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Ausgabe:

1924 Nr. 12

Spalte:

247-248

Autor/Hrsg.:

Dussaud, René

Titel/Untertitel:

Revue de l‘histoire des Religions. Tome LXXXVII 1924

Rezensent:

Gressmann, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 12.

248

Von Äußerlichkeiten erwähne ich nicht erst gewisse
vereinzelte Versehen namentlich in der Schreibweise moderner
Autorennamen, sondern nur, um eine Frage daran
anzuschließen, die ungleichmäßige Form, in der avestische
Namen wiedergegeben werden. Mit andern gebraucht G.
auch hier meist die Stammform; nur einige Male spricht
er von Anrö mainyus, sollte man also nicht in religionsgeschichtlichen
Ausführungen auch sonst immer den
Nominativ gebrauchen, wie ich es in meiner Untersuchung
der griechischen und lateinischen Nachrichten
über die persische Religion durchweg getan hatte (Greß-
mann hat das in seiner Anzeige Jg. 1922 Sp. 49 merkwürdigerweise
total mißverstanden)?

Bonn. Carl C lernen.

Revue de l'histoire des Religions. Hre:. von Rene Dussaud
und Paul Alphandery. Bd. LXXXVII, Nr. 3. Paris: Ernest
Leroux 1923. 8°.

Die Revue enthält einen geistvollen Aufsatz von E. de Faye
De l'influence du Onosticisme sur Origene (S. 181—235). Mit völliger
Beherrschung des Stoffes und feinem Nachempfinden aller Nuanzen
wird gezeigt, wie Origenes zwar keineswegs im Onostizismus aufging
, sich bisweilen sogar im Gegensatz gegen ihn befand, wie er
aber dennoch weithin mit ihm übereinstimmte und die fruchtbarsten
Anregungen von ihm empfing. Zunächst wird die Stellung zum
Alten Testament behandelt. Origenes ist der erste kirchliche Theologe
gewesen, der anerkannt hat, daß es eine alttestamentliche Frage
gibt, beeinflußt durch Gnostiker wie Marcion, die zum ersten Male
die religiöse Bedeutung des AT.es in Zweifel gezogen haben. Marcion
mit seinem Glauben an den „guten Gott" weiß zwar, was christlich
ist, aber er hat kein Verständnis (und kann es als Asket nicht haben) für
den Gott der Juden, der diese böse Welt mit ihren sexuellen Trieben
geschaffen hat. Origenes gibt ihm zu, daß die Juden Gott nur als den
gerechten erkannt und ihn nicht als Vater angerufen haben, aber im
übrigen hält er am AT. fest und schätzt es als eine Weissagung auf
Christus; alle Anstöße beseitigt er durch Allegorese. Wie die Gnostiker
so wertet auch Origenes das NT. verschieden, indem er erst Joh., dann
die anderen Evangelien den Episteln voranstellt; wie sie eine geheime
, mündliche Uberlieferung neben der Schrift annehmen, so kennt
er neben dem „körperlichen" ein „geistiges" oder „ewiges" Evangelium
für die, die des Geistes mächtig sind. Die Gottesvorstcllungen
sind einerseits vom Piatonismus (Transzendenz und sittliche Vollkommenheit
), andererseits vom Stoizismus (Immanenz) abhängig;
aber auch der spezifisch gnostische Gedanke vom „guten" Gott ist für
Origenes maßgebend, sofern er sich bemüht, den Gott des AT. in den
des NT. umzuwandeln und die Auffassung Gottes als des „Vaters"
für christlich zu erklären. Die übersinnliche Welt der Zwischenwesen
bei den Gnostikern läßt sich, zum ersten Mal bei einem Theologen der
Großkirche, vergleichen mit den lebendigen ovaiai des Origenes, die
auch hierarchisch gegliedert erscheinen; der einzige Unterschied ist
nur, daß er sich enger an das NT. hält. In der Kosmologie stimmen
beide darin überein, daß sie die Entstehung des Kosmos durch einen
„Fall" sittlich begründen. Nach den Gnostikern ist die Welt schlecht
und einem Zuchthaus zu vergleichen; für Origenes ist sie zwar gut,
aber doch einem Schulhaus zu vergleichen mit vielen Leiden, die den
Menschen erziehen sollen. Wie die Gnostiker so leugnet auch er die
altchristliche Eschatologie und kennt eine Vollendung der Dinge in
Gott; wenn er den Dualismus durch den Glauben, daß das Böse und
die Hyle zuletzt verschwinden werden, klar überwunden hat, so verdankt
er dies der Vorarbeit der Gnostiker. In der Christologie sind
wesentliche Unterschiede nicht vorhanden. Auch für ihn ist der Erlöser
ein dreigeteiltes Wesen, aus Logos, Seele und Leib (etwas
künstlich) zusammengesetzt; immerhin fehlen weitere Spekulationen,
und so erscheint alles bei ihm viel einfacher. Auch seinen klaren indeterministischen
Standpunkt verdankt er den Gnostikern oder richtiger
dem Gegensatz gegen sie, da sie wenigstens später einen scharfen
Determinismus vertraten. Das höchste Gut sieht er wie sie in Gott,
und oft genug besingt er wie sie die transzendentale Gnosis im ekstatischen
Hymnus. Am Aufgehen im Onostizismus hinderten ihn nur
die geschichtlichen Überlieferungen, die ihn stärker an die Kirche
fesselten und tiefer beeinflußten als die Gnostiker.

