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Ausgabe:

1924 Nr. 12

Spalte:

255-256

Autor/Hrsg.:

Haase, Felix

Titel/Untertitel:

Apostel und Evangelisten in den orientalischen Überlieferungen 1924

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Seite 1

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255

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 12.

256;

kritische Urteil über c. 21 und die Stellung zum ganzen
johanneischen Problem mit bestimmt werden, auch abgesehen
von H.'s wenig einleuchtendem Eingriff in
den Text.- Aufs Ganze gesehen, vertieft H.'s Untersuchung
, wenn man die Neigung zu überscharfer Rubrizierung
der „Wir"-Stellen und die von ihr mit eingegebenen
literargeschichtlichen und theologischen Annahmen
auf das richtige Maß zurückführt, den Blick für
die individuelle Eigenart des johanneischen Schrifttums
von einem neuen Standort aus.

Döttingen. J. Behm.

Haase, Prof. Dr. Felix: Apostel und Evangelisten in den orientalischen
Überlieferungen. Münster: Aschendorff 1922. (VIII,
312 S.) gr. 8°. = Neutest. Abhandlungen. Hrsg. v. M. Meinertz
IX, 1—3. Gm. 10—.

Das überaus inhaltvolle, sehr gelehrte Werk von
Haase gehört zu denen, die man im Grunde kaum „rezensieren
" kann, da es überall auf das Detail als solches
ankommt und eben dieses wieder auf Schritt und Tritt zu
Fragen aller Art führt, oft schon allein nach der Authen-
thie des verwerteten Wortlauts, dann aber seiner Herkunft
und seines Sachcharakters innerhalb des Zusammenhangs
, wo das Stück begegnet. F. Haase, Professor
der katholischen Theologie in Breslau, ist jedem,
den die orientalischen Kirchen interessieren, längst bekannt
. Er achtet auf die Gegenwart mit hellem Blick,
wie sein Buch über „Die religiöse Psyche des russischen
Volkes" 1921 zeigt (das ich hier 1922 Nr. 13 besprach
, vgl. über eine ergänzende kleinere Schrift von
ihm Nr. 23), und bot auch eine ganze Reihe von gediegenen
Einzelforschungen (die meist natürlich in
katholischen Zeitschriften erschienen, aber doch auch
eine „Zur Bardesanischen Gnosis" in T. U. von Har-
nack und Schmidt, 34 Bd., 1910 und „Zur Rekonstruktion
des Bartholomäusevangeliums" in ZNTW. von E. Preu-
schen, 16. Bd., 1915). Er bemerkt im Vorworte, daß
er von den Sprachen der Texte, die er diesmal heranzieht,
selbst nur etwa die koptische genügend verstehe, um sich
ein eigenes Urteil über die* Zuverlässigkeit der Übersetzung
, die ihm vorliege, verschaffen, „auffällige Übersetzungen
" also „gegebenenfalls" kontrollieren und korrigieren
zu können. Was er aus nubischen, aethiopischen,
arabischen, syrischen, georgischen, armenischen Handschriften
beibringe, müsse er in der Übersetzung hinnehmen
, die Spezialisten geboten. Wer würde ihm
einen Vorwurf daraus machen, daß er „nur" nach Übersetzungen
in eine moderne europäische Sprache (natürlich
nicht etwa bloß solche in's Deutsche) gearbeitet hat?
Auch kein Orientalist von Fach dürfte alle diese Sprachen
kennen, gar gleichmäßig und genau genug, um sich stets
ein kritisches Urteil zuzutrauen; selbst Lagarde würde
schwerlich das von sich behauptet haben.

