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Ausgabe:

1923 Nr. 2

Spalte:

541-542

Autor/Hrsg.:

Kehr, Paulus Fridolinus

Titel/Untertitel:

Regesta pontificum romanorum. Italia pontificia. Vol. VII, pars I 1923

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Seite 1

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541 Theologische Literaturzeitung 1923 Nr. 25/26. 542

Doch weitaus das Schlimmste an diesem Buch ist Diözesen Como, die mit Mailand (Bd. 6,1), und Trient, die

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sein Hauptstück, die Übersetzung. Weder über die Fähig
keit, den lateinischen Text zu verstehen, noch über die,
den Gedanken des fremden Autors in der eignen Sprache
mit gleicher Wirkung wiederzugeben, verfügt der Verfasser
. Letzteres fällt am peinlichsten auf: während für
beatus schädlicherweise bald selig, bald glücklich gesetzt
wird, empfangen wir für jedes quasi buchstäbelnd
ein gleichsam, für jedes plerique und plerumque
„die meisten" und „meistens" — obwohl es häufiger
Manche und manchmal heißt und vielleicht gerade Ausnahmefälle
oder doch die selteneren dadurch bezeichnet
werden sollen. S. 7 quamvis nullum vel grammaticum
passi sint: obwohl sie von keinem Grammatiker gequält
worden sind! S. 18 gravitate abstinent sich vermöge
ihrer ernsten sittlichen Würde enthalten (statt: aus Anstandsgefühl
!); S. 33 „da ich eure Geister gewissermaßen
als Orakel nicht zu verachten beschlossen habe"!
Wo bleibt bei solcher Steifleinenheit ein Hauch von dem
Scherzton, den gerade hier Aug. mehrfach anschlägt?

An dem Textwortlaut Migne's irgend etwas zu
ändern kommt diesem Verdeutscher nicht in den Sinn,
außer in 1,4 wo er nach zahlreichen Vorgängern Plo-
tini st. Piatonis einsetzt. Sonst blickt er nicht einmal
da, wo er wie bei dem Satz S. 18/19 den
vorliegenden Text selber nicht begreift, in den bescheidenen
Variantenapparat seiner Ausgabe, der ihn den
Ausweg wenigstens hätte ahnen lassen: er setzt dem
Leser ein willkürliches, aber sinnloses, Wörtergebilde vor,
merkt auch nicht an, daß man sich mit diesem Leckerbissen
von Anmut nicht zufrieden geben dürfe. Aber
wie kann man Selbständigkeit gegenüber einem Migne-
Text erwarten bei einem Mann, der II, 22 peto ne fastidio
vobis sit ad istam mensam cras etiam convenire S. 25
wiedergibt: ich bitte euch, damit ihr keinen Überdruß
empfindet, euch morgen an dieser Tafel wieder zusammenzufinden
, der also den Infinitiv convenire von
peto abhängen läßt? der die Wendung convivium aliquo
intervallo dierum distinguere, weil er sie nicht versteht,
S. 37 übersetzt: das Gastmahl nicht über den Tag hinaus
ausdehnen, S. 25 „wo wir endlich dieses Gastmahl nach
Tagen einteilen können? Angesichts so schwerer Fehlgriffe
wundert man sich nicht, wenn Zwischensätze
von H. falsch bezogen werden, so S. 2 (1,2) „als hätten
sie sonst nichts zu tun" auf die gelehrten Bücher statt
auf die eitlen Geschäfte, oder S. 18 (II, 16) „was ja
oft vorkommt" zu mihi visi sunt statt zu his, qui cum
epulantur. Ich versage mir weitere Beispiele aufzusuchen
; den Schluß der Belege für die völlige Unzulänglichkeit
dieser exegetischen Kraft bilde S. 6 (11,5)
der letzte Satz in Augustins Ansprache an seinen Patron
Theodorus: „Viel weniger noch ,habe ich mich abschrecken
lassen' durch die Höhe deines Glückes; denn
bei dir spielt das, mag es an sich auch von großer Bedeutung
sein, eine untergeordnete Rolle. Macht doch das
Glück die, welche es beherrscht, bescheiden." Augustin
dagegen: Fortunae vero sublimitatem ,timere possum'
multo minus; apud te enim vere, quamvis sit magna,
secunda est, nam quibus dominatur, eosdem ipsos secun-
dos facit. Kann man das feine Wortspiel, das Augustin
hier mit secunda-secundos veranstaltet, ärger verkennen
und dem Geschmack des Philosophen einen häßlicheren
Fleck anheften, als mit diesem Bekenntnis zur Bescheidenheit
?

Marburg. Ad. Jülich er.

Kehr, Paulus Fridolinus: Italia pontificia sive repertorium privi-
legiorum et litterarum a Romanis pontificibus ante annum 1198.
Italiae ecclesiis, monasteriis, civitatibus singulisque personis con-
cessorum. Vol. 7. Venetiae et Histria, p. 1 Provincia Aquileiensis.
Berlin: Weidmannsche Buchh. 1923. (XXXIV, 354 S.) 4° =
Kehr: Regesta pontificum Romanorum. Oz. 12—.