Frederic Afader: Armenie et Islande (S. 236—241) stellt
die Nachrichten zusammen, die von armenischen Bischöfen des
XL und XII. Jhrh. in Island wissen, und sucht sie als geschichtlich
zu erweisen durch den Gegensatz gegen Rom-Bremen. — Aus dem
übrigen Inhalt sind erwähnenswert die drei Nekrologe (S. 287—290)
auf Clermont-Ganaeau, Leger und Bouche-Leclercq.

Dieselbe, Bd. LXXXVIII, Nr. 1-3. Ebd. 1923.

R. Weill: L'installation des IsraeTites en Palestine et la legende
des Patriarches (fin; S. 1—44). In c. 5 werden Isaak und Joseph
als Stifter der Heiligtümer behandelt. In c. 6 werden die Ergebnisse

der Analyse synthetisch zusammengefaßt: In dem ältesten Palästina
begegnen uns Stammesnamen, die zugleich Götternamen sind, teils von
Tieren hergenommen (wie Hund, Esel, Kamel), teils Verbalformen
(wie Ismael, Israel, Jabneel). Die Stämme betrachten sie als Söhne
des Gottes, der als ihr Vorfahr gilt, und nennen sich daher auch
„Söhne des Chamor", „Kinder Israels". Sehr alt ist auch die Umsetzung
eines Stammesnamens in einen geographischen Namen wie
Jakob, Josephel, Jabneel. Auf einer zweiten Stufe schon in vorisraelitischer
Zeit sinken die Götter zu Kultstiftern herab: Abram in
Hebron (verbunden mit der benachbarten Sara von Machpela), Isaak
in Beerseba, Jakob in Bethel (verbunden mit der benachbarten Habel)
Joseph in Sichern. Von den Israeliten werden sie vollends zu Menschen
umgestaltet, während sie bei den Phönikern des Philon Byblios
teilweise (Jakob und Esau) noch als Halbgötter erscheinen. Vor allem
aber haben sich die Israeliten nicht gescheut, diese Ortsheiligen als
ihre eigenen Vorfahren auszugeben und so den Anspruch auf das von
ihnen besetzte Land rechtmäßig zu begründen. Als dann mit den
großen Schriftpropbeten der Kampf gegen den Stierdienst beginnt,
wird er zugleich ein Kampf gegen die Höhenheiligtümer und ihre
Stifter, die Erzväter. Aus dieser Kampfzeit stammt der Elohist, der
den Geist des Nordens widerspiegelt, die Heiligtümer von Sichern und
Bethel und sogar den Dienst des „goldenen Kalbes" als gut
jahvistisch verteidigt. Die Priesterschrift dagegen atmet den Geist
I Josias und muß aus seiner Zeit verstanden werden. Trotz aller Be-
| denken, die sich im Einzelnen erheben mögen, ist die Auffassung als
Ganzes genommen genial, fesselnd, anregend und vielfach überzeugend.
— S. Reinach: Le souper chez la sorciere (S. 45—50), eine
geistreiche Erklärung von I. Sam. 28 („Hexe von Endor"). Auch
wenn das Vorhandensein zweier Quellen nicht zwingend bewiesen zu
sein scheint, ist doch einleuchtend, daß die „consultalion du medium"
ursprünglich in drei Akten bestand: Fasten, Totenbesehwörung, rituelles
Mahl (mit dem Toten? Vgl. Dtn. 26, 14). Der letzte Akt ist
in der gegenwärtigen Fassung „orthodox" übermalt worden. —
Ad. Lods: Le röle de la tradition orale dans la formation des
recits de l'Ancien Testament (S. 51—64). Mit beachtenswerten
Gründen wird hier im Anschluß an Gunkel und Greßmann das Recht
verfochten, über die schriftlichen Quellen der Literaturkritik hinaus in
die Geschichte der mündlichen Überlieferung einzudringen. — Ch.
Guignebert: Les demichretiens et leur place dans l'Eglisc antique
(S. 65—102). Eine Fülle von Beispielen und Belegen sind hier zu
einer fesselnden Studie vereinigt, um die noch nicht genügend gewürdigte
Bedeutung der Halbchristen oder Halbheiden für die alte
Kirche aufzuzeigen. Sehr lehrreich und lesenswert.

