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Ausgabe:

1923 Nr. 8

Spalte:

177-178

Autor/Hrsg.:

Jelke, Robert

Titel/Untertitel:

Die Wunder Jesu 1923

Rezensent:

Bultmann, Rudolf

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177

Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 8.

178

in Fällen wo spätere Publikationen längst ein besseres
Verständnis des Textes erreicht haben. Im übrigen enthält
der Abschnitt über die Verwandtschaft des Johevg.
mit den Oden Salomos richtige Beobachtungen, die freilich
beim einzelnen stehen bleiben und nicht in die notwendige
Tiefe geführt sind. — Merkwürdig ist, daß
S. 39 als Vertreter des Rationalismus des fetzten Menschenalters
A. Rietschel (sie) erscheint.

Marburg. R- Bultmann.

Friedell E^on: Das Jesusproblem. Mit einem Vorwort von
Hermann Bahr. Wien, Rikola-Verlag 1Q21. (85 S.) kl. 8°.
Das Schriftchen will die Bestreiter der Geschicnt-
lichkeit Jesu widerlegen und tut das mit guten Gründen
gesunden Menschenverstandes. Wert für die Wissenschaft
besitzt es nicht, da der Verf., dessen Bildung und
Urteil sympathisch berühren, den religionsgeschicht-
lichen Problemen offenbar fern steht und über das Maß
der Erkennbarkeit Jesu wie über die Zuverlässigkeit der
Quellen teils zu optimistisch, teils zu summarisch urteilt
. Er möchte z. B. zu den bekannten Schmiedeischen
„Grundsäulen" auch das Wort Jesu Joh. 2, 4 hinzurechnen
. — Auf das geistreichelnde Vorwort H. Bahrs
würde man lieber verzichten.

Marburg. R- Bultmann.

J el k e, Prof. D. Dr. Robert: Die Wunder Jesu. Leipzig, A. Deichert
1922. (125 S.) 8°. Oz. 3

Unter Wunder versteht der Verf. „ein Ereignis, das
uns ebenso auf dem Boden der Natur wie der Geschichte
begegnet, und das sein eigentliches Kennzeichen darin
hat, daß es auf den Beobachter den Eindruck des Außergewöhnlichen
macht, daß es für die menschliche Auffassung
aus dem Rahmen des gewohnten Verlaufes der
Dinge in Natur und Geschichte herausfällt und daher
dem menschlichen Nachdenken zum Probleme wird"
(S. 13). Zugleich sind die Wunder „Ausdrucksmittel
eines sie selbst mitumfassenden einheitlichen Zusammenhangs
" (14), und zwar kommt in den Wundern der
christlichen Tradition die Offenbarung des sein Heil
schaffenden Gottes zum Ausdruck (125). — Dem ersten
Charakteristikum entspricht es, daß das Wunder für den
Verf. ein relatives ist, da seine Bestimmung an dem jedesmaligen
Stande der menschlichen Erkenntnis orientiert
ist (16). Wie dabei der irrationale Charakter des
Wunders noch behauptet werden kann (21), verstehe
ich nicht, da das Irrationale doch nicht ein relativ Unerkanntes
ist, sondern den Gegensatz zu jeder möglichen
Erkenntnis bedeutet. Daß das Wunder zugleich ein metaphysisches
Wunder ist, d. h. daß es „aus den erfahrungsmäßigen
Gesetzen des bisherigen Weltlaufs nicht erklärt
werden kann und also in dieser Unerklärbarkeit
das Moment enthält, das geeignet ist, den Menschen die
Unmittelbarkeit des göttlichen Wirkens zum Bewußtsein
zu bringen" (19), läßt sich zugleich mit der Relativität
des Wunders doch nur auf Grund eines höchst fragwürdigen
Begriffs des Metaphysischen behaupten, wonach
das Metaphysische nur das bedeuten soll, „worin
das als Wunder zu bezeichnende Phänomen aus der Analogie
der sonstigen" (d. h. doch dem relativen Erkenntnisstande
entsprechenden) „Erfahrung des Subjektes herausfällt
" (21)! Man sieht jedenfalls, daß ein recht platter
Rationalismus dieser Behandlung des Wunderbegriffs zu
Grunde liegt.

Auch die „philosophische" Rechtfertigung des Wunders
scheint mir infolge des Mangels an Schärfe der Begriffe
recht fragwürdig, wie ich schon die Stellung der
Aufgabe: „Nachweis der wissenschaftlichen Möglichkeit
des Wunders" (84), nur für absurd halten kann.
In Auseinandersetzung wesentlich mit Wendland, Stange
und Fr. Traub gelangt der Verf. zu dem Ergebnis, daß
das Wunder als ein aus den uns überschaubaren Kausalreihen
herausfallendes und auf einen von Gottes Willen
verfügten Zusammenhang zurückgehendes Ereignis nicht
nur für den Menschen die Erkenntnis Gottes ermögliche,

sondern daß es sogar mit den Prinzipien unseres allgemeinen
naturwissenschaftlichen Erkennens im Einklang
stehe, ja daß es eine Lücke unseres naturwissenschaftlichen
Erkennens ausfülle. Wie der Begriff des
relativen Wunders dies alles zu leisten vermag, ist mir
völlig unverständlich.