Das Buch wird mit „Prolegomena" eröffnet, die
den Bestand von orientalischen Handschriften in europäischen
Bibliotheken nachweisen, selbstverständlich nur
von denjenigen, die das Thema des'Buchs berühren.
(Schon früher, in der dem Prinzen Johann Georg von
Sachsen dargebrachten „Ehrengabe deutscher Wissenschaft
", 1920, S. 559—573 hat H. die „Christlich-orientalischen
Handschriften k a t a 1 o g e", alphabetisch geordnet
dem Forscher zugänglich gemacht, es gibt
deren danach 236, s. ThLitz. 1922, Nr. 23; H. hält sich
bei gegenwärtiger Arbeit an das, was aus den Handschriften
schon ediert ist, sicher wird weitere Forschung
weitere Quellen bringen, aber H. verdient nur einfach
Dank dafür, daß er das schon gedruckte, sehr reiche
Material ausnutzt). — Das Buch zerfällt dann in
zwei Teile: I. „Das Apostelkollegium in den
orientalischen Überlieferungen", S. 15-113.
Hier handelt § 1 von „anoOToXog in den orientalischen
B i b e 1 Versionen". In Betracht komme nur die altsyrische
. Gerade da führt schon die Frage, wie es zu beurteilen
ist, daß der von Merx herausgegebene Syr sin
„artf'oTokog" (statt fictfhjtffi) als nur lukanisch und „bewußt
" lukanisch erkennen zu lassen scheint, in den ganzen
Problemkornplex der ältesten uns bekannten syrischen
Versionen. So geht's zum Teil mit kniffeligsten
Fragen weiter. § 2 gilt den „Apostel listen in den
kanonischen orientalischen Evangelien", § 3 der Berufung
des Apostelkollegiums" und der „Erteilung der
Gnadengabe n". Hier tritt sehr deutlich römischkatholisches
Interesse (ob die „Tätigkeit der Zwölf auf
einer übertragenen amtlichen Stellung oder auf einer
selbstverständlichen moralischen Autorität, die ihnen und
speziell dem Petrus beiwohnte, beruht") zu Tage.
In § 1 ist auf dieses Interesse von § 3 präludiert. Man
kann zweifelhaft sein, ob die „Auffassung der Orientalen
" da sehr wichtig ist. Wieder kommt der Charakter
und die Bedeutung des Diatessarons in Frage.
(Tatian war so lange in Rom, daß man fragen kann,
ob er nicht bloß Zeuge für „römische" Schätzung der
„Apostel", insonderheit des Petrus sei). § 4 hat die
Überschrift „Die Apostel bei den orientalischen Kirchen-
schriftstellern und in den biblischen Kommentaren
" (bei Afrahates, Ephrem, bei Jakob von Sarug,
im georgischen „Segen des Jakob" etc. etc.; der Paragraph
ist einer der umfänglichsten, S. 41—72), § 5 „Die
Berichte der liturgischen Bücher über das Apostelkollegium
" (Synaxarien, Kalender, Martyrologien); § 6
„Das Apostelamt in der Auffassung der G n o s t i k e r"
(Pistis Sophia, Bücher Jeu, ein unbekanntes altgnosti-
sches Werk [sethitisch-archontischen Gepräges], alle
drei in koptischer Sprache: das erstgenannte Werk
spricht nur von „(.la&rpal", aber das ist in ihm eine Besonderheit
, [ob also von Interesse?]. Die Pistis Sophia
ist allein ausgiebig für das Thema, das H. stellt); § 7
Die Evangelisten in den Orient. Überlieferungen":
wesentlich faßt H. nur die syrische Literatur ins Auge,
diese nach Baumstarks Arbeit über die „Evangelienexegese
d. syr. Monophysiten"; eine „Anzahl von Kommentaren
über die Evangelien, die bei den Syrern in
Gebrauch waren, sind noch nicht veröffentlicht".

11 ist betitelt „Die orientalischen Berichte
über die Apostel und Evangeliste n", S. 114
bis 289, also bei weitem der Hauptteil. Im Grunde
handelt H. nur über Petrus bei den Orientalen. (Von
den 28 Paragraphen sind 13 ihm gewidmet. H. berührt
wohl alle überhaupt möglichen Einzelfragen, am
genauesten ist § 8: „Petrus bei den syrischen
Schriftstellern" [Homilien, Briefe, Reden]; das
Ganze ist eine sehr willkommene Zusammenstellung und
keineswegs ohne historisches Interesse). Von § 14 ab
wendet H. sich zu den übrigen Aposteln und zu Markus
und Lukas (Tritt Petrus wirklich in der orientalischen
Literatur so fast singulär hervor, so ist das schon allein
sehr bemerkenswert: es steht nicht so, als ob Petrus unbestritten
als „Hauptapostel" und „Fels" wäre). H. ist
sehr sorgfältig und gewissenhaft in der Benutzung der
bisher geführten Untersuchungen. Das ziert sein Werk.
Doch ist es, wie er mitteilt, in den Jahren 1915—17 geschrieben
und nicht eigentlich weiterbearbeitet worden.
Halle a. S. F. Kattenbusch.

Silberschmidt, Dr. Max: Das orientalische Problem zur
Zeit der Entstehung des türkischen Reiches nach venezianischen
Quellen. Ein Beitr. zur Geschichte d. Beziehungen
Venedigs zu Sultan Bajezid I., zu Byzanz, Ungarn u. Genua u. zum
Reiche von Kiptschak (1381 — 1400). Leipzig: B. G. Teuhner 1923.
(XIII, 206 S.) gr. 8°. = Beiträge z. Kulturgeschichte d. Mittelalters
u. d. Renaissance. Bd. 27. Gm. 9—.

S. bietet einen Ausschnitt aus der Geschichte der
abendländischen Mächte zur Balkanfrage des 14. Jahrh.
mit wesentlicher Beschränkung auf die Zeit Sultan Baje-
zids 1389—1403. Der „venezianischen Orientpolitik 1390'
bis 1400 mit besonderer Berücksichtigung des Kreuzzugs
von Nikopolis 1396" ist der zweite Abschnitt S.
49—198, d. h. drei Viertel des Buchs gewidmet. Abschnitt
1 ist betitelt: „Die venezianische Intervention in
Ungarn nach dem Tode Ludwigs des Gr. (1382) und