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Ausgabe:

1924

Spalte:

1-7

Autor/Hrsg.:

Wernle, Paul

Titel/Untertitel:

Der schweizerische Protestantismus im XVIII. Jahrhundert. 1. Bd.: Schlußlfgn 1924

Rezensent:

Staehlin, Ernst

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Postalischer Erscheinungsort Marburg

Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack

Herausgegeben von Professor D. Emanuel HlFSCh unter Mitwirkung von
Prof. D. Wilh. Heitmüller, Prof. D. Dr. Q. Hölscher, Prof. D. Arthur Titius, Prof. D. Dr. G. Wobbermin

Mit Bibliographischem Beiblatt, bearbeitet von Lic. theol. Kurt Dietrich Schmidt, Göttingen
Jährlich 26 Nrn. -Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

Bezugspreise für das Ausland vierteljährlich 12.50 s. Fr.; 38.75 fr. Fr.; 45— b. Fr.; 10 sh.; 2.25 $; 6— Fl.;
12.50 d. Kr.; 15— n. Kr.; 8.20 s. Kr.; 50— Lire; 100000 öst. Kr-; 75— tsch. Kr.; 85— finn. Mark.

in i l. ~ Mr 1 Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D. Hirsch in Oöttingen, yy Innimr 1074

4V. JaUrg» I. Nikolausberger Weg 31, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. «»«»iiuai oit.

Wcrnle, Der schweizerische Protestantismus
im XVIII. Jahrhundert (Staehelin).

Neutninn, Die Lieder der Mönche n. Nonnen
Ootamo Buddhos (Franke).

Bieber, Kaffa (Titius).

Herrmann u. Baumgärtel, Beiträge zur
Entstehungsgeschichte derSeptuaginta (Große-
Brauckmann).

H a wley, A Critical Examination of tue Pcshitta
Version of the Book of Ezra (Rahlfs).

Krauß, Synagogale Altertümer (Dalntan).

Dieckmann, Die Verfassung d. Urkirche (Koch).
Machen, The Origin of Paul's Religion
(Bultniann).

v. Harnack, Neue Studien zu Marcion (Koch).
Hirsch, Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen

Mittelalter (Stimming).
Wolf, Quellenkunde der deutschen Refor-

matiousgeschichte (Titius).
König, Konr. Peutingers Briefwechsel (Clemen).
Jordan t, Reformation und gelehrte Bildung

(Schornbaum).

Beck, Die ntssische Kirche (Bonwetsch).
Leese, Die Geschichtsphilosophie Hegels

(Schweitzer).
Pleßner, Die Einheit der Sinne (Titius).
Weichbrodt, Der Selbstmord (Titius).
v. Harnack, Erforschtes und Erlebtes (Schian).
Procksch, Altes Testament und Judentum

(Beer).

Beyer, Die unendliche Landschaft (Stuhlfauth).
Mitteilung (Hirsch).

Wer nie, D. Paul: Der schweizerische Protestantismus, im : Schweiz von Basel bis nach St. Gallen entscheidend ein-

XVIII. Jahrhundert. 1. Band. Das reformierte Staatskirchentum ; zuwirken"; im Mittelpunkt steht der mit fünf andern

und seine Ausläufer (Pietismus und vernünftige Orthodoxie). Tfi- ] Geistlichen abgesetzte Joh. Konrad Ziegler „der Dichter

hingen: J. c.B. Mohr 1923. (XX, 6S4 S.) Lex. 8°. | des schaff hansischen Pietismus"; zum gleichen Kreise

Nachdem auf Sp. 19 f. laufenden Jahrganges dieser gehören der Buchdrucker Benedikt Hurter, der 1736

Zeitschrift die erste Lieferung dieses Standardwork be- '. Gottfried Arnolds Kirchen- und 'Ketzergeschichte er-

sprpehen worden ist, liegt nun der ganze erste Band ab- : weitert herausgab, Salomon Peyer, Marx Jetzier und

geschlossen vor, und wir fahren in der Analyse fort. Johann Rudolf Hanhart, der Chirurg von Dießenhofen;

