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Ausgabe:

1923 Nr. 25

Spalte:

548

Autor/Hrsg.:

Pfannmüller, Gustav

Titel/Untertitel:

Die Religion Friedrich Hebbels auf Grund der Werke, Tagebücher u. Briefe dargestellt 1923

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 25 26.

548

ristische, alle rationalistische Weißtünche (ein gerne gebrauchtes
S.'sches Bild), so entschieden weggeschabt hat, daß die Pracht der
aufgedeckten alten Farben fast schmerzt.

Persönlich das Qlan/.stück ist 3. Auch hier kann man aus deutsch
erschienenen Schriften S.'s hinterher manche Elemente zusammensuchen
: das Band, das sie geistesmächtig zusammenhält, hat man
nur hier.

Der Kirchenmann, von den Studenten Kopenhagens zu einem
Vortrage gerufen, entschuldigt sich, daß er von „Wissenschaft" redet,
und leitet behutsam, wie unmerklich, von einer Einordnung der Einzelwissenschaften
, die zur „Rettung" für verachtete unter ihnen wird,
über zur Betrachtung des Einflusses, den sie auf den Charakter des
Wissenschaftlers übt, bis an den Punkt, wo „die Treue ganz von
selbst zum Gottesdienste wird".

Fahrenbach (Baden). Peter Katz.

Ragaz, Leonhard: Judentum und Christentum. Ein Wort zur Verständigung
. Erlenbach-Zürich: Rotapfel-Verlag 1922. (64 S.) 8°

Gz. 1—.

Dieser in Zürich in einer jüdischen Gesellschaft gehaltene
Vortrag des bekannten Verfassers verdient die
Aufmerksamkeit weiterer Kreise, nicht weil er praktische
Beiträge zur Lösung der „Judenfrage" bietet, sondern
weil er in knapper Form die Grundgedanken des Autors
kennen lehrt. Ich referiere daher kurz über den Inhalt.
Dem Judentum wie dem Christentum handelt es sich um
das Gleiche, nämlich die Durchsetzung der Gottesherrschaft
in den konkreten Verhältnissen des irdischen Lebens
. Dadurch werden verschwinden Nationalismus, Militarismus
, Imperialismus, Mammonismus und an deren
Stelle treten Pazifismus, Universalismus, Internationalismus
, Sozialismus. Diese gemeinsame Tendenz der geschichtlichen
Entwicklung ist aber in dem Judentum wie
in dem Christentum gebrochen. Beide wurden zu Religion
und Kirche und verloren dadurch die Hauptsache,
nämlich die wirkliche Durchführung der Gottesherrschaft
. Das Christentum hielt an der Person des Messias
fest, verlor aber den eigentlichen Messianismus; das
Judentum bewahrte den Messianismus in glühender Begeisterung
und Hoffnung, hatte aber nicht den Messias.
Es hat Jesus e i n Mal gekreuzigt, die Christen tun es
immerfort in ihrer verweltlichten Kirche. Ihre Schuld
ist weit größer als die der Juden, zumal wenn man daran
denkt, wie viel Übles sie diesen angetan haben. Die
Lösung kann also nicht darin bestehen, daß die Juden
zum Christentum übertreten, sondern die große Erschütterung
dieser Tage wird beide an ihren Anfang
zurückversetzen. Da werden sie sich dann finden und die
jüdische Energie und Begeisterung wird das Ihrige zur
endlichen Verwirklichung der Theokratie auf Erden beitragen
.

Es ist also der bekannte chiliastische Gedanke, auf
den der Verf. hinauskommt. Er sieht auch an dem
gegenwärtigen Judentum Mängel und Fehler, aber er
ist sofort bereit sie zu entschuldigen. Wir haben die
Pflicht das Judentum zu ehren, denn es ist „weitaus
das größte der Völker" (S. 59). Mit seinem Gottesdurst
und seinem Gottesverständnis ist es getragen von
einem heißen Idealismus, der freilich durch die Ungunst
der Verhältnisse auch zu Unruhe, Verhärtung und Ver-
äußerlichung führen kann (S. 42 f.). „Das Judentum
steht auch immer im Vorderkampf, wo es gilt gegen
alle Roheit im Verhältnis von Mensch zu Mensch, gegen
alle Vergewaltigung des Menschen durch den Menschen
einzutreten. Das liegt dem Sohne Israels im Blute. Er
ist der geborene Anwalt der Schwachen und Unterdrückten
" (S. 39). „Wie wir gezeigt haben, sind Judentum
und Sozialismus (diese Begriffe im weitesten Sinn
verstanden) in der Wurzel eins. Denn das Judentum
bedeutet eine brüderlich geeinte Familie Gottes." „Diese
Glut (nämlich die Sozialdemokratie) stammt aus Israel
, aus der Bibel, sie kommt von Christus her. Der
Marxismus ist eine Art von Messianismus" (S. 40). —
Eine Kritik von alle dem erübrigt sich. Der Verf. wirft
fortwährend die Ideale des Prophetismus mit dem Judentum
von heute zusammen. Er gibt sich nicht die
Mühe darüber nachzudenken, was an den Klagen über

das Judentum berechtigt sein könnte. Er nimmt in einseitigster
Weise für das Judentum Partei. Das ist zu
bedauern. Das Anregende, das der Verf. über die weltgeschichtliche
Bedeutung der altisraelitischen Gedankenwelt
sagt, wird überhört werden wegen der kritik- und
sinnlosen Identifikation dieser mit dem „Judentum".
Schließlich werden nur Antisemiten und liberale Juden
an der Schrift reine Freude haben. Der Zionismus— und
das ist charakteristisch — ist für den Verf. eine wenig
erfreuliche Erscheinung, eine Art Abfall von der universalen
Aufgabe Israels.

