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Ausgabe:

1924

Spalte:

261-262

Autor/Hrsg.:

Eucken, Rudolf

Titel/Untertitel:

Erkennen und Leben 1924

Rezensent:

Jordan, Bruno

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 12. 262

:261

das Urteil wesentlich in feindlich ablehnendem Sinne
bestimmt. Oehler führt nun den Nachweis, daß
das ein verhängnisvoller Fehler der englischen Politik
und des englischen Christentums gewesen ist.
Als wichtigste Quelle dient ihm der im EMM 1861—64
von Dr. Ostertag veröffentlichte Bericht des Basler
Missionars Hamberg. Oehlers umsichtige Darstellung
wird sicher zu einer gründlichen Nachprüfung der bisher
geltenden Beurteilung dieser merkwürdigen chinesischchristlichen
Bewegung führen.

Berlin.__J- Richter.

Hartmann, Eduard v.: Kategorienlehre. Hrsg. v. Prof. Dr.
Fritz Kern. 1. Bd.: Die Kategorien der Sinnlichkeit. 2. Bd.: Die
Kategorien d. reflektierenden Denkens. 3. Bd.: Die Kategorien des
spekulativen Denkens. 2. Aufl. Leipzig: Felix Meiner 1Q23. (XX,
220, XVI, 224, XVI, 228 S.) 8°. == Philos. Bibliothek Bd.
72 a—c. je Gm. 3.50; geb. 5—.

Diese Neuherausgabe der Kategorienlehre Hartmanns ersetzt vollständig
die Urauflage v. 1806, da sie deren Seitenzahlen in den Text
eingedruckt trägt. Und sie übertrifft diese Urauflage durch die
wundervoll gewissenhafte Textgestaltung des Herausgebers. Er hat den
Text von 1896 mit der Handschrift noch einmal durchverglichcn
und konnte so zahlreiche sinnstörende Druckfehler richtig stellen,
aulierdem aber eine nicht unerhebliche Reihe von Ergänzungen und
Verbesserungen Hartmanns mitteilen. Anwendung verschiedener Lettern
und ein Variantenapparat ermöglichen genaue Rechenschaft über
•die so entstandenen Abweichungen von der Urauflage. Man hat für
wissenschaftliche Zwecke sich künftig an diesen Neudruck zu halten.
Güttingen. E- Hirsch.

Messer, August: Immanuel Kants Leben und Philosophie.

Mit einem Bildnis. Stuttgart: Strecker cV. Schröder 1924. (VIII,
335 S.) 8°. Gm. 4,50.

Es ist gewiß ein „Vorurteil, Kant verständlicher machen bedeute
ihn verflachen". Allein ist es nicht seltsam, daß fast alle Versuche, ihn
verständlich zu machen, tatsächlich zu einer Verflachung geführt haben?
Woran liegt das? Man lese den gewiß nicht ungeschickten Versuch
Messers, und man wird die Antwort bereit haben. Auch er scheint
zu glauben, man könne jemand nur dann etwas verständlich machen,
wenn man in seine Vorstellungs- und Ausdruckswelt hinabsteigt. In
Wirklichkeit ist aber diese Welt so unbestimmt und unklar, daß man
auf diese Weise nichts gewinnt als daß man den Autor herabzieht
und die Schwierigkeiten nur häuft. Statt das „Leben" Kants in seiner
inneren Entwicklung möglichst klar und durchsichtig zu machen, den
Sinngehalt dieses Wirkens und Denkens zu erfassen und in einfacher,
schlichter Weise davon zu erzählen, kramt der Verfasser allerlei
„Interessantes" über Daten und Einzelheiten aus, die mit dem
Sinngehalt des Lebens grade Kants nicht das mindeste zu tun haben.
Den inneren „Werdegang" aber auch nur in kurzen Strichen zu
zeichnen, hat der Verfasser nicht für nötig befunden. Eine solche
Darstellung befriedigt gewiß die Neugier des alle Einzelheiten wissen
wollenden Durchschnittslesers, ein Bild aber von der bei aller
Schlichtheit doch packenden Großartigkeit dieses Lebensgehaltes
bekommt der Leser nicht. Die Darstellung der Philosophie ist an
sich insofern glücklich, als sie von der Ethik Kants ausgeht. Ohne
Zweifel weiß der Verfasser geschickt die einzelnen Gedankengänge
•einleuchtend zu entwickeln — über die stark psychologisierende Ten-
•denz muß man freilich hinwegsehen — aber im Grunde bekommt der
Leser wiederum nur eine Fülle „interessanter" Einzelbemerkungen zu
wissen, die sich keineswegs zu einem fest verzahnten, geschlossenen
•Gesamtgefüge zusammenordnen. Es ist doch letzten Endes mehr angewandte
, als transzendentale Ethik, was geboten wird. Dasselbe
gilt in noch erhöhtem Maße von den folgenden Abschnitten. Ich
-verkenne gewiß nicht den Wert dieser im einzelnen zweifelsohne
klärenden Darstellung, aber von „Kant und seinem Werk" ist doch
ietzten Endes kaum die Rede, wenn man unter Kant vor allem den
Begründer der transzendentalen Methode und des Kritizismus versteht
. Zum Teil liegt das freilich auch darin begründet, daß der
Verfasser eine „realistische" Interpretation Kants vorzieht, über
•die mit ihm zu streiten unfruchtbar sein würde, wie seine Auseinandersetzung
mit Bauch in den Kantstudien gezeigt hat. Immerhin,
trotz aller grundsätzlichen Bedenken, als ein Versuch, in Kants Schriften
einzuführen, darf das Buch Messers Beachtung beanspruchen,
wenn man nur recht bald von ihm aus eine Lektüre der Werke Kants
selber unternimmt.

