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Ausgabe:

1923 Nr. 5

Spalte:

117

Autor/Hrsg.:

Schmitz, Otto

Titel/Untertitel:

Die Gewißheit der Christusbotschaft. Drei Gegenüberstellungen mit der mystisch-idealischen Zeitbewegung 1923

Rezensent:

Siegfried, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung 1923 Nr. 5. 118

Erfreulich ift die Energie, mit der C. fich bemüht,
die Ergebnifte der hiftorifch-kritifchen Theologie und
der modernen Naturvviffenfchaften zur Bildung dogmati-
fcher Erkenntniffe heranzuziehen. Aber er überfchreitet
doch die Grenzen, die die philofophifche Kritik dem
wiffenfchaftlichen Erkennen zieht, indem er die Feft-
ftellungen der Naturwiffenfchaft in Bewertungen umdeutet
und das Entwicklungsgesetz aus einem einzelnen zu
dem einzigen Gefetz des Gefchehens macht. Die Bedenken
nach der religiöfen Seite richten fich gegen die
Gleichfetzun» der realen Einheit der Gotteswirklichkeit
mit der rationalen unferes Erkennens, wodurch C. ftatt
zu einer Erkenntnis Gottes zu einer Selbftrechtfertigung
des Menfchen kommt. Aber in einer Zeit neuer Dogmenbildung
wie der unferen find offenbar die Irrtümer und
Härefien unentbehrlich, damit die Wahrheit recht erkannt
werde.

Göttingen. _ Piper.

Schmitz, Otto, Althaus, Paul u. Girgenlohn, Karl: Die Gewißheit
der ChriftUSbotlchaf t. Drei Gegenüberftehungen mit der myftilch-
idealifchen Zeitbewegung. (64 S.) 8». Berlin, Furche-Verlag 1922.

Gz. 0,4.

Der Titel fpricht die Abficht aus. Das Ziel aller
3 Auffätze in Anerkennung und Abwehr ift treffend von
Althaus ausgedrückt. „Neben denen, die Brücken fchla-
gen, muffen iolche flehen, die Gräben ziehen."

Es ift alfo keine captatio benevolentiae, wenn die
Verfaffer der individualiftifch antihiftorifchen Erlebnis-
Frömmigkeit ihr Gutes nachzurühmen wiffen. Sie haben
den Sinn jener Einftellung nicht nur verftanden, fondern
empfinden ftark ihre innere Lebendigkeit. So ift alles
gegeben, um eine fruchtbare Auseinanderfetzung möglich
zu machen.

Schmitz ftellt dem Natorp'fchen Glauben an die Idee, an die
„fchöpferifche Urtat des Geiftes" die Wirklichkeit Chrifti, dem Wege der
Sclbftverticfung und Selbflcrziehung die Unzulänglichkeit des Menfchen,
der philofopbilchen Befinnung auf den'Wert der Gemeinte haft die wirkliche
Gemeinfchaft in Chriftus entgegen. Althaus weift die Sinndeutung des Lebens
aus politifcher oder Geiftesgefchichle ab durch die Befinnung auf die
dritte Gefchichte, die Gefchichte der Zeit mit der Ewigkeit. Hier hat das
Kreuz Chrifti feine Ewigkeitsbedeutung. Die reftio e Bejahung der
menichlichen Not und Schuld ift allein der Weg zum Leben. Am
fcharffinnigften erörtert Girgenfohn die Frage dei Abfolutheit des
Chriftentums und tritt der religionsgefchichtlichen Nivellierung, der phi-
lofophifchen Sublimieruhg des Hiftorifchen und der individualiftifchen
Myftik entgegen. Der letzten Einftellung, der in weiten Kreilen heute

herrfchenden, halt er dreierlei in ernftcr und berechtigter Kritik ent- belonders gegen die Bemühungen das Bauerntum geiftig

feiner Einfeitigkeiten und Übertreibungen wie feiner Gruiul-
these (Bauerntum-Jugend, Kultur-Alter) gefunden hat, ift
im Ganzen nicht viel geändert. Der letzte Abfatz des
dritten Kapitels, das früher die Überfchrift .Beharrung und
Nachhaltigkeit' trug, lautete: Es ift derfelbe Zug (mit der .
Beharrung), der von feiner aktiven Seite aus fich uns als
Nachhaltigkeit darftellt, für die das Bauerntum eine ebenso
grobe Schätzung hat. Diefer Satz ift weggefallen und zu
einem ganzen Kapitel erweitert, das allerdings nur eine
prinzipielle Auseinanderfetzung über den Begriff .Nachhaltigkeit
' gibt, wie fie der Verf. unter Heranziehung aller
möglichen gefchichtlichen und kunftgefchichtlichen Parallelen
liebt. — In dem Kap.i^Der Glaube' ift ebenfo der
Schluß über Zufriedenheit ausgefallen, dafür ein neues
Kap.: ,Yolksvorräte' eingefügt. Hierin wird ausgeführt,
was die jetzige Regierung am Bauerntum fündigt. Hierbei
wieder eine der vielen Übertreibungen: Elektnfches Licht
ruiniert fchneller, deshalb wird es billig gehalten — ift
denn das vom Verf. gerühmte Petroleum nicht auch eine
Errungenfchaft der ihm fo verhaßten Kultur? In diefem
Kap. dann auch die vielfagende Anmerkung: Seit fünf
Jahren kommt alles anders, wie man denkt. Schade, daß
dies nicht grade mit Bezug auf das Hauptthema des Verf.
weiter ausgeführt wird. Ebenfo ift bedauerlich, daß der
Verf. fich nicht eingehender mit feinen vielen Kritikern
bezüglich des folgenden Kapitels: ,Zur Dogmatik' auseinandergefetzt
hat. Soweit ich fehe, hat er dies Kap. in
feiner ganzen Einfeitigkeit ganz unverändert gelaffen, wie
überhaupt den ganzen fonftigen Text aller Kapitel.

