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Ausgabe:

1924 Nr. 12

Spalte:

257

Autor/Hrsg.:

Hefele, Herman (Übers.)

Titel/Untertitel:

Albert von Aachen: Geschichte des ersten Kreuzzugs 1924

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 12. 258

257

ihre Bedeutung für die Adriaherrschaft Venedigs". Er
handelt von üegensatz und Verbindung üenua's, von
■dem Wettbewerb der Häuser Anjou-Neapel und Luxemburg
um die Herrschaft über Ungarn und über das
.adriatische Meer. — Dem Kreuzzug König Sigmunds
von 1396 steht Venedig unberührt von Kreuzzugsstimmung
, beherrscht von Handelsinteressen kühl gegenüber
. Der „Abfall von Sigmund" (Abschnitt 3) wurde
bedingt durch Venedigs adriatische Interessen, die 1409
mit dem Ankauf Zara's und des übrigen Dalmatiens von
Ladislaus von Neapel Befriedigung, ein Entscheidung
für Jahrhunderte, fanden. — S. schöpft aus den venezianischen
Archivalien, besonders den Senatsprotokollen,
und läßt sich durch diese Quelle verführen, zu viel
Einzelheiten in sein fleißiges anerkennenswertes Buch,
das aus einer von R. Tschudi angeregten Züricher
Dissertation hervorgegangen ist, zu übernehmen, wenn er
auch angeregt durch das Buch von Qust. Beckmann, Der
Kampf Kaiser Sigmunds gegen die werdende Weltmacht
des Osmanenreichs 1392—1437 (1902), dem er freundlicher
gegenübersteht, als z. B. J. Caro in Hist. Ztschr.
92, 107 f. u. 384 sich der großen Problemstellung
nicht versagt. Über Persönlichkeiten, die am Rande
•seiner Interessen stehen, ist er ungenügend unterrichtet,
er nennt S. 23 Bernabö von Mailand (f 1386) .Herzog',
obwohl der Herzogshut der Viskontis erst aus dem
Jahre 1395 stammt, spricht S. 168 von Kaiser Wenzel
und S. 199 von einer Mark Luxemburg statt von dem
Herzogtum. Sigmund sollte man mit seinen deutschen
Urkunden so und nicht Sigismund nennen.

Marburg. Karl Wenck.

Albert von Aachen: Geschichte des ersten Kreuzzugs.

(2 Teile. Mit je 8 Beil.) Obers, u. eingel. von Herman Hefele. I.:
Die Eroberung des heiligen Landes. Iii Das Königreich Jerusalem.
Jena: Eugen Diederichs 1923 (XVI, 359 u. 309 S.) 8°. = Das alte
Reich.

Die Übersetzung der in ihrem Werte viel umstrittenen Geschichte
von Jerusalem (1095—1120) Alberts von Aachen ist gefertigt nach
■dem Texte, der im 4. Bande der Historiens occidentaux des Recueils
■des historiens des croisades, Baris 1879, gedruckt ist. Sie ist, so weit
ich sie geprüft habe, flüssig, sorgfältig, mitunter doch wohl etwas
zu frei, und bemüht sich mit gutem Erfolge, den Ton des Originals
wiederzugeben. Eine knappe Einleitung des Obersetzers, der ich
■nicht in Allem zustimmen kann (z. B. Albert einen mittelalterlichen
Homer zu nennen, bringt den Leser auf falsche Gedanken; Albert
ist kein Dichter), berührt die kritischen Fragen; eine etwas eingehendere
Behandlung wäre erwünscht gewesen; ein begründeter Hin-
•weis auf die Mangelhaftigkeit des gedruckten Textes durfte nicht
fehlen. Die Obersetzung ist willkommen, weil sie den des Lateins
nicht mächtigen Liebhabern des Mittelalters ermöglicht, die wirklichkeitsfremde
und doch sehr reale Ziele verfolgende Stimmung des
Abendlandes kennen zu lernen, von der die Kreuzzüge getragen sind.

Die beigegebenen Abbildungen aus mittelalterlichen Handschriften
beleben den Text. Leider fehlt ein Register. Erklärende Anmerkungen
fehlen so gut wie ganz; einiges, was zur Erklärung dient, ist in den
Text eingeschoben; doch hätte hier mehr getan werden müssen.
Kiel. G. Ficker.

Volkonsky, Princc Pierre, et le Pere Michel d'Herbigny.S. J.:
Dossier americain de „l'Orthodoxie Panukrainienne".
Dix-huit documents inedits traduits de Pukrainien. Rom: Ponti-
ficio Istituto Orientale. (S. 129—224) gr. 8°. = Orientalia
Christiana Num. 4.

