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Ausgabe:

1923 Nr. 2

Spalte:

35-36

Autor/Hrsg.:

Doergens, Heinrich

Titel/Untertitel:

Eusebius von Cäsarea als Darsteller der griechischen Religion 1923

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologifche Literaturzeitung 1923 Nr. 2.

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nicht nur der Theologe, den Entfchluß eines auf diefem
Felde eingearbeiteten Forfchers, alle lateinifchen und
griechifchen Infchriften Paläftinas, und zwar bis ins Mittelalter
hinab, vollftändig gebammelt herauszugeben, mit
Freude begrüßen. Zunächft erfchien der kleine Band,
der Jerufalem und feine Umgebung umfaßt, bald wird
der Süden, das alte Judäa folgen, und wir dürfen hoffen,
daß in einigen Jahren das ganze Material fertig vorliegt.
Die Grundfatze, nach denen der Verf. ediert, kommentiert
, disponiert, find die in den großen Sammlungen bewährten
. Über 250 Infchriften bieten die S. 21 bis 135,
es folgen noch ein paar gefälfchte oder zweifelhafte; S.
136—159 find mit Regiftern angefüllt, die an minuziöfer
Sorgfalt und an Rückfichtnahme auf jedes irgend erdenkliche
Intereffe fchwerlich zu überbieten wären. Auf den
erften 20 Seiten erhalten wir eine Art von Vorwort, eine
wohl keinen Splitter der Literatur übergehende Gefchichte
der Forfchung und ein Wort über Art und Bedeutung
diefer Infchriften.

Hier bekennt der Herausgeber, daß die Mehrzahl der
Jerufalemer Infchriften entweder fo jung oder fo wenig
individuell oder fo fragmentarifch erhalten ift, daß die
Ausbeute daraus für andere Wiffenfchaften befcheiden
bleibt. Wir werden mit unferem Urteil zurückhalten, bis
die Fortfetzungen vorliegen; die Notwendigkeit, daß diefe
Arbeit getan wurde, wird auch wenn ihr Ertrag ent-
täufchen follte, nicht vermindert. Wo ich die Angaben
Thomfen's kontrollieren konnte, erweifen fie fich als zuver-
läffig; bisweilen dürfte er dem Ideal der Vollftändigkeit
faßt zu viel Raum geopfert haben, denn wenn eine In-
fchrift ein oder zwei Male auf Grund eigener Arbeit
herausgegeben, 10 Male aber nur mit ein paar vielleicht
überflüffigen Bemerkungen weiter abgedruckt worden ift,
hat eigentlich nicht jeder diefer Späteren Anfpruch auf
die gleiche Ehre wie der Finder. Und in den Titelangaben
bei oft benutzten Werken läßt fich auch wohl
etwas fparen. Selten kommt vor, daß Th. veraltete Ausgaben
zitiert wie S. 67 die des Matthaeus Paris von Wats
1640. Statt des Perferangriffs auf Jerufalem 636 n. Chr.
(auf S. 91) follte ,614' oder ein ,Araberangriff flehen, und
der Hinweis auf mögliche perfifche Herkunft des Eu-
phrates jener Infchrift verfchwändeauch beffer. S. 72 Z. 1
wird ein Jahr 553 genannt, wo der Dezembermonat das
Jahr 552 verlangt. Und kann man — S. 135 — im
6. Jhdt. in Jerufalem zur Erklärung des rätfelhaften
ütaovi unter einer Darftellung des Jefuskinds in der Krippe
an ein am 20. Mai =25. Pachom gefeiertes Weihnachten
denken, nur weil um 200 für Ägypten diefes Weihnachtsdatum
bezeugt ift? Aber wehe dem Herausgeber einer
Infchriftenfammlung mit exegetifchem Kommentar, der
es nicht riskierte auch einmal fehlzugreifen! Wir werden ähnliche
Irrtümer dankbar aufnehmen, wenn das Werk nur
rüftig fortfchreitet.

Marburg. Ad. Jiilicher.

Doergens, Pfarrer Dr. Heinrich: Eufebius von Cafarea als Darfteller
der griechifchen Religion. Eine Studie zur Gefchichte der alt-
chriftlichen Apologetik. (Forfchungen zur Chritllichen Literatur- u.
Dogmengefchichte, XIV, 3) (XII, 133 S.) 8U. Paderborn, Ferd.
Schöningh 1922.

