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Ausgabe:

1923 Nr. 6

Spalte:

127

Autor/Hrsg.:

Clay, Albert T.

Titel/Untertitel:

A Hebrew deluge story in cuneiform and other epic fragments in the Piermont Morgan library 1923

Rezensent:

Meissner, Bruno

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127

Theologifche Literaturzeitung 1923 Nr. 6

128

auch in der trefflichen deutfchen Oberfetzung gut herauskommt
. — Es fehlen auch hier die ftarken, zwingenden
Griffe in Wille und Gemüt, die für ein chriftliches
Ideal von Erziehung notwendig im Vordergrunde flehen
müßten, das Starke, Robufte, Willens- und Gehorfams-
mäßige, das Fordernde und Unterwerfende, das dem
Gotte alten und neuen Teftamentes eignet. Aber es hat
ein jeder zu fagen, was ihm gegeben ift.
Marburg. Rudolf Otto.

Clay, Albert T.. A Hebrew deluge story in cuneiform and other epic
fragments in the Pierpont Morgan library. Yale Oriental
Series: Researches: Volurame V—3 (86 Ss., VII PI).
Der Hauptwert diefes Buches befteht in der Veröffentlichung
von drei mythologifchen Texten, eines Fragments
einer Sintfluterzählung, die aus der Regierung des
Königs Ammizaduga (c. 1950 v. Chr.) herftammt, eines
Stückes der Etanalegende, das vielleicht ebenfo alt ift,
und eines affyrifch gefchriebenen Fragmentes der Ada-
palegende. Alle drei Texte waren fchon früher von
Scheil bekannt gegeben, aber Clay hat fie jetzt, nachdem
fie in der Bibliothek Pierpont Morgans gelandet
find, nochmals in mufterhafter Weife veröffentlicht und
dabei befonders bei der fchwer zu lefenden erften In-
fchrift viele neue Lefungen feftgeftellt. Zweifellos hat
fein geübtes Auge aus der fchlecht erhaltenen Tafel
herausgeholt, was herauszuholen irgend möglich war.
Dafür gebührt C. unfer Dank. Seine Überfetzung der
Infchriften, denen er noch eine Bearbeitung fämtlicher
babylonifcher Sintfluterzählungen beigefügt hat, fleht
aber nicht auf der Höhe. Vor allem ift es eine Marotte
von ihm, alle möglichen Worte durch Vergleichung mit
dem Hebräifchen als amoritifch zu erklären. So glaubt
er denn auch allen Emdes, daß unfere Sintfluterzählung
hier nicht genuin babylonifch, fondern von den Amo-
ritern, die in Syrien fchon vor 4000 v. Chr. ein großes
Reich hatten, nach dem Zweiftromlande gebracht fei,
und daß fie infolgedeffen in ihrer Form noch viele
Amoritismen aufweife. In einem befonderen Kapitel
fucht er die fchon in feinem Empire of the Amorites
(vgl. diele Ztg. 1922, 2 f.) aufgeftellte Behauptung von
neuem zu beweifen, daß 1) die Semiten in Syrien und
Mefopotamien nicht aus Arabien herftammten, fondern
in ihrem Lande autochthon waren und fchon früh eine
von der babylonilchen und ägyptifchen unabhängige
Kultur befaßen, und 2) daß alle Semiten Babyloniens
aus eingewanderten Amoritern beftanden, die fleh dann
unter dem Einfluffe der Sumerer zu einem befonderen
Volksftamme entwickelt haben. Ob der Pan-Amoritis-
mus mehr Glück haben wird wie der Pan-Babylonismus
bleibt abzuwarten. — Wichtig ift noch eine Schlußnotiz
über die Lage der Stadt Isin, die Clay nach Berichten
des englifchen Oberften Stevenfon in dem heutigen
Ruinenhiigel Bahrijat, c. 17 englifche Meilen füdlich von
Nippur, wiederfinden möchte.

Berlin. Bruno Meißner.

Keulers, Prof. Dr. jofeph: Die eschatologifche Lehre des vierten

Esrabuches. Freiburg i. Br. : Herder & Co. 1922. (X, 204 S.) 8°=
Biblifche Studien, begr. von O. Bardenhewer, XX. Band, 2. u. 3. Heft.

Gz. 5,2

In einer Einleitung befpricht Keulers die Hauptideen
des Spätjudentums, z.B.: Zug zum Univerfalismus,
Verdrängung des Kultus durch das Gefetz, Individualismus
, Neigung zu eschatologifchen Spekulationen. Bei
den letzteren mache fich eine mehr national-jüdifche und
eine mehr univerfal-transzendente Richtung bemerkbar.
Es folgt dann als erfter Hauptteil — in Abhängigkeit
von Gunkel — eine Charakteriftik des 4. Esrabuches als
apokalyptifche Schrift; ferner eine Skizze der .Theologie'
(befler wäre Dogmatik) Esras nach bekannten Schematis:
Theologie, Angelologie, Anthropologie ufw., Theodizee, die
Eschatologie: in den 3 erften Vifionen überwiege das
Allgemein Menfchliche und Transzendentale, in der 4.—6.
Vifion das National-jüdifche. Im Anfchluß an Gunkel

verteidigt K. die Einheit des Buches. Verfchiedene
Traditionen feien von einem Verfaffer zu einem Ganzen
vereinigt. Das jüdifche Meffiasreich fei das Zwifchen-
reich zwifchen diefem und jenem Äon. Der 2. Hauptteil
ift dann der fpeziellen Darftellung der Eschatologie Esras
gewidmet.

