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Ausgabe:

1923 Nr. 3

Spalte:

64-65

Titel/Untertitel:

The Church and Rural Life 1923

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

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Theologifche Literaturzeitung 1923 Nr. 3.

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recht zu werden fucht, macht fich auf einem Gebiet, das
fowohl in grundfätzlichen Fragen wie in einzelnen Stücken
zu allen Zeiten eine verfchiedene Beurteilung gefunden
hat, felbftverftändlich geltend. Der Zweck des Buches
bringt es mit fich, daß das hiftorifche Intereffe hinter
der Abficht einer Einführung in die gegenwärtige Rechtslage
ftark zurücktritt, vielleicht zuweilen zu fehr vgl. die
Art der Erwähnung des Nuntiaturftreits im 18. Jahrhundert
(S. 113, Anm. 5.) Die Behauptung, daß päpftliche
Gelandte auf den erften ökumenifchen Synoden den Vorfitz
geführt haben, gewinnt dadurch nicht an Gewicht, daß
ihre Beftreitung durch Hindius verdächtigt wird (S. 25).
Die Unterfuchung über den ,Nutzen der päpftlichen Diplomatie
' (§ 24) macht fich der Verf. etwas reichlich leicht.
Auf die fummarifche Zuiämmenfaffung der Beftreiter und
Anzweifler des Nutzens der Nuntiaturen und der Gefandt-
fchaften bei dem hl. Stuhl als ,Kirchenfeinde' (S. 138)
hätte der Verf. beffer verzichtet und würde feinen Zwecken
mehr durch eine Widerlegung der Einwände gegen die
päpftliche Diplomatie gedient haben. Da dem Verfaffer
die Akten des päpftlichen Geheimarchivs offen fliehen,
erweckt die Ankündigung einer größeren Arbeit ,Über
die eigentliche diplomatifche Tätigkeit des hl. Stuhles
feit der Errichtung der ftändigen Nuntiaturen' großes
Intereffe, zumal er beabfichtigt, ,befonders die Umftände
und die Gründe darzulegen, die jeweilen zu einem Abbruch
der diplomatifchen Beziehungen zwifchen dem hl.
Stuhl und den in Betracht kommenden Staaten' geführt
haben.

Göttingen. Carl Mirbt.

Lübeck, D. Dr. Konrad: Bifchof Juftinus de Jacobls, der Apoftel

AbelTiniens. Ein Ausfchnitt aus der neuen Miffionsgefchichte. (Abhandlungen
a. Mifiionskunde u. Miffionsgefchichte 26). (125 S.) 8°.
Aachen, Xaverius-Verlag 1922. Gz. 0,75.

Die Heft- und Bücherreihe der Abhandlungen zur
Miffionskunde und Miffionsgefchichte erfcheint mit er-
ftaunlicher Schnelligkeit und Reichhaltigkeit. Nach nur
dreijährigem Beliehen liegen bereits das 27. und 28. Heft
vor. Die katholilche Kirche pflegt die miffionskundliche
Forfchung über den ,nahen Orient' mit einer gewiffen
Vorliebe und bemüht fleh iogar, eigene Lehrftühle dafür
an deutfehen Univerfitäten zu errichten. Prof. Dr. Lübeck
ift einer der eifrigften literarifchen Mitarbeiter auf diefem
Gebiete und hat auch in diefer Serie bereits mehrere ein-
fchlägige Monographien veröffentlicht. Justinus de Jacobis,
ein italienifcher Lazariftenpater, wurde 1840 zur Wiederaufnahme
der feit der Zeit der Kreuzzüge immer wieder
angegriffenenPropagandabeftrebungen in Abeffinien dorthin
gefandt. Es begann damit eine neue Periode katholifcher
Miffion in jenem Lande, die nunmehr alfo in den Händen
der Lazariften lag. Die Miffion war von vorn herein in
einer fchiefen Lage, weil fie von den Abefflniern willkommen
geheißen wurde in Verbindung mit einer gehofften
militärifchen Intervention Louis Philipps. Später lächelte
wieder vorübergehend die Hofgunft der Miffion, weil man
auf eine machtvolle Intervention Napoleon III. rechnete.
Politik und Miffion gingen alfo unklar durcheinander.
Auch die inneren politifchen Verhältniffe des Landes waren
fo unglücklich wie möglich, Bürgerkriege ohne Ende, die
das Land nicht zur Ruhe kommen ließen, und dann die
blutige Gewaltherrfchaft des Negus Theodor II. In diefen
Wirren brachte es auch der felbftverleugnungsvolle de
Jacobi zu keiner geordneten Arbeit. Er wurde von dem
bekannten Kapuzinerbifchof Massaja zum Bifchof (apo-
ftolifchen Vicar) für Abeffinien ordiniert, war aber oft in
feinem Leben bedroht, mehrfach in drückender Gefangen-
Ichaft, und erlag fchließlich nach zwei Jahrzehnten mit
äußerft gefchwächtem Körper 1860 dem Klimafieber. Man
wird an Bifchof Gobet und Dr. Ld. Krapf erinnert.
Dr. Lübeck erzählt diefe wirre Periode abenteuerlicher
katholifcher Propagandaverfuche, beftändig verfuchend, den
Faden der Biographie durch alles Wirrfal der politifchen

Intriguen nicht ganz aus der Hand zu verlieren, im üblichen
katholifch - ultramontanen Geifte und mit einer naiven
Wunderfucht, die auf vages Gerede hin dem Helden die
unglaublichften Wirkungen zufchreibt. Er erwartet eben,
daß de Jacobis demnächft zum Heiligen avanciert.
Berlin-Steglitz. J. Richter.

