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Ausgabe:

1924 Nr. 9

Spalte:

182-183

Autor/Hrsg.:

Kühnemann, Eugen

Titel/Untertitel:

Kant. Erster Teil: Der europäische Gedanke im vorkantischen Denken 1924

Rezensent:

Stephan, Horst

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181 Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 9. 182

Irenaus abhängig, und er hat ihn richtig verstanden
(vgl. meine Schrift .Kallist und Tertullian' 1920, 70ff.).

Als weitere, auf dem vatikanischen Konzil und
schon vorher umstrittene Stelle behandelt Pr. die Erklärung
des Unionskonzils von Florenz in der Bulle
Eugens IV. .Laetentur coeli' vom 6. Juli 1439: Sanctam
apostolicam sedem et Romanum pontificem in Universum
orbem tenere primatum et ipsum pontificem Romanum
sticcessorem esse beati Petri principis aposto-
lorum et verum Christi vicarium, totiusque ecclesiae
caput et omnium Christianorum patrem ac doctorem
existere, et ipsi in beato Petro pascendi, regendi ac gu-
bernandi universalem ecclesiam a Domino nostro Jesu
Christo plenam potestatem traditam esSe, quemadmodum
etiam in gestis oecumenicorum conciliorum et in sacris
canonibus continetur. Flavius Blondus, der Sekretär
Eugens IV., führt den Nebensatz quemadmodum nicht
mit etiam, sondern mit et... et an, und der griechische
Text lautet: y-a^ M' tqÖuov -/«/ ev rolg jtQay.riv.olg tojv
olxoviievivMV ovvodiov -/ort iv rolg itoolg xav6oi '/.aitßäverai.
Darnach erscheint der Beisatz als eine Einschränkung,
während er bei der Lesart etiam sich als geschichtliche
Bestätigung der päpstlichen Vollgewalt darstellt. Die
Gallikaner, sowie Febronius Maret, Döllinger erklärten
das etiam für einen Irrtum oder eine Fälschung Abrahams
von Creta, des Herausgebers der Akten des Floren-
tinums. Ihnen gegenüber erstand den Kurialisten ein
Helfer in dem protestantischen Gelehrten Fromman, der
darauf hinwies, daß in den von ihm eingesehenen Urkunden
überall ,etiam' stehe und im griechischen Text
des florentinischen wie des vatikanischen Originals nach
dem zweiten v.al das h fehle. Haben so die Päpstlichen
hinsichtlich der Lesart Recht behalten, so ergab
sich anderseits aus Frommans Untersuchungen, daß zu
Florenz weder auf griechischer noch auf lateinischer
Seite volle Ehrlichkeit waltete und das Unionsdekret für
die Unfehlbarkeit nicht angerufen werden kann. In der
Constitutio de ecclesia des vatikanischen Konzils ist die
Stelle des Dekrets in cap. III de vi ac ratione Romani
pontificis verwertet. Die Worte ,et iudicem supremum'
aber, die im ursprünglichen Schema hinter .doctorem'
eingeschaltet waren (aus dem Breve Pius' VI. .Super
soliditate'), wurden bei der letzten Fassung wieder gestrichen
.

München. Hugo Koch.

Hütteroth, Pfarrer Oskar: Kurhessische Pfarrergeschichte.

I.Band: Die Klasse Treysa. Treysa: Selbst-Verlag 1Q22. (250S.) 4°.

Auf 234 Folioseiten werden Leben und Schicksale
der katholischen und evangelischen Pfarrer vom Jahre
1200—1922 in chronikartiger Darstellung und behaglicher
Breite erzählt. Mehr als 1200 Personennamen

zählt allein das dem Buche beigegebene Verzeichnis, j Werk zu richten. Wer seine früheren Schriften kennt

Vorländer, Karl: Immanuel Kants Leben. 2. Auflage (4.-6.
Tausend). Leipzig: Felix Meiner 1921. (XI, 223 S.) kl. 8°. = Der
Philosophischen Bibliothek Bd. 126. Gm. 3—; geb. 4—.

Die bekannte kurze Darstellung von Kants Leben
aus der Feder von Karl Vorländer erscheint hier in
zweiter, mannigfach veränderter Auflage. Der Verfasser
ist heute wohl der beste Kenner dieser Materie, und es
ist nur zu hoffen, daß auch seine große Kant-Biographie
trotz der Ungunst der Zeiten in Bälde erscheinen kann.
Bis dahin ist dieses vortrefflich einfach und klar geschriebene
Buch jedem zu empfehlen, der Auskunft über
Leben und Schriften Kants sucht.

Berlin. A. Buchenau.

Kflhnemann, Eugen: Kant. I.Teil. Der europäische Gedanke im
vorkantischen Denken. München: C.H.Beck 1923. (XI, 55S S.)
8°. Gm. S- ; geb. 11-.