Das Ganze ift eine fleißige und brave Arbeit. Die
dogmatifche Befangenheit verleugnet fich nicht. Denn
nach K. foll die ifr.-jüdifche Eschatologie nicht aus
fremdländilchen Religionen hergeleitet werden können
(S. 5, Anm. 1). ,Das Spätjudentum hat im wefentlichen
die alte Religion der Propheten beibehalten' (S. 2). Das
ift natürlich für jemand zu fagen möglich, für den die
univerfaliftifche Eschatologie bedeutend älter ift als die
Wellhaufenfche Schule zulaffen wollte, was gezeigt zu
haben das Verdienft Greßmann's fei (S. 5, Anm. 1).
Heidelberg. G. Beer.

Bonwetsch, G. Nathanel: Die Bücher der Geheimnisse Henochs.

Das fogenannte flavifche Henochbuch. Leipzig: J. C. Hinrichs 1922
(XIX, 124 S.) gr. 8" = Texte u. Unterfuchungen z. Gefch. d. allchriftl.
Literatur 44,2. Gz. 4,5

Das fogenannte flavifche Henochbuch ift uns in einer
längeren und in einer kürzeren (aus einer längeren ge-
floffenen) Rezenfion durch die englifche Überfetzung von
Morfill-Charles 1896 und die deutfehe Überfetzung
von Bonwetfch aus dem gleichen Jahre bekannt. Bonwetfch
druckte damals bereits die beiden Redaktionen getrennt.
Seinem Verfahren haben fich Forbes-Charles in the Apo-
crypha and Pseudepigrapha of the O. T. Oxford 1913 II,
42511. angefchloffen. In die Kautzfch'fchen Apokryphen
und Pfeudepigraphen des AT. ift leider unfer Pfeudepi-
graph nicht aufgenommen.

Bonwetfch befchenkt uns nun mit einer neuen, die
beiden Rezenfionen wiederum getrennt bietenden deutfchen
Überfetzung auf Grund eines reicheren Handfchriften-
materials, worüber er felbft in der Einl. S. Vff. eingehender
berichtet. Dadurch gewinnt er dem englifchen Konkurrenten
gegenüber einen bedeutenden Vorfprung; man
vgl. z. B. einmal das für die Gefchichte der Opfers wichtige
Kapitel 45 (Schürer, Gefch. d. jüd. Volkes III4 292)
bei Porbes-Charles und bei Bonwetfch jetzt. Als Zugabe
bietet B. S. 105 ff. die Legende vom Prieftertum
Methufalems, Nirs und Melchisedeks, die in einzelnen He-
nochhandfehriften einen Teil des Buches bildet (vgl.
S. XVIII). Eine Verwertung des flav. Henoch in den
Teftamenten der XII Patriarchen, für die B. früher, wenn
auch zaghaft im Anfchluß an Charles, eintrat, ift ihm
inzwifchen immer unficherer geworden (S. XIVf.) Möge
fich nun, nachdem B. die textliche Überlieferung des
Buches möglichft vollftändig bereitgeftellt hat, der Wunfeh
unferes hochverdienten Herausgebers erfüllen (S. XIX) und
die Kritik fich mit der literarifchen und religionsgefchicht-
lichen Würdigung des wichtigen Pfeudepigraphs abgeben.
Heidelberg. G. Beer.

Weidel, Dr. Karl: Jesu Persönlichkeit. Eine Charakterftudic. 2.
ftark vermehrte Aull. (128 S.) 8°. Halle, O. Marhold 1913.

Mit der Befprechung diefer 3. Auflage haben wir
eine Verfäumnis nachzuholen. Die 1. Auflage erfchien
1908, die 2. wefentlich durch Anmerkungen erweitert,
1913. Im Kern ift die Schrift fich von Anfang an gleich
geblieben. Sie will Jefus als Menfchen des Willens, eines
leidenfehaftlichen, ftolzen, königlichen Willens begreifen.
Nur folch ein gewaltiger eiferner Wille konnte die Fülle
feiner widerftrebenden Anlagen und Kräfte bändigen und
mit herbem Verzicht auf alle anderen Betätigungen ganz
auf die religiös-fittliche Aufgabe fammeln. Dem gewaltigen
Willen entfpricht das gehobene Selbftbewußfein,
dem nur die Meffiasform genügen konnte. Diefer Wille
offenbart fich auch in feiner Redeweife, die nicht rät
und überzeugt, fondern anweift und befiehlt; fie offenbart
fich auch in feinen Heilungstaten. So wird folgerichtig
der ganze Charakter, fein ganzes Auftreten aus
diefer einen Quelle abgeleitet.