Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1924 Nr. 1

Spalte:

222-223

Autor/Hrsg.:

Moser, Eugen

Titel/Untertitel:

Konfuzius und wir 1924

Rezensent:

Haas, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

221

Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 11.

■222

nicht Stiftskirchen waren; und so gewiß T. Richtiges berichten wird,
wenn er sagt: „Die Prbjwtd besaß keine eigne Kirche", so gewiß gehört
dies Fehlen einer eignen Kirche nicht zum Hegriff des Kollegiat-
stifts. Sind die Besitzungen der Propstei sämtlich erst bei ihrer Gründung
ihr geschenkt worden? Wer war vordem ihr Eigentümer? Hat
etwa auch dieses Kollegiatstift eine klösterliche Präexistenz gehabt
? Und was erklärt in diesem Falle das Fehlen (oder Verschwinden
?) einer eignen Kirche? und, wenn eine solche Präexistenz
nicht nachweisbar ist, den Charakter der Propstei als collegiata
ecelesia?— Die zweite Frage hat Gegenwartsinteresse. Teutsch
nennt den ersten Geistlichen der evangelischen Kirche Siebenbürgens
stets „Bischof"; in Urkunden, die er anführt, trifft man sehr oft diese
Amtsbezeichnung; ja, die i. J. 1652 aus den Landtagsartikeln seit
1540 zusammengestellten Approbaten (approbatae eonstitu-
tiones etc.; 1,430, Anm. 2, vgl. S. 427ff.) bestimmen, daß jede
der damals drei, später vier, neben dem Katholizismus in Siebenbürgen
„rezipierten" Religionen ihren „Bischof" haben solle (I, 431; II, 404).
Andrerseits aber unterschreibt der zweite in der Reihe der Bischöfe i.J.
1557 als „s u p e r i n t e n d e n s ecclesiarum dei nationis
Saxonicae in Transsilvania" (1,274); die Konsistorialordnung
von 1754 nennt den ersten Geistlichen den H(errn) Superinten-
dens" (II, 166); auch die „Allerhöchst hegnehmigte Vorschrift" von
1807 redet von „dem Superintendenten" (11,281); und sein Vikar heißt
m T.'s Geschichte stets „Superintendentialvikar". Bedenkt man ange-
iichts dieses Tatbestandes, daß im Anschluß an Augustin (de civ.
19,1«. VII, 647 Mrgne; vgl. sermo 94. V, 580) noch das
Deere tum Gratiani sagt: episcopos, si vclimus, latine
s u p e r i n t e n d e n t e s p o s s u m u s d i c e r e C. 8, q u. I.e. 11; vgl
c. 24, 1). 93 aus Hieronymus e p. 146, 1, früher 85, Vallarsi I, 2,
S. 10S2 A), so wird man geneigt sein, den Wechsel der Bezeichnungen
Jahin zu deuten, daß in der evang. Kirche Siebenbürgens „Bischof"
und „Superintendent" als Synonyma gebraucht seien. Dem steht
aber entgegen,daß in dem oben erwähnten Beamtenverzeichnis der Festschrift
hei den Bischöfen die Oberschrift lautet: „Bischöfe (bis zum
24. April 1865 mit dem Namen: Superintendent)" und bei den Vikaren:
„Bischöfliche Vikare (bis zum 18. Juli 1920 mit dem Titel:
Superintendentialvikare)". Auch Teutsch bezeichnet in „Kirche und
Schule" (S. '258) den nach dem IS. Juli 1920 verstorbenen Franz
Herfurth (t 1022) als „bischöflichen Vikar". Aber er bietet, soviel
Ich gesehen habe, nichts, das jenes „bis zum 24. April 1885 mit
dem Namen: Superintendent" und die bei ihm sich findende Bezeichnung
„bischöflicher Vikar" inbezug auf eine Zeit nach dem „18. Juli
1020" erklären könnte. Da es auch im evangelischen Deutschland
nicht wenige Freunde des Bischofstitels gibt und unter anderen auch
das — in Siebenbürgen anscheinend (vgl. II, 104, Anm. 1) sehlecht beleumundete
— consistoriutn in Saxonia Germania e einen
, Landesbischof" in seiner Mitte hat, würde eine Klärung der hier sich
aufdrängenden Fragen für uns wertvoll sein.

Sehr gern würde ich ausführlicher darlegen, inwiefern
der Eindruck, den der Dürfkirchentag in Hermannstadt
(1913) zeitigte, der Eindruck, daß die evangelische
Kirche Siebenbürgens besser daran ist, als die
evangelischen Kirchen Deutschlands (II, 571, nach Dorfkirche
1913, S. 459) auch dem Leser der hier angezeigten
drei Bücher sich aufdrängt. Aber nur für einige Andeutungen
ist Raum. Ich meine nicht, daß die Geschichte
der evang. Kirche in Siebenbürgen nur erfreuliche
Bilder zeige. Die doktrinäre, „melanchthonische"
Erfassung der reformatorischen Grundgedanken (1,228)
hat wahrlich auch ihre Nachteile gehabt, und die „notwendigen
guten Werke" haben oft gefehlt, wo sie
hätten da sein sollen,/. B. bei den fast ständigen Streitigkeiten
von Geistlichen und Weltlichen; die Schwäche des
obrigkeitsfrommen Luthertums im Vergleich mit dem
Kalvinismus, der unter diesem Gesichtspunkt freilich
als „der schärfste Ausdruck protestantischen Wesens"
(II, 4) erscheinen kann, ist in Siebenbürgen oft bedauerlich
deutlich hervorgetreten; und die Kirchlichkeit
des Volkes wurzelt offenbar zu einem guten Teile
in einem Hangen am Alten, dem die Auseinandersetzung
mit dem Sozialismus, dem Kommunismus, der Sekten-Propaganda
und einem für die Volkskirche verständnislosen
Gemeinschaftschristentum noch erspart geblieben ist.
Aber vieles bleibt doch beneidenswert. Ich nenne kurz:
die enge (im konfessionell gespaltenen Deutschland nie
vorhanden gewesene) Zusammengehörigkeit von Volkstum
und evangelischem Christentum; das seit 1897 freilich
durchlöcherte (vgl. über die „Gruppisten", wie
der Studio sagt: II, 522 u. 550) Hindurchgehen der
Pfarrer durch den Schuldienst an Mittelschulen oder