K. möchte Kant ein Jubiläumsdenkmal rüsten. Darunter
versteht er: „seinen Gedanken jedem ernsten
Leben zugänglich machen und nicht allein dem Leben
erhalten, sondern durch ihn dem Leben seinen Ernst
wahren". Sein Ziel ist daher nicht etwa eine neue gemeinverständliche
Darstellung der Kantischen Philosophie
; er will vielmehr den Hauptgedanken Kants,
von allen Zufälligkeiten befreit, als so innerlich notwendig
und darum als so zwingend erweisen, daß der Leser
ihn. gleichsam neu erzeugen und damit als Eigenbesitz
gewinnen muß. Wahrlich eine gewaltige Aufgabe! Der
zunächst vorliegende LB. will ihre Lösung geschichtlich
vorbereiten: die Entwicklung des europäischen
Geistes und Bildungsgedankens, der im Denken Kants
die volle Klarheit des Selbstbewußtseins erreicht, gibt ein
vorläufiges Zeugnis für die innere Notwendigkeit der
Kantischen Philosophie. Durch 3 Grundmächte sieht
K. jene Entwicklung getragen: die griechische Philosophie
(Sokrates, Plato, Aristoteles), das Leben Jesu
Christi, die moderne Naturwissenschaft. Auf dem von
ihnen bestimmten Boden erwachsen dann 3 Grundrichtungen
des modernen philosophischen Geistes, die
in 3 klassischen Führern zur Darstellung kommen:
Spinoza für die Metaphysik, Hume für den englischen
Empirismus, Leibniz für die deutsche Bildung, die in
Lessing und Herder ihre weitere geschichtliche Gestaltung
und Erfüllung findet. Das Verhältnis dieser Grundrichtungen
zueinander mit seiner eigentümlichen Problematik
schließt die Aufgabe ein, die Philosophie als
Wissenschaft in der Weise neu zu begründen, daß sie
alle zu ihrem Rechte kommen, ohne daß ihre Spitzen
abgebrochen und ihre Kräfte in Kompromissen verwässert
werden: die Aufgabe Kants.

Obwohl erst der 2. B. die Lösung der Aufgabe
zeigen und damit diese selbst nach allen Seiten klären
kann, lohnt es sich doch schon jetzt, das Auge auf K.s

Eine Fülle von Material, aus geographisch engbegrenztem
Räume, etwa einem halben kurhessischen Kreise,
wird geboten. Wertvolle Notizen über Verwendung von
Kirchengut aus den Tagen des Landgrafen Philipp des
Großmütigen, Nachrichten über die soziale Stellung der
Pfarrer, ihre Familien, ihre Herkunft und ihr Gehaben,
ihr Studium und ihre literarische Tätigkeit werden mit
der peinlichen Genauigkeit des Chronisten ohne besondere
Rücksicht auf größeren oder geringeren Wert gegeben
. Kurze Selbstbiographieen noch lebender Pfarrer
fehlen nicht. Die „Pfarrergeschichte" ist darum eine
Sammlung von Materialien zu einer noch zu schreibenden
Geschichte des hessischen Pfarrerstandes. Freilich
müssen dann erst noch dem 1. Bande weitere 15—20
j.Bände folgen, aber gewiß ließe sich auch ohne diese
Vollständigkeit eine Geschichte des kurhessischen
Pfarrerstandes schreiben. Es wird ein Vorteil sein, wenn
die etwa noch folgenden Bände mehr als der erste die
Presbyterial-Protokolle als Quellen benutzen.
Cassel. Bachmann.

der weiß auch, wie sehr es ihm überall darauf ankommt,
durch das Lebenswerk, die Formeln und Systeme hindurch
auf den Lebensnerv ihrer Schöpfer zu stoßen, ihn
bloßzulegen und anschaulich zu machen. Er übt diese
Kunst hier wiederum in meisterhafter Weise. Und zwar
führt er dabei noch tiefer als früher in das religiöse
Leben hinein. Seine Helden werden uns wahrhaft lebendig
, wir müssen sie lieben. Auch über Jesus hören wir
feine fromme Töne; seine Liebe, sein Todesleiden, der
Glaube als eine besondere Art der Gewißheit erhalten
eine Würdigung, wie wir sie in der Philosophie nicht
mehr gewöhnt sind. So treten denn zwei Linien in jener
Entwicklung heraus: die Geschichte des europäischen
Gedankens und die der europäischen Seele; jene empfängt
von Plato, diese von Jesus her die stärkste Bewegung
. Das Ganze ist beherrscht von einem teils erkenntnistheoretischen
teils religiösen Idealismus, in
dessen Entfaltung Aristoteles, die moderne Naturwissenschaft
und Hume zwar auch wichtige Faktoren von treibender
Kraft, aber nie das letzte Wort, nie im allerhöchsten
Sinne führend sind. Dem Theologen hat ein solches