Berlin-Schlachtensee. Hugo Greßmann.

Recherches de Science Religieuse. Paraissant tous les deux mois.

Tome XIV. NT.1 u. 2. Paris: Bureaux de la Revue 1924. (192S.) 8".
J. Lebreton: La priere dans l'eglisc primitive (S. 5—32;
97—133) betont die Bedeutung des Gebetes für die Geschichte des
vornieänischen Dogmas der Trinität. Man begnügt sich dafür gewöhnlich
mit einer Erforschung der Lehren der Apologeten und der alexan-
drinischen Theologen, ohne zu fragen, wie weit diese und ob sie
wirklich in allen Punkten die allgemeinen Anschauungen wiedergeben.
Um diese Frage beantworten zu können, muß man zunächst den Gemeinglauben
der christlichen Kirche im 2. und 3. Jahrh. feststellen,
und diesen findet man in den Gebeten, Gesängen und Hymnen,
deren Spuren zum Teil schon früh verwischt sind. Vorangestellt sind
allgemeine Ausführungen (1) über den Charakter des christlichen Gebetes
, das als Fortsetzung des jüdischen gelten muß. Die ältesten
christlichen Gebete in den Evangelien und Episteln, wie besonders
das Magnifikat, Benedictus und Vaterunser, sind nicht nur voll von
alttestamentlichen Reminiszenzen, sondern verraten auch Spuren der
liturgischen Gebete der Juden. Noch bei Clemens und in der Didache
findet man das „3 X heilig" des Jesaja wieder; ebenso unverkennbar
sind die Züge des jüdischen „Schmone Esra". Aber diese
jüdischen Einflüsse sind durch den Geist des Christentums umgewandelt
, wie sich am leichtesten zeigen läßt, wenn man auf die
göttliche Person achtet. So werden die angeführten Beispiele geordnet
, je nachdem sie Gott dem Vater (II) oder dem Christus (III)
gelten. Auch außerhalb der offiziellen Liturgie der Kirche werden
einzelne Hymnen gemustert, sogar die „Oden Salomos", die der
alexandrinischen Kirche zugerechnet (trotz „unzweifelhafter" Züge
des Gnostizismus und Doketismus) und „wahrscheinlich einige Zeit
vor Clemens" (Alexandrinus) angesetzt werden. Zum Schluß werden
noch die Gebete der Märtyrer herangezogen und als Zeugnisse des
gemeinkirchlichen Glaubens besonders hoch gewertet. — Le Bache-
let: Le decret d'Aquaviva sur la gräce efficace (S. 46—60; 134—159)
will dies Dekret vom 14. XII. 1613, das wenig bekannt" ist, weil
es eine „häusliche" Streitfrage innerhalb des Jesuitenordens regelt,
auf grund unveröffentlichter Dokumente in den geschichtlichen Zusammenhang
einreihen und ihm eine „wahrhaft objektive Interpretation
" geben, indem er die Streitfrage untersucht, die es hervor,
rief. — G. Bardy: St. Justin et la philosophie stoi'cienne (Fort-