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Ausgabe:

1923

Spalte:

552

Autor/Hrsg.:

Minkenberg, n.a.

Titel/Untertitel:

Eucharistie und Seelsorge 1923

Rezensent:

Mulert, Hermann

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551

552

und der „physischen Zeichen" (die den Einblick in fremdes
Seelenleben gewährt) (S. 119—22) fundamental und
dadurch tritt sie zusammen mit den Kulturwissenschaften
den Naturwissenschaften gegenüber. Dagegen kann die
experimentelle als eine bloße Hilfsmethode (S. 124 f.)
ebenso wenig in Betracht kommen als die relative Wert«-
freiheit oder die formale, generalisierende Tendenz der
Psychologie (S. 149. 165. 315). Auch durch den von B.
vertretenen Psychovitalismus (S. 99—104) oder die Annahme
eines Unbewußt-Psychischen (S. 89 f.) kann ebenso
wenig, wie durch den Betrieb der Tierpsychologie die
Psychologie zu einer Naturwissenschaft werden, sondern
höchstens die Biologie der Psychologie angenähert werden
. Wie man auch philosophisch urteilen möge, für die
einzelnen Realwissenschaften selbst bleibt die tiefe Kluft
zwischen Physischem und Psychischem bestehen (S. 84.
88 f.), sofern das Bewußtpsychische uns in seiner absoluten
Beschaffenheit gegeben ist, die absolute Beschaffenheit
der Körper aber, der Träger der raum-zeitlichen
Relationen, unerkennbar bleibt. Da man die Psychologie
auch den Kulturwissenschaften nicht ohne Zwang zurechnen
kann (S. 98), so erscheint es angemessen, beide
unter dem höhern Begriff der Geisteswissenschaften zusammenzufassen
. Mit Recht wird übrigens der Psychologie
auch die Analyse der „Sinngebilde", sowie des objektiven
Gehalts geistiger Strömungen zugewiesen (S.109
bis 112).

In dem bisherigen deutete sich schon die Erkenntnistheorie
B.'s an, der einen kritischen Realismus (S. 20
bis 24. 52—54. 85—88. 217—20), sowie eine Metaphysik
mit empirisch-induktivem Verfahren (S. 324) vertritt.
Eingehendere Darlegungen hat er namentlich der „apriorischen
, nicht denknotwendigen Voraussetzung" der Regelmäßigkeit
des Wirklichen (S. 220 ff.), die sich zur Gesetzmäßigkeitsvoraussetzung
(S. 231—238), und zum
Kausalgedanken (S. 251—259) bezw. Kausalprinzip (S.
259—283) spezialisiert und das Bestehen relativ selbständiger
und beharrlicher Substanz involviert (S. 238
bis 251) gewidmet. Wie weit die Geltung dieser Voraussetzungen
wirklich reicht, lasse sich nur empirisch feststellen
. Andere, nicht streng erweisliche, aber mit dem
Grundsatz der Regelmäßigkeit zusammenhängende Voraussetzungen
sind die der bewußtseinstranszendenten
Körperwelt und des „Fremdseelischen", wohl noch tiefer
liegt die Voraussetzung des „Erinnerungsvertrauens". Der
Regelmäßigkeit entstammt übrigens auch die weitgehende
Brauchbarkeit der Induktionsschlüsse. In diesen Ausführungen
tritt überall Besonnenheit und Sachkunde hervor
. Um so bedauerlicher bleibt, daß B. seinen „Realismus
" nirgends eingehend genug entwickelt hat, zumal
die Auseinandersetzung mit Rickert und Windelband dazu
aufforderte, ja nötigte. Es überrascht, zu sehen, daß R.'s
wertvolle Untersuchungen über den Gegenstand der Erkenntnis
nirgends auf seine Gedankenbildung eingewirkt
haben, auch nicht zitiert sind. Von da aus mag es sich
erklären, daß B. nicht ganz selten an Rickert vorbeiredet.
Es wäre sehr erwünscht, wenn er die erkenntnistheoretische
Auseinandersetzung mit R.'s transzendentalem
Idealismus bald nachholte. Allerdings habe ich den Eindruck
, daß er auch sonst trotz der anerkennenden Worte,
die er für Windelband und Rickerts Leistung findet
(S. 131. 161), dieser doch nicht voll gerecht geworden
ist. Zur Einteilung der Wissenschaften allerdings eignen
sich jene methodologischen Gefühlspunkte nicht; das
hat B. definitiv gezeigt, aber sie leisten im Grunde Wichtigeres
; sie analysieren die spezifische Aufgabe und Auffassung
des Naturforschers und Historikers auf ihrem
Höhepunkt und haben damit für die Anregung der wissenschaftlichen
Arbeit und für die Charakteristik ihrer
leitenden Gesichtspunkte mehr getan als durch eine neue

