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Ausgabe:

1924

Spalte:

229

Autor/Hrsg.:

Seuse, Heinrich

Titel/Untertitel:

Deutsche Schriften 1924

Rezensent:

Clemen, Otto

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 11.

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kommuniziert wurde und sich den Dyophysiten, den
Melchiten anschloß; da er aber wieder zu den Kopten
zurücktreten wollte, wurde er in ein Kloster gesteckt und
lebte die letzten 20 Jahre ohne Einfluß. Graf faßt seine
Tätigkeit ganz auf im Sinne eines Versuchs der Reform
der koptischen Kirche. Leider sind Schriften des
Mannes, die ziemlich zahlreich waren, noch nicht zutage
gekommen, und wir sind in der Hauptsache angewiesen
auf die Schriften seiner zeitgenössischen Gegner,
die ihm gegenüber das Recht der alten koptischen Kirche
verteidigten; diese Schriften teilt Gr. in sehr dankenswerter
Weise in deutscher Übersetzung mit; von der
Wiedergabe der Originaltexte hat aus finanziellen Gründen
abgesehen werden müssen. Es ist sehr lehrreich,
Grafs Besprechung der einzelnen Reformpunkte, die er
mit Erfolg geschichtlich verständlich zu machen sich bemüht
, zu lesen, mag es sich nun um die Beichte, um die
Beschneidung, um die Verwendung von Sandarak für
Weihrauch u.a. handeln; es liegt ihm besonders daran,
nachzuweisen, daß Sondereigentümlichkeiten der koptischen
Kirche z. T. Reste aus vorchristlicher Zeit sind.

Er ist auch hier vorsichtig und besonnen, wie er
denn auch durch den Haß seiner Gegner hindurchzudringen
versucht, um ein wahres Bild des Reformers zu
erreichen. Leider werden uns seine Motive trotzdem
nicht recht deutlich und die Frage, ob bei ihm nicht
Nachwirkungen altchristlicher Sekten, Gnostiker, Mar-
cioniten u. a. anzunehmen sind,, wird gar nicht berührt.
Wie diese lehrreichen und interessanten Untersuchungen
so ist auch der Überblick über die Geschichte der koptischen
und melchitisehen Kirche und ihre Gegensätze
dankenswert, den Gr. an den Anfang stellt, öfter
weist er darauf hin, wie viel Material für die Geschichte
der östlichen Kirchen noch bisher unbearbeitet geblieben
ist. Hoffentlich regt auch seine Arbeit zu weiterer Forschung
an. Es wird Zeit, daß wir die Gründe übersehen
lernen, die zu dem „Verfall" jener östlichen Kirchen geführt
haben.

S. 114Anm.2: Demetrios von Kyzikos gehört doch
wohl dem 11. Jahrhundert an; für Chatzigarier ist Chatzitzarier
zu lesen. — Hoffentlich bürgert sich der hier
befolgte Brauch nicht ein, die oft vorkommenden Eigennamen
im Texte durch Sigla wiederzugeben (so Markus
ibn al-kanbar durch Mk u. a.).

Kiel. G. F i c k c r.

Seuse, Heinrich: Deutsche Schriften. Ausgewählt und übertragen
von Anton Gabele. Leipzig: Insel-Verlag 1024. (347 S.)
gr. 8°. = Der Dom, Bücher deutscher Mystik. Qm. 6.50.

Wie die Übersetzung von Wilhelm Ochl (Sammlung Kösel,
Deutsche Mystiker Bd. 1, 1010) und die von Walter Lehmann
(2 Bände. Jena, Eugen Diedcrichs, 1911), so geht auch die vor-
liegende von Anton Gabele, die sich den unter dem Titel „Der Dom" im !
Inselverlag erscheinenden „Büchern deutscher Mystik" eingliedert, auf
die Ausgabe von Karl Bihlmcyer (Stuttgart 1007) zurück. Sic hat
unter den vorausgegangenen Existenzberechtigung und selbständigen
Charakter. Sowohl die Auswahl als auch die Textgestaltung ist eigenartig
. „Die Auswahl ist so getroffen, daß Plan und Anlage des
Ganzen nicht verwischt werden und kein wesentlicher Zug im Bilde
Scuses fehlt." lind was die Textgestaltung betrifft, so hat O. sich bemüht
, „den Inhalt so eindeutig wiederzugeben, daß Erläuterungen
möglichst überflüssig wurden", weshalb er auch „alle Worte, deren
Bedeutung sich verschoben oder deren Gefühlswert sich verändert hat,
ersetzt" hat. In beiden Beziehungen scheint mir G. das ihm vorschwebende
Ziel erreicht zu haben.

Zwickau i. S. O. C lernen.