Mit dem Scheitern der pietistischen Kirchenreform I .die wesentliche Art dieses Schaffhauser Pietismus war

war das Auftreten eines auf eigene Faust vorgehenden, i „der Geist einer schroffen Kirchenfeindschaft und einer

mehr oder weniger separatistischen Pietismus gegeben. ; hart gesetzlichen Lebensführung", „mehr Religion des

Es war stark abhängig von deutschen und französischen ! Suchens und Sichsehnens als des froh und gesund ma-

Einflüssen. Im Welschland überwogen die französischen, j chenden Gottesbesitzes". Auch St. Gallen hatte viel mit

bestehend in der schwärmerischen und draufgängerischen j separatistischen Bewegungen zu schaffen, aber schließ-

Richtung der Antoinette Bourignon und der hugenot- j lieh blieb allein der kirchliche Pietismus des Dekans

tischen inspirierten auf der einen und der quietistischen ; Heinrich Stähelin und seines Laienfreundes David Anton

Richtung der Frau von Guyon auf der andern Seite, j Zollikofer übrig, auch er noch ein Anstoß für die sich

So sehen wir auch in der welschen Schweiz diese zwei j orthodox gebärdenden Zünfte: „heute wären jene Zunft-

Typen Gestalt gewinnen; der erste ist etwa vertreten
durch den Wasser- und Luftapostel Cordier. den eroto-
manen Donadille, die jugendliche Marie Huber, in einer
gewissen Weise auch durch Major Davel; selbst die
größeren Gestalten eines Francois de Magny, Charles
Hektor von Marsay, Nicolas Sam. de Treytorrens gehören
ursprünglich dahin, machen dann aber alle den

freunde, die gegen die Privatversammlungen tobten, gut
freisinnig; damals war man eben orthodox". Im Appen-
zellerland erregten besonders die Berleburger Bibel,
Böhme und Dippel die Geister. Auch das Toggenburg,
Rheintal und Thurgau hatten ihre pietistischen oder
separatistischen Bewegungen; „nur das Glarnerland
scheint zu seinem Schaden ganz'davon verschont geÜbergang
„zu der innerlichen Gottgelassenheit der Frau j blieben zu sein". In Graubünden steht im Mittelpunkt

von Guyon". Den literarischen Niederschlag findet der
radikale Pietismus der Westschweiz am umfassendsten
in den späteren Schriften des ,aus der Berner Kirche
herausgedrängten Beat Ludwig von Muralt. Ähnlich verbinden
sich in der deutschen Schweiz spontane Erweckungen
mit den Einwirkungen der deutschen Inspirierten,
vor allem Rocks mit seinen fünf Schweizerreisen; aus
der Schweiz schließen sich ihnen besonders Hans Ulrich
Gie/endanner aus dem Toggenburg, Hans Jakob Schult-
heß aus dem Haus beim gewundenen Schwert in Zürich,
Hans Martin aus dem Baselbiet an. So entstehen in
der deutschen Schweiz, kräftige Zentren des Pietismus.
„Dem kleinen Schaffhausen gebührt eine Vorzugsstellung
in der Geschichte der pietistischen Bewegungen dieser
Zeit; es fing die Anregungen der Inspirationsbe-
wegung am eifrigsten auf, verarbeitete sie selbständig
und verstand es, auf die weitesten Kreise der deutschen
I

der von Böhme, Arnold und Poiret genährte Daniel
Willi, zuerst Pfarrer in Thusis und als solcher Gründer
eines Waisenhauses; dann zieht er sich „als rechter
Mystiker" zehn Jahre ins Privatleben zurück, verfaßt
während .dieser Zeit ein als Katechismus gedachtes Rät-
selbüchlen, „eine kühne Umdeutung der protestantischen
Dogmatik ins Mystische und Theosophische", wird aber
nach einem über ihn ergangenen Ketzersturm wieder
Pfarrer, diesmal in Chur; alles in allem war er für
Graubünden „der homo religiosus, der im Reich des Göttlichen
, in das die andern gelegentlich hineinzuschauen
wagen, als in seiner Heimat zu Hause war". In Zürich
bildete sich „ein kleines Häuflein frommer Freunde und
Freundinnen" um den angesehenen Seidenbandfabrikanten
Hans Heinrich Schultheß, den Vater des Inspirierten
Hans Jakob Schultheß, und um den Extheologen Beat
Holzhalb; dieser Kreis war zugleich „der erste schwei-

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