Berlin-Halensee. R. Seeberg.

Pfannmüller, Prof. D. Gustav: Die Religion Friedrich Hebbels

auf Grund der Werke, Tagebücher und Briefe dargestellt. Göttingen:
Vandenhoeck u. Ruprecht 1922. (198 S.) 8° = Die Religion der
Klassiker, 8. Bd. Gz. '2.— ; geb. 3.20.

Der Herausgeber der Sammlung „Die Religion der Klassiker" behandelt
in diesem 8. Band die Religion Friedrich Hebbels. Dies geschieht
auf Grund der Werke, Tagebücher und Briefe, in denen Pf.
gründlich bescheid weiß, sodaß auch ein ziemlich genauer Kenner
Hebbels des öfteren auf Anführungen und Belege stößt, die ihm entgangen
oder entfallen waren. Der Stoff wird folgendermaßen geordnet
: 1. die religiöse Entwicklung Hebbels, geschildert am Faden
seiner wechselnden Wohnorte, von Wesselburen bis Wien. 2. die
religiöse Weltanschauung Hebbels. 3. die Religion in den Dramen
Hebbels. Im ersten Abschnitt folgt der Schilderung jeweils eine
Auswahl von Belegstellen aus den Tagebüchern und Briefen. Im
2. Abschnitt skizziert eine Einleitung Hebbels religiöse Weltanschauung,
während die Hauptmasse des Abschnittes in Belegstellen besteht, geordnet
nach folgenden Gesichtspunkten: Gott; Gott und Welt; Gott
und Mensch; Das Leben nach dem Tode; Religion und Glaube, Kunst
und Religion, Christus und Christentum.

Mir erscheint die gewählte Anordnung nicht ganz glücklich,
weniger weil einige Zitate aus Briefen und Tagebüchern in Teil 1
und Ii sich wiederholen, als vielmehr weil Teil III mit seinem bedeutsamen
Inhalt wie ein bloßer Anhang auftritt. Wenn die Dramen
besonders behandelt, und nicht wie die Lyrik in den Entwicklungsgang
mit eingeordnet werden sollten, so mußten sie Abschnitt II
bilden, und die zusammenfassende Darstellung seiner Weltanschauung
mußte den Abschluß bilden. Die gewählte Einteilung verstärkt den
Eindruck, daß die Arbeit nur mehr eine fleißige und anregende
Materialsammlung ist als eine abschließende Beurteilung.

Mit Recht ist Gewicht gelegt auf den bedeutsamen Briefwechsel
mit Uechtritz. Hier lehnt Hebbel die christliche „Mythologie", jeden
unduldsamen Dogmatismus rund ab, und es sieht fast so aus, als
wolle er den ganzen christlichen „Glauben" ablehnen, um nur die
christliche Moral zu behalten. Aber es muß doch gefragt werden, ob
hier nicht eine begreifliche Selbsttäuschung vorliegt, hervorgerufen
durch die unglückliche Vieldeutigkeit des Wortes „Glaube". Nach
meiner Auffassung kann jemand nicht gut, wie Hebbel in den
Nibelungen, die christliche Moral der Selbstüberwindung so wundervoll
darstellen, ohne daß er glaubt an den unendlichen Wert der
menschlichen Seele und an die Siegeskraft christlicher Seelenhaltung.

Eine eindringende Kritik müßte auch den Fehler vermeiden,
Hebbels „Moloch" und „Herodes und Mariamne" ausführlich zu
besprechen, weil sie religionsgeschichliche Dramen sein wollen (deren
eines den Ursprung der Religion, das andere den des Christentums
behandelt), dagegen die „Agnes Bernauer" ganz beiseite zu lassen,
weil dies Stück sich nur mit staatsbürgerlichen Problemen befasse.
Hier wird aber doch grade Hebbels religiöses Grundproblem, die
eigenwillige Lösung des Einzelnen vom Ganzen, in dichterisch vollendeter
Form dargestellt. Für Hebbels eigene Frömmigkeit und Weltanschauung
ist m. E. aus der „Agnes Bernauer" mehr zu entnehmen
als aus den beiden anderen Dramen.

So dürfte eine eindringende Beurteilung ein noch genaueres Bild
von Hebbels Frömmigkeit zu zeichnen vermögen, als der Verfasser
es liefert, und zwar ein Bild, das mit dem tiefsten Wesen des
Christentums mehr übereinstimmt, als der Verfasser anzunehmen
wagt.

Hannover-Kleefeld. Hermann Schuster.

Schrempf, Christoph: Gegen den Strom. Reden, Aufsätze, Briefe,
Glossen. Stuttgart: Fr. Frommann. 1. Heft. (48 S.). 2. Heft.
(S. 49—96.) 8° je Gz. —.80.

Inhaltsverzeichnis: l.Heft: Ankündigung; Geschichte undMythus;
Der Mythus von der Entstehung der Welt; Der Mythus von Mann und
Weib; Von fremder Arbeit. — 2. Heft: Der Mythus vom Sündenfall;
Der Mythus von der Verwirrung der Sprachen; Der Mythus vom
Volk Gottes; Ober politische Arbeit; Unterricht im Schweigen, Unterricht
im Reden. .