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Ausgabe:

1923 Nr. 5

Spalte:

119

Autor/Hrsg.:

Lietzmann, Hans

Titel/Untertitel:

Ein neuer Tatiantext gefunden! 1923

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Theologifche Literaturzeitung 1923 Nr. 5.

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der Menfchheit; die Kirche als einzige Gemeinfchaft
neben ihr kann fie heilen, wenn fie auf jene eingeht. Die
proteftantifche Kirche kann es u. foll es; denn fie ift die
Kirche der Umwelt, im Gegenfatz zur katholifchen als der
der Innenwelt. Soldaten Chrifti follen in Einheit mit den
Innenkirchlern die Welt erneuern; die Kirche weltlich, die
Gemeinde geiftlich. — Viel guter Wille und ftarker Drang,
zu retten und zu heilen; aber welche ideahfierenden
Allgemeinheiten, unklare Erkenntniffe, weltferne Wunfehwirklichkeiten
!

Marburg. F. Niebergall.

Ein neuer Tatiantext gefunden!

Der Pfarrer an der reformierten Gemeinde in Leiden,
Dr. D Plooij hat die Enftleckung1 gemacht, daß die
mittelniederländifche Evangelienharmonie des 13. Jh., die
in einer Lütticher Handtchrift am beften erhalten ift
(herausg. v. J. Bergsma De Levens van Jefus in het
Middelnederlandsch in .Bibliotheek van Middelneder-
landsche Letterkunde' Leiden, Sijthoff 1895—1898), die
Überfetzung eines altlateinilchen Textes darfteilt, der feiner-
feits nicht etwa aus dem Griechilchen, londern direkt
aus dem Syrilchen überfe zt ift. Wir haben alfo, wie P.
an zahlreichen Beifpielen dartut, in dem Lütticher Text
einen Zeugen elften Ranges für den urlprünghchen Tatian
erhalten, der alle bisher bekannten an Güte weit übertrifft
. Allein fchon die von P. beigebrachten Beilpiele
zeigen den tiefgreifenden Einfluß Tatians auf die Gcftaltung
des Evangelientextes der altlyrifchen und altlateinilchen
Zeugen und beftatigen fomit einen Teil der Texttheorie
v. Sodens. Der neue Fund wird zu feiner gründlichen
Verwertung dergemeinfamen Arbeit kompetenter Forlcher
aus verfchiedenen Gebieten bedürfen. Es ift darum be-
fonders freudig zu begrüßen, daß der Herr Verfaffer im
Einvernehmen mit dem Verlag eine erhebliche Zahl von
Exemplaren feines Buches deutfehen und öfterreichifchen
Gelehrten und Bibliotheken zu einem ermäßigten (etwa
deutfehem Inlandspreis entsprechenden) Preis zur Verfügung
ftellen will. Nähere Mitteilung darüber erfolgt an
diefer Stelle. Beftellungen bitte ich an meine Adreffe
zu fenden (für Bibliotheken durch die zuftändigen Fachleute
).

1) A primitive Text of the Diatessaron. The Liege manuscript of
a mediaeval Dutich Translation, a preliminary Study by Dr. D. Plooij
Leyden, witb an introduetory note by Dr. Rendel Harris. Leyden,
SijthofF. 1923, 85 S., 4 Taf. Eine befonderc- Rezenfion wird in der
Th.L.Z. folgen.

Jena, Kaher Wilhelmftr. 12. Hans Lietzmann.

Mitteilung.

D. Lietzmanns Befprechung vonVogels, Novum Testa-
mentum Graece iThLZ 1923 Nr 3) ift leider infolge Verluftes der
Korrektur des Autors durch eine Anzahl fchwerer Druckfehler entftellt.
Ich notiere die wichtigeren:

S. 50 Z. 16 v. u. lies feineren ftatt feinen;

S. 51 Z. 4 v. o. lies Orthographica;

S. 51 Z. 9 v. o. lies om. B(D) ftatt om. B(II);

S. 51 Z. 15 v. o. lies vg ftatt vgl.;

S. 51 Z. 24 v. o. lies quibus ftatt quius;

S. 53 Z. 9 v. u. lies P. Fonck;
Der Abfatz, der S. 5^/53 in Petit fteht, folgt noch einmal ganz
in fehlerfreiem Drucke:

'i ZP'OT. ixjo. B al. vg arm. Wozu ift hier fo auf einmal vereinzelt
die armem che Überfetzung zitiert? und nach welcher Ausgabe?
In meinem armeni.chen N.T. iKonttantinopel 1914 A.B.S.) fteht deutlich
'Irjdov ygiaxov. Vielleicht lieft Zohrab yg. Ina. — aber was geht
das den Studenten an? Und ad rem gehört es ficher nicht. Der Um-
ftand, daß die Notiz zufallig bei Tifchendorf fleht, icheint den Ausschlag
gegeben zu haben. i29 adixta] + nogveia L al. sy. gibt kein zutreffendes
Bild der textgefchichtlichen Entwickelung, denn nogveia ift
alte Variante zu novrjgia: ich würde mindeftens notiert haben novngia
nkeoveq'ia xaxta] xaxia nogveia nl.eove&a DG, lieber aber
noch etwas ausführlicher die Wandlungen des Textes buchen. 216 ev
Vß. oxe] rj tjßega B ift falch: B lieft ev 17 Tjßega, aber das ev fteht
bei Tifch. in der vorhergehenden Zeile und ift deshalb überfehen (wie