Der vorliegende Band, die erste Hälfte des 7. Bandes
der Italia pontificia, der erste seit 1914 erscheinende,
enthält die Kirchenprovinz Aquileja mit Ausnahme der

. ---- —.....----------~, - /I---— »"»■••», V»1V-

mit Salzburg (Germania pontificial) zusammengestellt
ist; also die Diözesen Aquileja, Concordia, Ceneda, Belluno
, Feltre, Treviso, Vicenza, Padua, Verona, Mantua.
Am Anfang werden die Regesten gegeben, die sich auf
das gesamte Gebiet Venetiae et Histria beziehen (bis
ca. 600), während die 2. Hälfte des 7. Bandes der Kirchenprovinz
Grado vorbehalten bleibt. Die Vermehrung
gegenüber den Regesten Jaffes ist bedeutend: von den
hier registrierten 743 Dokumenten bietet Jaffe nur 366.
Es ist erstaunlich, daß bei den Forschungen Kehrs und
seiner Mitarbeiter noch so viel z.T. neues und unbekanntes
Material zutage gekommen ist, das z. T. noch der
Verwertung harrt. (Die neuen Stücke sind oder werden
in den Göttinger Nachrichten im Wortlaut veröffentlicht
.) Wieder ist am Anfange jeden Abschnittes die
Literatur in einer Vollständigkeit gegeben, wie ich sie
sonst nicht kenne; es folgen darauf eine knappe, kritische
, immer höchst inhaltreiche Geschichte der betr.
Diözesen, Kirchen, Klöster, Geschlechter, und Angaben
über ihre Archive und Bibliotheken und deren Schicksale
. Die Fundorte der Urkunden werden so sehr deutlich
zur Kenntnis gebracht; auf verlorenes Material
wird besonders nachdrücklich hingewiesen. Eingestreute
Notizen bieten eine Fülle kritischer und erklärender Bemerkungen
. Alles das führt in seiner knappen Vollständigkeit
weit über die früheren Arbeiten hinaus, und ich
wüßte nicht, was andere Nationen dem Ähnliches zur
Seite zu setzen hätten. Ein chronologisches Verzeichnis
sämtlicher Urkunden ist an den Anfang gestellt. Der
Druck ist ausgezeichnet, die Ausstattung vorzüglich, ganz
wie in den vor dem Kriege erschienenen Bänden. An
Raum hätte sich mitunter sparen lassen; aber man soll
bei solchen monumentalen Werken eine gewisse Opulenz
nicht tadeln. Daß der Papst die Mittel zur Vollendung
des Bandes zur Verfügung gestellt hat, soll gewiß
nicht bemängelt werden, wenn es auch schwer fällt, bittere
Bemerkungen über die Haltung des Papsttums gegenüber
uns Deutschen zu unterdrücken. Ich hoffe, daß
es den Deutschen zugunsten gebucht wird, daß ein
grundlegendes Werk über die Geschichte des Papsttums
in einem Teile Italiens und eines Teils von Italien, in der
Hauptsache von Deutschen bearbeitet, jetzt in Deutschland
erscheinen konnte.

Kiel. O. Ficker.

Beiträge zur Geschichte der Renaissance und Reformation.
Joseph Schlecht zum 60. Geburtstag (16. Jan. 1917). München-
Freising: F. P. Datterer & Co. 1917. (450 S. 1 Abb, u. 4 photogr.
Taf.) Gz. 15—.

Die Festschrift hat den vielseitigen Interessen des verdienten
Jubilars entsprechend einen überaus reichen Inhalt:

Herrn, von Grauert, Widmungsepistel nebst einigen Bemerkungen
zur Kaiserkrönung Karls d. Gr. S. VII—XXI: macht Leos1 I.
Sermo LXXXII., MPL. 54, 422 ff. und das damit zusammenhängende
Responsorium aus den beiden Offizien der Petrusfeste 18. Januar und
29. Juni (Tu es pastor ovium, prineeps Apostolorum, tibi tradidit Dens
omnia regna mundi) als geistige Vorbereitung geltend für den Akt
Leos III. am Weihnachtstag 800.

Clemens Baumker, Mittelalterlicher und Renaissance-Plato-
nismus S. 1—13: in knapper und großzügiger Linienführung wird der
florentinische Piatonismus des Plethon, Ficino, Pico, Patrizzi u. A. in
die Problemgeschichtc der mittelalterlichen Philosophie eingestellt. Auf
allen Gebieten der Naturphilosophie, der Ethik und Metaphysik, und
der speziell theologischen Systematik von Natur und Offenbarung
lassen sich sowohl Anknüpfungen an den frühmittelalterlichen Plato-
nismus der Schule von Choches, als auch zeitgeschichtlich verständliche
Reaktionen gegen den aristotelischen Thomismus, bezw. dessen
averroistische und nominalistische Fortentwicklungen nachweisen.

Andreas Bigelmair, ökolampadius im Kloster Altomünster.
(23. April 1520—23. Januar 1523.) S. 14—44.

Karl "Bihlmeyer, Kleine Beiträge zur Geschichte der deutschen
Mystik. S. 45—62: Bruchstücke von Sprüchen (aus Predigten
von Nikolaus von Straßburg, Johann dem Futerer aus Straßburg, und
„dem von Apolda"), 3 Briefe und ein Gedichtchen (der fünf vogel
gesang) werden mitgeteilt.

Bernhard Duhr, Eine Teufelsaustreibung in Altötting S. 63
bis 76: ein zwischen 1666 und 1668 „im ganzen römischen Reich