Die „Christliche Welt" und einzelne deutsche Tageszeitungen
haben zwar seit 1921 gelegentlich über Ereignisse
und Zustände in der Kirche Rußlands berichtet,
und die Mitteilungen, welche die „Christliche Welt" der
Zeitschrift „Deutsch-Evangelisch in Finnland" entnahm,
•stammten aus der kundigen Feder des Pastors C. v o n
Kügelgen in Helsingfors, der auch im „Revaler
Boten" mehrfach schätzenswerte Berichte über die politischen
und kirchlichen Verhältnisse im Bereich der
Sowjet-Herrschaft gegeben hat. Aber die so uns zugekommenen
Nachrichten waren weder vollständig, noch
stets zuverlässig; selbst die vertrauenswürdigsten ruhten
z. T. auf Mitteilungen russischer Zeitungen. Um so

erfreulicher ist es, daß die oben genannte Veröffentlichung
wenigstens für e i n Gebiet des weiten Rußland,
und zwar für ein von den Zeitungen kaum je berücksichtigtes
, für den Südwesten, uns urkundliche kirchengeschichtliche
Quellen erschließt. — Die vom päpstlichen
Institutum. Orientale seit 1922 in zwanglosen
Heften herausgegebene Zeitschrift „Orientalia" hat seit
Ostern 1923, wie durch Zellteilung, zu zwei Zeitschriften
oder Abhandlungsreihen sich entwickelt: „Orientalia
Assyro-babylonica, Arabica, Aegyptiaca" etc. und „Orientalia
Christiana". Das erste Heft der letzteren scheint
nach dem Titel der Abhandlung, die es gebracht hat
(L'Unite dans le Christ), kein geschichtliches
Interesse zu haben. Von dem zweiten Heft (Eccle-
s i o 1 og i a dissidentium antiquiorum) gilt in
beschränkterem Maße vielleicht das Gleiche. Aber schon
Heft 3 beschäftigte sich mit der autonomen (vom erneuerten
Patriarchat in Moskau unabhängigen) orthodoxen
Kirche der Ukraine („L'Eglise orthodoxe
panukrainienne, ertee en 1921"), teilte auch
schon 4 Urkunden aus ihrer Geschichte mit, deren
wichtigste die „Actes du concile de Kiev en
1921" waren. Heft 4, das mir allein vorliegt, bringt
18 weitere ins Französische übersetzte Urkunden derart,
die im Sommer 1923 von den Führern der freien
ukrainischen Kirche, zu einem Akten-Ganzen (dossier)
von 48 Seiten (Maschinenschrift) vereinigt, ihren ukrainischen
Volksgenossen in Amerika als Unterlage für
die in mehreren der Urkunden ausgesprochene Bitte um
Unterstützung zugesandt worden sind. Diesen 18 bisher
ungedruckten Urkunden, die nach einer kurzen Einleitung
(S. 129—134) in Heft 4 der „Orientalia Christiana" mit
einer Ausnahme (Nr. VU) ohne Kürzungen wiedergegeben
sind, ist ein bald nach seiner Abfassung, im
Mai 1922, in Belgrad schon veröffentlichter Brief des
Patriarchen Tychon von Moskau vorangeschickt, der
den Vertreter des ökumenischen Patriarchen von den
Geschehnissen in der Ukraine in Kenntnis setzt; und am
Schlüsse steht als „Anhang" ein Werbebrief des Priesters
Krasnitzky an die eglise autocephale de Khar-
kov vom 8. Mai 1922. Diese beiden Rahmenstücke
stellen neben die autonome ukrainische Kirche des
„d o s s i e r" je einen der Hauptvertreter der beiden
andern bedeutendsten Kirchenformen auf dem Boden des
früheren Rußland. Tychon, der i. J. 1917 neu bestellte
„Patriarch von Moskau und ganz Rußland", der wegen
seines Widerstandes gegen die russische Sowjetregierung
1922 zum Tode verurteilt und, da man dies Urteil doch
nicht zu vollstrecken wagte, ein Jahr lang in Haft gehalten
wurde, vertritt, obwohl er nach seiner Freilassung
politisch seinen Frieden mit der Regierung gemacht
hat, die alte orthodoxe Kirche, die in der russischen
Republik anscheinend noch die Majorität des Volkes
hinter sich hat (Christi. Welt 1922, Sp. 361; 1923
Sp. 434 und 560). Krasnitzky ist einer der Begründer der
neuen, vom Patriarchen unabhängigen „lebendigen"
Kirche Rußlands, die sich ganz auf den Boden der Revolution
gestellt und radikale Reformen angenommen hat,
die sich namentlich gegen die „schwarze", d. h. die aus
dem Mönchfum hervorgegangene höhere, Geistlichkeit
richten (Christi. Welt 1922, Sp. 772—74); er zeichnet
am 8. Mai 1922 als Mitglied ihrer „obersten Kirchenverwaltung
" (Wzu, französisch: VTzOu). Diese Kirche
der revolutionsfretindlichen Popen ist nach den Zeitungen
(vgl. v. Kügelgen, Christi. Welt 1923, Sp.
289) ein schwächliches Gebilde, das im Volke wenig
Boden hat und überdies in sich nicht einig ist. Zwar
kann die Nachricht der Frankfurter Zeitung (Christi.
Welt 1923, Sp. 61), daß Krasnitzky selbst neben der
„lebendigen" Kirche eine neue Kirche (die „Wiedergeburt
der Kirche") begründet habe, nicht richtig sein;
denn nach einer Notiz der Einleitung des Heftes 4 der
Orientalia Christiana (S. 134, Anm. 2) ist er im Mai 1923
von dem „allrussischen Konzil" (vgl. Christi. Welt 1923,
Sp. 316 f.), da er Erzbischof von Petersburg zu werden