I Cor 2, bei ßvan)giOV das Siglum von S* aus gleichem Grunde fehlt).
326 Inaov om. G: das durfte nicht fehlen, wenn (chon die Variante
enoovv DEL notiert wurde, aber aus Tifch. kann man das freilich nicht
entnehmen, fondern muß im Facsimile nachiehen. In 5,4 find am
Fehlen von ßi) das Lehrreichfte doch die Notizen, die Origenes, Auguftin
und Ambrofiafter über das Vorkommen der Lesart in dem ihnen bekannten
Material geben; die dürfen alfo nicht fehlen. Und wenn fchon Orig
Aug als Zeugen genannt werden, warum nicht der hier ebenfo werfvolle
Ambrofiafter, der über ältere lateinilche Zeugen der Lesart berichtet?
(Ambrofiafter kommt überhaupt bei V. feiten zu Wort). Ich fehe keinen
Grundfatz der Auswahl. 5l7 om. xnq dwgeaq B. Richtig, aber ebeufo
lefen 49 Orig. Aug., die zum minderten durch al. angeführt werden
mußten, beffer noch wirklich genannt wurden, damit der Lefer nicht
glaubt, hier liege ein Schreibfehler des Kopiften von B vor, wie etwa 722
93. Anderswo bringt V. lolche Notizen 329 514 63 824 943 I2l4 154
u. ö.) warum hier nicht? 5l8 ift notiert evoq 2"] + avSgwnov D* FG
Aug; gemeint ift aber das zweite evoq von Vers 19! Ferner zeigt fich hier
an einem von vielen hundert Beifpielen der Nachteil dieier grundfatz-
lofen Zitierung bezw. Auswahl von Vaterzeugniffen Die Lesart begegnet,
wie Tilchendorf angibt, bei Irenaeus, und zwar fowohl im lateiniichen
wie im griechifchen Text, Anguftiu und Ambrofius. . Alfo mußte, wenn
überhaupt ein Vätername genannt wurde, unbedingt Irenaeus zitiert
werden. Ich würde formulieren: DG Irengrl Latt. Die Väter bis auf
Clemens und Tertullian dürfen auch in einer editio minor nicht fehlen;
für fpätere genügen bammelligleu, ja sie find nötig, un, das willketliche
und nutzloie Herauszupfen von Einzelnamen zu befeitigen. Daß E und
F wegzubleiben haben, tollte fich allmählich von lelbft verliehen. 612
xaiq en. ctvt.] avirj DEFG: beffer DG Tert, denu es ift kein Grund
erfichtlich, hier Tertullian wegzulaffen, während er anderswo, wenn aucli
feiten, zitiert wird (82. u-37-); dadurch entftent ein falfches Bild beim
Benutzer. 619 om. eiq r. avoß. B syP: hier fehlt wieder Tert., der
nicht fehlen darf, weil er ein alter /euge dafür ift, daß die Lesart von
B auch im Weiten begegnet. 725 om. de B gibt wieder ein falfches Bild,
als ob es Singularität wäre: es ift zu notieren mindeftens B al., beffer
aber B sa ai. oder B sa Grr Hier: Plieronymus kann man auch weg-
laffen, da er mit griechifchem Material arbeitet. r yagiq xov xvgiov
FG ift fallen, obwohl es bei Tilch. fteht: xov fehlt in G. ^ Aber die
Steile ift noch für etwas anderes charakterifti.ch : V. lieft yägiq de tu)
Sew, auf Grund welcher Zeugen, kann kein Benutzer feines Buches auch
nur ahnen, da von ahen lonft ericheinenden Zeugen (wie SAB DEF
G K L P 38 al. vg sy) nur Abweichungen notiert werden. Er könnte
durch Subtraktion auf C raten, deffen alter Text aber an diefer Stelle
unlesbar ift: was er nicht erfährt. Die Lesart des V.'fchen Textes ruht auf
mehreren Minusk In, denen fich dia> Korrektoren von S und C zuge eilen,
bo Cyrill: das muß in fbichen Fällen ausdrücklich getagt werden. Dm ratio
für die.e Enticheidung ift mir freilich dunkel; aber das ift eine Frage
für fich. 8fl dia xo evoixovv avxov nvevßtt B DEFG al. Tert vg:
daraus würde der Lefer fchließen, daß er eine rein .weltliche' Lesart vor
fich hat, die wie fo oft, auch in B begegnet. Es muß heißen: B Orig
DG vg Tert Latt KLP syp al. Das ergibt ein textgefchichtlich ganz
anders zu bewertendes Bild. 820 ovy exovaa] ov f)e).oxaa FG latPlcr
ift faifch. Tifch., dem die Notiz entlehnt ift, bemerkt ganz richtig, daß
FG ou SeXovaa haben, und daß die ,Latini plerique' non volens bieten,
was an fich genau fo gut Überfetzung von 0117/ exovaa wie von ov
Selovaa fein könnte, in Wirklichkeit erfteres ift: in G (F) ift der grie-
chiiche Text wilkürlich gemodelt. 822 ovvioäivei] odvvti FG latpler
ift noch ftärker irreführend. Die ,Latini pkrique' Titchendorts haben
pariurit = avvwdivei: bei Sabatier find die Belege gehäuft zu finden.
Ganz vereinzelt begegnet dolet =• ödivei (= FG) was ein faifch gelegnes
didirei vorausietzt; lelbft iu g fteht dolet nur als Variante neben
dem urfprüngiichen parturit. 835 zu xiq rjßttq ywgiaei änd xijq ayd-
nrq xov ygiaxov ift angemerkt ygiaxoii] S-eov xnq ev ygiaxw iraov B:
Das ift alles! Es muß heißen: ygiaxov] fteov S Grr, S-eov xnq ev ygiaxw
inaov B Origlat. Angefich's der zahllolen Quisquilien, die lonft notiert
find, darf man fordein, daß die auch fyntaktifch intereffanten Varianten
von ßevoivye 920 nicht verichwiegen werden. io15 ift ftatt KL/Z zu lefen
KLP. 12,3 ygetaiq] ßvetaiq D* FG Hil Aug gibt wieder ein Ichiefes
Bild, als ob die Lesait nur bei Lateinern begegne: zu nennen waren
auch Acta Pionii Diodor. Theod. Mops. Chrysost. al., alfo ,Grr.' 12,,-
ift die Variante von FG d vg notiert, aber -4- evwmov xov Seov xai
A darf nicht fehlen. 1313 ev egiot xai ty/Xotq B (Cypr) Ambr: Cyprian,
der* in certaminibus et zelo lieft, könnte fehlen, aber den Ägypter Clemens
hier wegzulaffen ift unerlaubt. Im nächften Vers wird er doch zitiert,
warum hier nicht? 144 wird ais Zeuge für Seoq ftatt xvgiog auch syp
zitiert: Das fteht allerdings auch fo bei Tilchendorf, aber da ift syP
Sigle der Haixlensis, während V. die Pefchito mit syP bezeichnet:
die lieft aber xvgtoq. Das kommt davon, wenn man die Über etzungen
"nicht felbft vergleicht! Bei 149 ift die Formulierung fowohi des I extes
änlSaiev [xai dveaxrf] xai h%naev wie des Apparates fo ungelchickt,
daß fenwerlich jemand daraus die Genefis der verlchiedenen Lesarten begreifen
wird. i62, fin.] + srat ai exxXnaiai naaiu xov Stov DI-FG
ift faifch, es muß heißen x. a. e n. xov ygioxov DG. Die Notizen
über die Doxologien und ihre Stellung find nicht ausreichend zum Ver-
ftändnis. E. H.

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 24. März 1923.
Beiliegend Nr. 5 des Bibliographischen Beiblattes, sowie das Jahr esregister zum Beiblatt der ThLZ 1922.

Verantwortlich; Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Nikolausberger Weg 31.
Verlag der J. C. Hinrichs'sehen Buchhandlung in Leipzig, Blumengaffe 2. — Druck von Auguft Pries in Leipzig.