Die mystische Hochzeit des heiligen Franziskus mit der Frau

Armut. Nach einem Text des XIV. Jahrhunderts in deutscher
Sprache herausgegeben von E. von Nemethy. Leipzig: Insel-
Verlag. (58 S.) kl. 8°. = Insel-Bücherei Nr. 353. Ora. —.75
Zu Grunde gelegt ist die italienische Übersetzung der Dichtung,
die 1847 in Pistoja gedruckt worden ist, nicht das latein. Original,
das 1530 in Mailand im Druck erschien (Sacrum Commercium Beati
Francisci cum Domina Paupertate) und von dem Ed. d'Alencon 1900
eine erste textkritische Ausgabe besorgte. Vgl. über diese, den Inhalt

der Dichtung, Datum (Juli 1227?) und Verfasser (Joh. Parens?) die
Rezension von Karl Müller ThLZ. 1901, Sp. 79—81.

Zwickau LS. O. Clemen.

Paracelsus Sämtliche Werke, herausgegeben von Karl Sudhoff und
Wilhelm Matthießen. 2. Abt.: Die theologischen und religionsphilosophischen
Schriften. I. Band. München: Otto Wilhelm Barth
1923. (360 S.) gr. 8°. Gm. 10-; geb. 12 .

Endlich beginnt die Veröffentlichung der theologischen
Schriften des bedeutendsten deutschen Naturphilosophen
aus dem Reformationszeitalter, die bisher
zum größten Teile unbekannt in den Handschriftenabteilungen
der Bibliotheken geschlummert haben. Ihre
volle Bedeutung wird sich erst erschließen, wenn eine
größere Anzahl Bände der neuen Reihe der Schriften
vorliegt, welche sich nach Bearbeitung und Ausstattung
den Proben der ersten Abteilung (s. oben Jahrgang
1923, Sp.280) würdig anschließt. Der zweite Band, auf
dessen Erscheinung wir eine eingehendere Besprechung
eerschieben, wird den textkritischen Apparat zu der
hier vorliegenden „Philosophia Magna" (Titel nicht von
Paracelsus!) und zu den verwandten Schriften bringen,
gleichzeitig aber den eigentlichen Kommentar. Die ganze
Reihe wird 10 Bände umfassen, deren letzter die Theologie
des Paracelsus im Zusammenhange darstellen soll.
Die Einleitung des vorliegenden Bandes hringt die
Grundsätze der Texthehandlung, über deren philologische
Seite hier nicht zu richten ist, die aber dem theologischen
Leser in jeder Weise entgegenkommt, ohne
den Klangwert des Originals zu vergewaltigen.

Hamburg. Robert Petsch.

Michaelis, Georg: Weltreisegedanken. Berlin: Furche-Verlag
1023. (188 S.) gr. 8". • Gm. 2 ; geb. 3-.

Der frühere Reichskanzler — und was mehr sagen
will, der hochverdiente Beamte des alten Staates, der langjährige
Freund auch unserer studentischen Jugend, hat
in diesem Büchlein nochmals das Wort ergriffen, um
Gedanken niederzulegen, die ihn auf der „Weltreise"
nach China, Japan und Amerika beschäftigt haben. Er
war mit Professor Heim-Tübingen beauftragt, die deutsche
christliche Studentenvereinigung auf der Konferenz
der im Weltbund vereinigten christlichen Studentenvereinigungen
in Peking (1922) zu vertreten. Die Rückreise
führte ihn quer durch Nordamerika.

Das vorliegende Buch bietet nicht etwa eine Reisebeschreibung
— davon erfahren wir nur gelegentlich das
Wichtigste, sondern es will den geistigen Ertrag der
Reise buchen. Sehr vieles davon wird offensichtlich
nicht nur für deutsche Leser niedergeschrieben, sondern
soll im Ausland gelesen werden, um die Wirkung zu
verstärken und zu verbreiten, die er in Peking, Japan und
Amerika hat ausüben dürfen. Daher die ausführlichen
Darlegungen über die Kriegsschuldfrage und den wirtschaftlichen
Wiederaufbau. Aber auch den deutschen
Lesern will es etwas sagen von der Kraft und Energie
christlicher amerikanischer Bestrebungen in China, besonders
der Young Men Christian Associations, von' der
durchaus praktischen Einstellung auch der Christen im
amerikanisch beeinflußten Ausland, von der Eigentümlichkeit
jener „Demokratie" und ihren Grenzen, von der
sittlichen und intellektuellen Fürsorge für ausländische
Studenten an deutschen Universitäten, von der Um-
biegung des „Sozialismus" in „G e m e i n w i 11 i g k e i t".
Es sind der religiösen, ethischen, kulturellen und wirtschaftlichen
Probleme so viele, die hier kurz berührt
werden, daß es nicht Auf gabe dieser Anzeige sein kann,
dazu Stellung zu nehmen. Genug, daß ein tiefgegründeter
Christ, ein guter Deutscher, ein erfahrener Lebensbeobachter
zu uns spricht mit einer Offenheit und Elastizität
des Geistes, die nicht Jedem in diesem Lebensalter
eigen ist. Den christlichen und theologischen Freunden
„drüben" sei das Buch auf das Wärmste empfohlen zur
Charakteristik edler deutscher christlicher Denkweise.