dieser Abhandlung wird manchem
herzlich gleichgültig erscheinen; beim Lesen wird er
staunen ob der Fülle des Gewinns und des Genusses,
die sich ihm bietet. Des Genusses: weil ein spröder
Stoff in Meisterhand zu so lebendiger Darstellung gelangt
, daß er wie ein Dom aussieht, in dem von dem
richtigen Fundament an bis zu den obersten Turmspitzen
jeder Stein am rechten Platze steht. Und
des Gewinnes: weil nicht nur unzählige Einzelfragen
dieser verzwickten Überlieferung befriedigend gelöst
werden, sondern weil Sinn und Ordnung in dem bisherigen
Durcheinander hergestellt ist; man erkennt die
Gesetzmäßigkeit der Entwicklung auf einem Gebiet, wo
bisher Zufall und Willkür zu herrschen schienen, und
weil diese Entwicklung der Fest- und Fastengesetzgebung
mit der Gesamtentwicklung der Kirche in
Abend- und Morgenland unlösbar verbunden wird. Die
Geschichte der Beziehungen zwischen Rom einer-, Jerusalem
, Antiochien, Constantinopel andererseits, des
Kampfes, den Rom um seinen Einfluß auf den Osten
führt, wiederum innerhalb des Orients die Geschichte
des Einflusses von Jerusalem auf Armenien, von By-
zanz auf den weiteren Osten, der Eifersucht zwischen
den syrischen Nebenkirchen und der orthodoxen Großkirche
, auch der zwar stillen, aber doch unverkennbaren
Autorität, die der alte Orient im Westen, in Rom, aber
auch in Britannien genießt, bildet das Gerippe für die
Geschichte der vier Fastenzeiten, die etwa um 1200 zur
Zeit des Theodorus Balsamon abgelaufen ist.

Ein Grundgedanke Holls ist: die vier Fastenzeiten
der griechischen Kirche sind als Vorbereitungen auf die
vier großen Jahresfeste zu verstehen; man schickt den
Festen die Demutserweisung voraus, um „den christ-