Das Kap. .Bauerntum und Halbkultur' muß ich aus
meiner Kenntnis der füdamerikanifchen Verhältniffe vielfach
beanftanden.

Jedenfalls follte man, wenn man fpanifche Brocken einflicht, fie
richtig geben, in beiden Autlagen flehen zwei Unrichtigkeiten: se va
a morir und Lay que (nicht che] morirse.

Im Einzelnen fich über dies Kap. mit dem Verf. aus-
einanderzufetzen, würde hier der Raum fehlen. — Dann
find noch zwei neue Kap. hinzugekommen: Bauerntum und
England, wobei bemerkt wird: Vor dem 9. Nov. gefchrieben
und in dem ausgeführt wird, daß der Englander wie der
Bauerein mittelalterlicher Menfchift, was vielfach beftritten
werden wird, vielleicht grade von den Engländern ielbft,
die fich immer als Bringer der Kultur anfehen. Das
folgende Kap.: Die fchlafenden Schichten wendet fich

gegen: ihr fehlt die Ehrfurcht; unter dem Anlpruch, dem Menfchen ein
unmittelbares Verhältnis zu Gott zu geben, macht fie ihn in der Theorie
zum Propheten, in praxi „bettelarm", wenn fie es nicht wäre, die ihn
drittens über die Nachtlciten des Lebens, über Leid und Schuld harmlos
hinwegtäufchte. Dagegen beiaht das Kreuz Chrifti reftlos Schuld

und Not und kann gerade dadurch fie überwinden. angenehm lesbar macht. Viel Ballaft könnte fehlen, vor

zu rieben, Volkshochschulen feien der fatalste Raubbau
den ein Volk an fich felbft begehen kann usw.

Das Buch bedürfte einer gänzlichen Umarbeitung
auch nach der formalen Seite hin, da der Stil es weni

Allen Verfaffern ift gemeinfam die Anknüpfung der
Frömmigkeit an das hiftorifch-überhiftorifche Faktum
Jefus Chriftus. Von Girgenfohn kann man fagen, daß er
die Abfolutheit des Chriftentums religionsgelchichtlich
unterbaut. Damit aber nähert er fich Troeltfch weit

allem aber müßte vielmehr darauf Rückficht genommen
werden, welchen Einfluß der Krieg und die Revolution
auf das Bauerntum gehabt haben. Dann werden die oft
fchönen Ausführungen mit ihren vielen richtigen Beobachtungen
und Beifpielen viel beffer wirken und manchem

mehr, als er denkt. In allen Auflätzen flehen die dog- dienen.

matifchen Formeln der altkirchlichen Soteriologie im Ahlden/Aller. E> w. Bussmann

Der fchmale

Hinterorunde Es fcheint mir indeß bedenklich, fie, wie . ~ ~-~--—---

fchwingen zu laffen, ohne eine klare Formulierung ihres i Di, Soldaten Chrifti. (41 s.) k1. 8". Tubingen 1 cT& iqm
Gehalts zu geben. Der zweite und dritte hatten immer- I je Gz. 0,3!

hin die Idee des ftellvertretenden Leidens noch deutlicher j Für ein Laienbüchlein find diefe Hefte fehr fchwer
von der alten Satisfaktionsthtorie fcheiden können. u. wirr. Soweit ein Theologe fie verliehen kann, was

Als Ganzes ift die Schrift ein fchönes Zeichen für j E. bezweifelt, ift dies ihr Sinn: Im Geilt des religiöfen
den Zufammenhang ihrer Verfaffer mit den Strömungen Sozialismus follen fich Kirche u. Arbeiterfchaft finden

der Gegenwart. Wir dürfen uns freuen, wenn unfere
Theologen mit diefer Lebendigkeit und inneren Kraft
zu unferer Jugend l'prechen.
Jena. Theodor Siegfried.

Ganz anders als im Zeichen des fitaats- u. reformfreundlichen
Ev. Sozialismus: Die Kirche foll, entkirchlicht und
verweltlicht, dem Sozialismus die Gabe des Sprechens
fchenken u. dafür von ihm die des Handelns nehmen
Nach einer folchen Kirche verlangt die Arbeiterfchaft in

l'Houet, Pfr. A.: Zur Psychologie des Bauerntums. Eni Beitrag. Wr-Irlirnb-ah- -----, —

Zweite Auflage (VIII, 331 S.) gr. 8". Tübingen, j. C. B. Mohr ger Ote VVeltl»CMCeit gereinigt llt wie nie zuvor. Die
1920. Gz. 6,5; geb. 9. Kirche foll ihr Seelen- u. Geiftesarzt fein, zugleich foll fie

In der neuen Auflage des bekannten Buches, das Politik u. PhiJofophie verchriftlichen. Der Arbeiterfchaft

viel Zuftimmung, aber auch manchen Widerfpruch wegen 1 verdanken wir den Welt-Chriften, das neue Zeitalter