Gymnasien, das im Verein mit der pas totalen Amtstätigkeit
mancher Dorfschullehrer einen nach seiner Ausbildung
dreifach abgestuften Klerus geschaffen hat; das
hiemit zusammenhängende vierjährige Studium der
Theologiestudierenden (soweit sie nicht „Gruppisten"
sind, d. h. zu der „Gruppe" derer gehören, die „nur
Theologen" sind und mit 3 Jahren abkommen); die
Bruderschaften und Schwesternschaften sowie die Nachbarschaften
; die weitgehende Beteiligung der doch nicht
reichen Kirchenglieder an der Deckung der kirchlichen
Ausgaben ; als Beispiel beneidenswerter Einzelheiten das
durch die kirchliche Sitte geschützte vierwöchent-
liche Zuhausebleiben der Wöchnerinnen; und last not
1 e a s t die seit dem Ende der orthodoxen Zeit der theologischen
Enge entwachsene Weite des Siebenbürger
Luthertums. In letzterer Hinsicht vergleiche man das,
was Teutsch (II, 570f.) über die Synode von 1911
berichtet, mit der preußischen Kirchenversammlung von
1921 und 1922! In Siebenbürgen weiß man es, daß die
Volkskirche einen weiteren Rahmen braucht als den einer
noch so sehr modernisierten Bekenntniskirche alten Stils.

Die siebenbürgische evangelische Kirche ist durch
das Aufgehen Siebenbürgens in Großrumänien in
eine neue Epoche ihrer Geschichte hineingeschoben worden
. Das Aufhören des langen Verbundenseins mit
Österreich-Ungarn ist den konservativen Sachsen gewiß
schmerzlich gewesen. Aber es kann der evangelischen
Kirche Siebenbürgens, auch abgesehen von der annähernden
Verdoppelung der im engern und weiteren Sinne zu
ihr gehörigen Evangelischen, trotz allen Drucks zum Segen
werden. Das wünschen wir Reichsdeutschen ihr von Herzen.
— Eriedrich Teutsch hat im Vorwort zu „Kirche
und Schule" das geistvolle Bild, das die Entwicklung
im Siebenbürger Sachsenlande (d. h. ihr Resultat: die
Zusammengehörigkeit von Kirche und Volkstum) „mit
dem gotischen Dom verglich, dessen zwei Türme zum
Himmel emporsteigen", dies Bild, „das, solange es eine
politische sächsische Nation gab, der Wirklichkeit entnommen
war", noch feinsinniger den Verhältnissen der
Gegenwart angepaßt, wenn er sagt: „Nun der eine
Turm abgetragen ist, ist der andre um so mehr Wahrzeichen
des Ganzen geworden". Möge der Dom mit
dem einen Turm an Dauerhaftigkeit das Straßburger
Münster noch übertreffen, an das dieses Teutsche
Bild uns erinnert! Der „wunderschöne" deutsche Bau
hat durch die Jahrhunderte hin kleinen und großen
Wechselfällen stand gehalten.

Halle a. S. Fr. Loof s.

Moser, Eugen: Konfuzius und wir. Erlenbach-Zürich: Rotapfel-
Verlag 1923. (182 S.) 8°. Qm. 2.20; geb. 3—.

Es ist kein Sinologe, der in diesem Buch zum Leser
redet, erhebt auch selbst den Anspruch nicht, als solcher
angesehen zu werden. Und sein Buch wendet sich aus-
gesprochenermaßen (S. 177) nicht an gelehrte, sondern
an weitere gebildete Kreise. Diese aber können die Gewißheit
haben, mit ihm nicht angeführt zu sein. Dreifach
ist des kleinen Werkes Inhalt: in seinem ersten Drittel
die historische Darstellung des Kampfes um Konfuzius
bei uns im Westen, mehr bietend als die Vorarbeiten
auf diesem Gebiete (als die zu nennen wären: Martino,
„L'Orient dans la Literature Franchise", Söderblom,
„Das Werden des Gottesglaubens", Cordier, „La Chine
en France", Haas, „Das Sprachgut Kungtszes und Lao-
tszes in gedanklicher Zusammenordnung", Merkel,
„Leibniz und die Chinamission", Reichwein, „China
und Europa", zujüngst Devaranne, „Konfuzius und der
Westen" in Ztschr. f. Missionsk. u. Relw. (XXXVIII, 12
und XXXIX, 1), in seinem Kernteil eine Darlegung und
Würdigung der Lehren Kungs unter den drei Kapitelüberschriften
: „Zur Jugendlehre Kungs"; „Kung, der
Politiker"; „Kung, der Moralist". Das dritte ist, daß
Moser die Frage erörtert, ob der Konfuzianismus heute
im Absterben, oder aber ob seine Werbekraft im Wachsen