Klassifikation. Denn soweit nicht etwa ganz neue Wissensgebiete
entstehen, was übrigens auch ohne die Einwirkung
neuer Methoden kaum denkbar ist, beruht aller
wissenschaftliche Fortschritt auf der Verfeinerung und
Spezialisierung der Methoden. Es dürfte daher das „Allgemeine
" und auch das „Individuelle" genau gesehen
in den Natur- und den „Geisteswissenschaften etwas
ebenso Verschiedenes bezeichnen wie etwa Gesetz oder
Kausalität in Anwendung auf historische oder Naturgegenstände
. Diese Differenzierung wird an dem fundamentalen
Unterschiede, daß es sich in den Körperwissenschaften
um wertfreie Größen, in den Kulturwissenschaften
aber um Wertgrößen, handelt, gewiß nicht vorbeigehen
können.
Berlin. Titius.

Minkenberg, Pfarrer Dr.: Eucharistie und Seelsorge. Bericht,
Reden und Vorträge des Eucharistischen Kongresses des Priester-
Anbetungsvereines der Erzdiözese Köln. Aachen: Xaverius-Verlag
1922. (50 S.) 8° Gz. 0.25.

Der von Eymard begründete Priesterverein zur Anbetung
der Eucharistie hat heute über 100 000 Mitglieder,
also mehr als 7* der ganzen röm.-kath. Priesterschaft.
Seine Mitglieder haben wöchentlich dem Sanctissimum
1 Stunde Anbetung zu widmen (wenn möglich knieend)
und erhalten reiche Ablässe. Auf dem in Düren 1921
gehaltenen Kongreß der Mitglieder aus der Erzdiözese
Köln würde über Eucharistie und Kind, Eucharistie und
Männerwelt usw. gesprochen. Den Zug zum Objektiven,
von den persönlichen Qualitäten des Priesters Unabhängigen
, ein Hauptmotiv der zunehmenden Verehrung der
Eucharistie, verstehen auch Nichtkatholiken, ebenso freilich
, daß die vom neuen kirchlichen Rechtsbuch nur vorsichtiger
gefaßten Wünsche Pius X. nach häufigem
Sakramentsempfang auch der Kinder im deutschen katholischen
Volke auf Widerstand stoßen. Kennzeichnend
ist die Ansicht eines Redners, es hielten sich nur ganz
wenig Jünglinge ohne häufige Kommunion rein.
Kiel. H. Mulert.

J. C. HINRICHS'sche BUCHHANDLUNG, LEIPZIG

Vor kurzem erschien:

Die Literatur der Aegypter

Gedichte, Erzählungen und Lehrbücher aus
dem dritten und zweiten Jahrtausend v. Chr.

von Dr. Adolf Erman

Professor an der Universität Berlin
XVI, 889 Seiten. 8". 1923. Gz. 7,50; geb. 10,—.

.Ermans .Literatur' ist eine Gabe, wie sie der Altertumswissenschaft
nicht leicht köstlicher und willkommener hätte zuteil werden
können. Der Leser staunt über die gewaltige Arbeit, deren Ergebnisse
von ihm hier vorgelegt werden; und je mehr er sich einliest, um so
mehr entzückt ihn in den Übersetzungen die Zartheit und Leichtigkeit
der Hand und in den Einleitungen und Erklärungen die liebevolle Sorgfalt
und die zurückhaltende Bescheidenheit, die immer nur gerade das
Notwendige gibt. So liegt über dem Ganzen der Hauch einer sich
selbstlos hingebenden, ruhig betrachtenden, alles verstehenden, reifen
Wissenschaft. Es wird nicht viele geben, die sich dem Eindruck dieses
edlen Geistes entziehen können, und vielleicht manche, die ihn als
stillen Vorwurf fühlen. — Ein Buch von solcher Bedeutung wird sicherlich
nicht ohne großen Einfluß auf die Nachbargebiete bleiben können.
Vor allen andern aber werden die aIttestamen11 ichen Forscher
Nutzen aus diesem Werke ziehen ; denn Ägyptologie und alttestament-
liche Wissenschaft haben einen unzerreißbaren Zusammenhang: immer
mehr tritt die Erkenntnis hervor, wieviel Israel trotz seiner im tiefsten
so völlig anderen Art von dem ihm benachbarten, umso vieles älteren
und in so vielem überlegenen Kulturvolk gelernt hat."

Prof. D. Herrn. Gunkel, Halle a. S., in der Orientalistischen Literaturzeitung
.

Geschmackvoll ausgestattet, daher auch zu Geschenkzwecken geeignet I

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 12. Januar 1924.
Beiliegend Nr. 29—32 des Bibliographischen Beiblattes sowie das Jahresregister der ThLZ.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Nikolausberger Weg 31.
Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.