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Ausgabe:

1923 Nr. 7

Spalte:

159-161

Autor/Hrsg.:

Jackson, F. J. Foakes

Titel/Untertitel:

The Beginnings of Christianity. Part I: The Acts of the Apostles. 2 Volumes 1923

Rezensent:

Dibelius, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 7.

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kurz gekommen zu sein. Und in Rom. 12, 1 ist neben der &vaia ffüaw
auch die Xoyxxri Xatgsia bemerkenswert als Gegenstück zur hiyixrt #«<»'«
der hermetischen Literatur (S. 30 u. 62).

München. Hugo Koch.

Jackson, F.J. Foakes, D.D. and Kirsopp Lake, D.D.: The Be-
ginnings of Chrlstianity. Part 1; The Acts of the Apostles. Vol. I:
Prolegomena I, the Jewish, gentile and Christian Backgrounds.
Vol. II: Prolegomena II, Criticism. London, Macmillan u. Co.,
1920 und 1922. (XI, 480 S. u. XIV, 536 S.) 8°. 18sh.u.24sh.

Ein Werk mit bedeutender Zielsetzung und von uns
Deutschen jetzt geradezu märchenhaft erscheinendem Ausmaß
wird mit diesen beiden Bänden begonnen. Die große
Leistung der vergangenen Generation sei, so meinen die
Herausgeber, die Lösung der synoptischen Frage gewesen
. Nun gelte es, diese Ergebnisse historisch auszumünzen
. Erste Aufgabe eines solchen geschichtlichen
Unternehmens, wie sie es planen, sei eine historischkritische
Durchforschung und Erklärung der Apostelgeschichte
. Und zu diesem ersten Teil des Ganzen, zu
der Text-Ausgabe und dem Kommentar der Acta, legen
sie nun die Prolegomena vor, zwei Bände umfassend,
von denen jeder etwa 500 Seiten stark ist! Der erste
Band soll der Zeichnung des historischen Hintergrundes
gewidmet sein, auf dem sich die in der Apg. erzählte Geschichte
abspielt. Der zweite behandelt die literarischen
Fragen (noch ausschließlich des Textproblems), Komposition
, Quellen und Glaubwürdigkeit der Acta, sowie
die Geschichte der Auslegung in Deutschland und England
. Da in beiden Bänden verschiedene Mitarbeiter
am Werke sind, so ergeben sich natürlich gewisse Widersprüche
. Das ist kein wesentlicher Schade, zumal man
bei dem kritischen Hauptproblem den Gegensatz der
Meinungen in aller Ausführlichkeit schematisch zu Wort
kommen läßt: C. W. Emmet und Hans Windisch treten
als Verteidiger und Kritiker der Lukas-Tradition auf,
sodaß der Leser die Gründe der beiden Anschauungen
von deren Vertretern selbst zu hören bekommt. Emmet
behandelt seine Aufgabe sehr besonnen, ohne eine Verteidigung
der Glaubwürdigkeit um jeden Preis anzustreben
, und im wesentlichen auf Grund der „südgala-
tischen" Theorie, der Identifizierung des Gal. 2, 1 ff.
Berichteten mit der entsprechenden Erzählung von Act
11 (nicht Act 15!), endlich der Ansetzung des Galater-
briefs in der Zeit vor dem Act 15 geschilderten Ereignis!,
Windisch hebt in seiner methodisch außerordentlich gut
gegründeten Abhandlung mit Recht die Unzuverlässigkeit
des Berichtes Act 15 hervor und betont weiter, daß das
Auftauchen und Verschwinden des „wir" ohne Erklärung
besser verständlich sei, wenn der Autor eine Quelle verarbeite
als wenn er aus eigener Erfahrung berichte. Zuviel
Wert legt er m. E. auf die Argumente der vulgären
Kritik, für welche die Frage bezeichnend ist: kann ein
Gefährte des Paulus so oder so berichten? und ebenso
auf die Gleichung .nicht-geschichtlich heißt nicht-luka-
nisch'. Eine selbständige kritische Bewertung der Acta
in Verbindung mit einer Quellenanalyse findet sich übrigens
schon vor diesem Dialog zwischen Tradition und
Kritik. Die Herausgeber, von denen dieser Abschnitt bearbeitet
ist, gehen auf bekannten Bahnen, wenn sie im
eisten Teil der Apg. zwei Quellen annehmen; ich stehe
dem nach wie vor skeptisch gegenüber und vermag vor
allem die Voraussetzung, den Hinweis auf die Analogie
des Lukas-Evangeliums, nicht ohne Bedenken hinzunehmen
, denn die Acta scheinen mir in viel höherem
Maß ein schriftstellerisches Werk zu sein als das von
Markus abhängige, nicht frei über den Stoff verfügende
Lukas-Evangelium. Aber mit vollster Zustimmung kann
ich berichten, daß hier (II S. 158ff.) endlich einmal das
„wir" nicht als Wegweiser des Quellensuchens, sondern
als ein die Analyse erschwerendes Problem empfunden
wird

Wenn die verchiedenartigen Beantwortungen und
Betonungen von Problemen durch die verschiedenen
Mitarbeiter für den Leser eher fesselnd als störend sind,
so gilt das Gegenteil von den Wiederholungen und Un-

gleichartigkeiten in der Behandlungsweise, wie sie durch
die Mehrheit von Mitarbeitern bedingt sind.