Bremen. Bruno Jordan.

Eucken, Rudolf: Erkennen und Leben. Berlin: W. de Oruyter
& Co. 1923. (V, 127 S.) gr. 8°. Om. 3—; geb. 4—.

Die bekannte Schrift Euckcns, die 1912 in erster Auflage erschien
Und jetzt ihre zweite erlebt, will die Erkenntnisarbeit in eine engere

Beziehung zum Leben setzen ohne in die dadurch drohenden Verwicklungen
zu geraten, „welche dem mehrdeutigen Begriff des Lebens
inne wohnen". Es gilt daher eine deutliche Scheidung von Naturleben
und Geistesleben und eine Verbindung des Erkenntnisstrebens mit den
weltgeschichtlichen Bewegungen und Erfahrungen der Menschheit. Die
zweite Auflage hat besonders „den positiven Teil" erheblich umgestaltet
. Charakteristisch ist vor allem die „religiöse Wendung": „wir
müssen durch die geistig vertiefte Erfahrung von der sinnlichen Welt
zu einer echten Kultur und zu einer Grundreligion aufsteigen". In
aller Schärfe wird eine Ausprägung des ethischen Charakters gefordert
, aber zugleich versichert, „je bestimmter wir einem solchen
Ethizismus folgen, desto inniger wird seine Verbindung mit der Religion
sein. Aber die Religion hat dann an erster Stelle ein neues
Leben zu bringen usw." Es erhebt sich am Schluß für uns das Problem
, das Eucken nicht stellt, ob der geforderte „Weltwille" in der
Spontaneität der Kultur wurzelt oder dem „schaffenden Grunde" verdankt
wird.

Bremen. Bruno Jordan.

Heim, Karl: Leitfaden der Dogmatik. Zum Gebrauch bei akademischen
Vorlesungen. 1. Teil. 3., veränderte Aufl. Halle: Max
Niemeyer 1923. (III, 95 S.) 8". Gm. 1.50.

Im Unterschied von der Neuauflage der „Glaubensgewißheit"
weist die dritte Auflage dieses Leitfadens nur geringfügige Änderungen
auf (S. 12ff., 68ff. [*70ff.], 85 [287]), die die Formulierung, nicht
die Sache selbst wesentlich betreffen, sodaß ein bloßer Hinweis auf
sie genügt.

Halle a.S. F. W. Schmidt.

Zwischen den Zeilen. In Gemeinschaft mit Karl Barth, Friede
Gogarten, Eduard Thurneyscn hrsg. von Georg Merz. Heft 1—5.
München: Chr. Kaiser 1923. (64 S.) 8°.

Eine engere Gruppe der „Religiös-Sozialen" gründet
1923 eine neue Zeitschrift: ein Zeichen starken Mutes
und energischen Willens bei Herausgebern und Verlag.
Über die Ausdehnung des Leserkreises erfahren wir
nichts; die Zeitschrift brachte auch 1923 nicht ein Wort
der Klage über schwierige Zeiten; 1924 erscheint sie
weiter. Mitarbeiter sind bisher fast ausschließlich die im
Titel Genannten; vor allem Barth, Gogarten und Thurn-
eysen. E. Hirsch, der zur Abwehr kritischer Bemerkungen
Gogartens gegen sein Buch „Deutschlands
Schicksal" das Wort erhält, kann deshalb nicht Mitarbeiter
genannt werden. Sonst hat Albert Schädelin
einen größeren Aufsatz (Pascal), Günther Dehn einen
kleineren beigesteuert. Mehrfach sind Stücke aus Luther,
einmal eins von Ch. Blumhardt abgedruckt. Ein sehr
kleiner, aber festgeschlossener Kreis bestimmt also die
Zeitschrift. Dieser Kreis ist der Öffentlichkeit ausreichend
bekannt; er braucht hier nicht charakterisiert zu
werden. Er benützt die Zeitschrift, um durch die Sammlung
kleinerer Veröffentlichungen nachhaltiger zu wirken
. Auch wer nicht zu den Religiös-Sozialen gehört,
kann das begrüßen; an der Stellung jener Gruppe ist
trotz reichlicher Veröffentlichungen noch so viel undeutlich
, daß man jede Möglichkeit gern benutzt, sich zu
unterrichten. Die Lesefrüchte aus Luther dienen dazu
nur insoweit, als man die Absicht der Auswahl spürt.
Aber eine Reihe größerer Aufsätze führt etwas weiter:
Not und Verheißung der christlichen Verkündigung:
Das Problem der Ethik in der Gegenwart; Ansatz und
Absicht in Luthers Abendmahlslehre; Reformierte Lehre,
ihr Wesen und ihre Aufgabe (sämtlich von Barth); Die
Entscheidung; Ethik des Gewissens oder Ethik der
Gnade; Die Frage nach der Autorität; Die Kirche und
ihre Aufgabe; Kultur und Religion (sämtlich von Gogarten
); Sozialismus und Christentum; Hermann Kutter;
Der Schritt zur Kultur; Eine Bemerkung zu Dostojewskis
Tagebuch eines Schriftstellers; diese von Thurneysen,
der außerdem „Eine christliche Unterweisung" auf 14
Seiten beigesteuert hat. Von Merz stammt außer kleinen
Stücken ein Aufsatz: „Vom Bildungsideal der Jugendbewegung
". Man glaube aber ja nicht, daß wir genauere
theologische Aufschlüsse über die Stellung der
Verfasser erhielten. Es bleibt immer (auch wo, wie zu
Luthers Abendmahlslehre, einmal ausnahmsweis Quellen
zitiert werden) bei der Frage nach den ganz großen