Neufeld, Dr. Dietrich: Mennonitentum in der Ukraine. Schickfalsgc-
ichichtc Sagradowkas. (40 S.) 8°. Emden, Selbftverlag. 1922.
Die anfpruchlofe, doch nicht unkritifche Schilderung des furchtbaren
Schickfals, das die Mennonitenkolonie Sagradowka iu der Ukraine
1919 betroffen hat. Sie bietet einige auch konfeffionskundlich inter-
effante Züge, die die religiöfe, fittliche und kulturelle Haltung jener
Gemeinden charakterifieren.

Gießen. M. Schi an.

Christianity and Industrial Problems. Being the Report of the Arch-

bishops Fifth Committee of Inquiry. Part. I. (XI, 147 S.) 8U. London,
S. P. C. K. 1918. 1 sh.

The Church and Rural Life. Being the Report of a Committee ap-
pointed by the Archbishop of Canterbury. (56 S.) 8°. London, Ebenda
1920. 1 sh 3 d.

Rogers, Clement F., M. A.: Question Time in Hyde Park. I—III,
Series. (64, 63 u. 58 S.) kl. 8°. Ebenda 1920. 1 sh. 3 d.

A Corner-Stone of Reconstruction. A book on Working for Social
Purity among Men. by four Chaplains to the Forces. (XII, 156 S.)
kl. 8Ü. London, Ebenda 1919. 1 sh. 6 d.

Es ift in England nicht anders wie in Deutfchland
ein gewaltiges Streben der kirchlichen Kreife zu beobachten
, um verftärkten Einfluß auf das Volk zu gewinnen
. Davon geben in verfchiedener Weife die von
uns hier befprochenen Schriften Kunde.

Die beiden erften, veröffentlicht ,for the national
mission' von der Society for promoting Christian Knowledge
, find im Auftrage des Erzbifchofs von Canterbury
von eigens dazu ernannten Kommifflonen ausgearbeitet.
Die diefen Kommifflonen geftellte Aufgabe ift fo formuliert :
1) to consider and report upon the ways in which the
church may best commend the teaching of Christ to
those who are seeking to solve the problems of industrial
life.

2) to consider and report upon the ways in which the
church may best commend the teaching of Christ to those
who ave seeking to solve the proplems of industrial life
in rural areas.

Die erfte Schrift löft ihre Aufgaben fo, daß fie nach
einer allgemeinen Einleitung die chriftlichen Grundfätze
in ihrer fozialen Anwendbarkeit behandelt (Grundfätze für
Individual- und Sozialethik, Lehren des Neuen Teftaments
über irdifchen Reichtum, Heiligkeit der Perfönlichkeit,
allgemeine Dienftpflicht, korporative Verantwortlichkeit,
Wichtigkeit der Charakterbildung), dann eine hiftorifche
Überficht über die Entwicklung chriftlich-fozialer Ideen
gibt und dann die Einzelprobleme ftädtifchen Induftrie-
lebens behandelt. Diefer dritte Abfchnitt ift der prak-
tifch wichtigfte und der Leitgedanke ift, daß die chrift-
liche Gefellfchaft es durchfetzen muß, daß an der Stelle
des gewinnfuchenden Wettbewerbs der Gedanke der
Cooperation im Dienft der allgemeinen Wohlfahrt alle
Kreife und Stände des induftriellen Lebens beherrfche.
Im letzten Kapitel find die befonderen Probleme der
allgemeinen Volkserziehung erörtert. Die Ausführungen
find fehr lehrreich für die Kenntnis und Beurteilung der
englifchen Verhältniffe, enthalten aber auch viel anregende
Gedanken für die chriftliche Sozialethik und Sozialpolitik
überhaupt. Natürlich bleiben fie in einer gewiffen Allgemeinheit
, bringen überall die chriftliche Brudergefinnung
in individueller und fozialer Anwendung zur Geltung,
ohne fich auf beftimmte wirtfehaftliche Vorfchläge feft-
zulegen. Es fehlt auch nicht an Vorfchlägen für beftimmte
Maßnahmen, aber nicht die Art ihrer technifchen Durchführung
als vielmehr die Geltendmachung der chriftlichen
Grundgefinnung ift die Hauptfache.

In demfelben Geift ift der andere Bericht gehalten, aber
er geht viel mehr auf praktifche Einzelvorlchläge ein, um
das Leben auf dem Lande zu fördern und zu heben und