So wird auf die Kritik der Apg. durch die Tübinger Schule
dreimal im 2. Bande eingegangen: von Windisch in der Einleitung
seines Aufsatzes, ganz ausführlich von Mc. Giffert in seiner Darstellung
der deutschen Kritik, aber auch — wegen der Wirkung auf
England — von Hunkin in seiner Heerschau über die englischen
Forschungen. Von dem Verhältnis zwischen Acta und Jesephus wird
II 81 f., 311 f. und 355—58 geredet, jedes Mal im Sinne des Skeptizismus
, von der Abfassungszeit der Apg. in der Nachbarschaft der
beiden zuletzt genannten Stellen. Einen Kommentar zu Theophilus,
xpaziatoe und xajrjxE«) erhalten wir II 178f. und 505ff.; die Beziehug von
XQc'iziotos auf einen Beamten wird beidemal bezweifelt; besonders einleuchtend
ist der Nachweis von Cadbury an der zweiten Stelle, der neben
den Nachweis der Papyri für den offiziellen Gebrauch die relative
Häufigkeit des Ausdrucks in Dedikationen stellt und die Unwahr-
scheinlichkeit hervorhebt, daß jedesmal die offizielle Beamtenbezeichnung
gemeint sei.

Ungleichmäßigkeiten in der Behandlung fallen vor
allem im I. Band störend auf. Sie bringen es mit sich,
daß der Referent zu einigen Kapiteln, die im wesentlichen
bekannte Dinge im Umriß vortragen, wenig zu sagen
hat, während andere Abschnitte eigentlich eine Diskussion
erfordern, die den Rahmen eines Referats sprengen
würde. So schildern die Herausgeber im ersten Kapitel
Jerusalem und die jüdische Geschichte zwischen Herodcs
und Gassius Florus nur in großen Zügen; im zweiten
Kapitel dagegen berichtet C. G. Montefiore über den
Geist des Judentums an der Hand vieler rabbinischer
Einzelbeispiele. Dieser Abschnitt, der das Judentum von
50 n. Chr. mit dem von 350 v. Chr. vergleicht, bietet
neue und besondere Gesichtspunkte, während das dritte
Kapitel — wieder von der Hand der Herausgeber —
mit seiner Behandlung der jüdischen Sekten die problemreichste
Partie der jüdischen Religionsgeschichte
doch nicht eindringend genug untersucht, um wesentliche
Resultate erzielen zu können.

Von Montefiores Thesen verdient besondere Beachtung der Hinweis
, dal! die übliche Meinung von der im Judentum immer mehr zunehmenden
Transzendenz Gottes und der dementsprechend wachsenden
Bedeutung der Engel als Mittler zwischen Gott und Mensch nur für
die Apokalyptik gilt und nicht für die Rabbinen (I 47f.). Nicht befriedigen
kann die Behandlung der jüdischen Sekten im dritten Abschnitt
. Die Voraussetzung, Epiphanius sei der erste christliche Schriftsteller
, der jüdische Sekten aufzähle, stimmt nicht; mindestens Hcgesipp
(bei Euseb IV 22,7) und Justin (Dialogus 80) müßten hier genannt
werden, und ohne einen Vergleich mit deren Listen und den gleichwertigen
Aufzählungen in den Apost. Konstitutionen und bei Ephraem
ist eine Untersuchung dieser 7 Sekten-Liste gar nicht durchzuführen.
Und ebenso ist bei einer anderen Sektenliste ohne energische Traditionskritik
nicht auszukommen; bei der Aufzählung der 3 bis 4 .Philosophenschulen
' durch Josephus. Hier wäre doch zuerst zu fragen, wie viele
der mitgeteilten Nachrichten über Pharisäer usw. mit dem Schema der
Liste zusammenhängen und wie viele auf anderer Ueberlieferung beruhen
. Dieser Einwand ist um so notwendiger, als die Herausgeber es
in einem Anhang unternehmen, die übliche Identifizierung zwischen Judas
dem Sohn des Ezcchias und Judas dem Gaulanitcr, dem Begründer
der .vierten Philosophenschule' zu beanstanden. Auch hier wäre zu
fragen, ob die Verschiedenheit der Benennungen und der Unterschied
zwischen Ant. XVII 272 und XVIII23 — Streben nach der Monarchie
dort, nach der Freiheit hier — nicht ebenso auf verschiedene Quellen
des Josephus zurückgehen wie die Widersprüche im Urteil über diese
.Philosophenschule' zwischen XVIII 4—8 und XVIII 24. Wenn die
Herausgeber weiter darauf hinweisen, daß der Parteiname Zelot bei
Josephus nicht vor Bell. IV 161 begegne, wir also trotz des Jüngernamens
Simon Zelotes kein Recht hätten, die .vierte Philosophenschule
' mit den Zeloten gleichzusetzen, so erhebt sich die entsprechende
Frage. Es muß endlich einmal ausgesprochen werden, daß die
„höhere" Kritik an den Jesephus-Berichten in Subjektivismen stecken
bleibt, so lange nicht eindringende analytische Arbeit zwischen der
schriftstellerischen Technik oder Manier des Autors und seinen Traditionen
(oder Quellen) unterschieden hat.

Der erste Band enthält des weiteren eine Darstellung
des römischen Provinzial-Systems sowie eine solche
des geistigen Lebens in der frühen Kaiserzeit, jene von
Duckworth, diese von Clifford H.Moore, endlich eine
groß angelegte Skizze der äußeren und inneren Entwicklung
des frühesten Urchristentums. Alle diese Kapitel
bieten sehr viel Fesselndes, aber die Ökonomie des Werkes
ist mir bei ihrer Lektüre zu einem Rätsel geworden.
Denn — was zunächst die Skizze einer urchristlichen