Der Verf. erkennt theoretisch an, daß auch „heidnischen
Wundern" die geschichtliche Wirklichkeit und
der Offenbarungscharakter nicht abgesprochen zu werden
braucht (wie sollte es auch, wenn das Wunder ein
relatives ist!), aber praktisch liegt ihm doch nur an den
im NT. von Jesus berichteten Wundern, deren historische
Bezeugung er für ausgezeichnet hält, und die nach seiner
Meinung weder rationalistisch, noch — soweit Heilungswunder
— als Suggestionsheilungen zu erklären sind.
Er wendet sich dabei besonders gegen die formgeschichtliche
Betrachtung, die ihm als eine „Rationalisierung
der Materie der neutestamentlichen Berichte"
erscheint (35). Die von mir (Geschichte der synoptischen
Tradition S. 136ff.) als typisch bezeichneten Züge
der Wundergeschichten will er als solche nicht anerkennen
, was ich nicht tragisch nehme. Warum er mir
aber die Behauptung unterschiebt, daß Jesus nichts Wunderbares
getan habe, weiß ich nicht. Ich halte es für
durchaus wahrscheinlich, daß den synoptischen Heilungsgeschichten
Wunder im relativen Verstände des
Verf. zu Grunde liegen. — Die Bedeutung der Wunder
Jesu liegt nach der Meinung des Verf. darin, daß sie
zwar nicht Realgrund aber Erkenntnisgrund des Glaubens
der Jünger seien. Sie haben deshalb indirekte Bedeutung
für uns, da unser Glaube seinen Erkenntnisgrund
in der kirchlichen Gemeinschaft hat, die sich von
den Jüngertagen bis in unsere Zeit fortgepflanzt hat, so-
daß also der Erkenntnisgrund der Jünger auch unser
Erkenntnisgrund ist (80). Was hier unter „Erkenntnisgrund
" verstanden ist, begreife ich nicht; jedenfalls
etwas anderes, als was die Logik sonst darunter versteht.

Marburg. R. Bult mann.

AI tan er, Priv.-Doz. Dr. Berthold: Der hl. Dominikus. Untersuchungen
und Texte. Breslau, Aderholz 1922 (205 S.). Breslauer
Studien zur historischen Theologie von Joseph Wittig und Franz
Xaver Scppelt. Neue Folge der Kirchengeschichtl. Abhandlungen.
Begründet v. Max Sdralek II. Gz. 5.

Endlich eine wirklich wissenschaftliche Untersuchung
über die Quellen zum Leben des h. Dominikus!
Es ist in der Tat auffallend, daß die Dominikaner, denen'
es doch an Gelehrten nicht fehlt, sich bisher um eine
wissenschaftlich brauchbare Biographie ihres Stifters fast
gar nicht bemüht haben. Wie ganz anders stehts bei dem
Heiligen von Assisi! In der vorliegenden Schrift ist
wenigstens die solide Grundlage für eine Dominikusbiographie
geschaffen in wissenschaftlicher Untersuchung
und Vergleichung der aus dem 13. Jahrhundert stammenden
Quellen. Niemand, der über Dominikus schreiben
oder sich unterrichten will, wird an dieser gründlichen
Arbeit vorübergehen dürren, und ich glaube, daß
ihre wohlbegründeten Ergebnisse kaum werden erschüttert
werden können. Diese Ergebnisse sind freilich nicht
erfreulich, denn es zeigt sich, daß wir eigentlich nur eine
einzige Quelle haben, Jordan von Sachsen, und von ihm
urteilt A.: „Läßt man von dem Texte Jordans alles das,
was rhetorische und hagiogrophisch erbauliche Reflexion
ist, fort, und stellt man nur das zusammen, was an Tatsächlichem
oder auch nur an Aussprüchen, Episoden und
Wundern berichtet wird, so ist man überrascht, wie gering
das Material ist. Ein Blick auf die beiden Franziskuslegenden
des Thomas von Celano läßt uns den gewaltigen
Unterschied, der in der Ueberlieferung des...
Materials vorhanden ist, um so deutlicher erkennen.
Man merkt sofort, daß Jordan nicht wie Thomas von
Celano aus einem lebendig und reich sprudelnden Quell
der Ordensüberlieferung schöpft, sondern daß ihm nur
sehr dürftiges Material zur Verfügung steht." (S. 17)
„Die Armut an historischen und legendären Details bestätigt
den . . . Gedanken, daß Jordan ohne Ausnützung