Vorliegende Arbeit von D. ift eine Fortfetzung feiner
1915 veröffentlichten Unterfuchung über Eufebius als
Darfteller der phönizifchen Religion. Zunächft wird der
Quellenftoff für die Darfteilung der griechifchen Volksreligion
und der Religion der griechifchen Philofophen
herausgeftellt und dann die Art der Quellenbenutzung
gewürdigt: Eufebius fchöpft feinen Stoff aus zweiter und
dritter Hand, legt ihn in unkritifcher Form vor und läßt
fich Fehler und Mängel aller Art zu fchulden kommen.
Auch die Anführungen aus Plato flammen, wenn fie auch
im allgemeinen richtig wiedergegeben find, zumeift aus I
überkommenem Schulgut. Was den Entwicklungsgang
der griech. Religion betrifft, fo fetzt Eufebius an den Anfang
einen aus Ägypten und Phönizien gekommenen Ge- |

ftirndienft, der erft in einem jüngeren Zeitabfchnitt vom
roheften Götzendienft abgelöft worden fei. Geht diefe
Annahme auch fehl, da die Vorftellung von der zwingenden
Gewalt der Geftirne nicht am Anfang, fondern am
Ende der griech. Religionsgefchichte fleht, fo ift doch
nach D. fein Urteil richtig, daß der griech. Gottesgedanke
fpekulative oder naiv-mythologifche Welterklärung und
Naturbeobachtung war und keine wahrhaft fittliche Kultur
ermöglichte. Die Unterfuchung lieft fich, namentlich in
den erften zwei Kapiteln, nicht gerade leicht und angenehm
, da die Stellenangaben (z. B. aus Plato, daneben hl.
Schrift und außerdem die betreffende Stelle bei Eufebius
) in verfchiedenen Klammern den Text unterbrechen
(vgl. z. B. S. 44) und man ftets auseinanderhalten muß,
was der angeführte Schriftfteller z. B. Plato fagt, wie Eufebius
das berichtet, wie er darüber urteilt und wie diefes
Urteil wieder zu werten ift. Aber fie ift mit Fleiß und
Entfagung geführt und verrät gute Quellen- und Literaturkenntnis
.

Etwas naiv erfcheint es, wenn S. 87 bei Eufebius ein Hinweis
vermißt wird ,auf die Unterfchiede, die fich aus der Nachordnung
von Urwefen, Vernunft und Weltfeele bei Numenius und PJotin gegenüber
der Gleichordnung der drei Perfonen in der Trinität des Chriftetj-
tums ergeben' — als ob die damaligen chriftlichen Theologen im allgemeinen
und Eufebius im befonderen in ihrer Theologie nicht ebenfalls
eine Nachordnung angenommen hätten (vgl. D. felber S. 89 ff.).
Und den ,Abgrund, der Chriftentum und Heidentum in der Frage nach
dem Verhältnis des Endlichen zum Unendlichen trennte', konnte Eufebius
deshalb nicht fehen (S. 92), weil diefer Abgrund fchon durch die Apologeten
vor ihm zu einem großen Teil überbrückt war. Ebenfo wirkt
beim Aufbau der griech. Religionsgefchichte durch Eufebius wohl ein
älterer apologetifcher Gedanke nach, daß die Vorfehung die gefallene
Menfchheit durch Geftirndienft vor dem törichteften Bilderdienft zu bewahren
gefucht habe (Clem. AI. Strom. VI, 14, nof.). Zur ,AUgeorie
der Nacktheit (S. 96) darf ich vielleicht auf mein Buch über Pf.-Dio-
nyfius 1900, 165 ff verweifen.

München. Hugo Koch.

Rüther, Dr. Theodor: Die Lehre von der Erbsünde bei Clemens
von Alexandrien. (Freiburger Theologifche Studien) (XVI, 143 S.)
8°. Freiburg, Herder & Co. 1922. Gz. 2,4.

R. behandelt in feiner fleißigen und im allgemeinen
anfprechenden Unterfuchung die Anfchauungen des Alexandriners
über Sittlichkeit und Sünde, die erften Menfchen
im Paradiefe, die Urfünde, den Zuftand der unerlöften
Menfchheit, den Zufammenhang diefes Zuftandes mit der
Urfünde, das Heilswirken des Logos, die Taufe. Seine
Gedanken, bewegen fich in unferer Frage zwifchen feinem
von Plato, Philo und der Stoa* beeinflußten Gottesbegriff
und der chriftlichen Erlöfungsidee, zwifchen dem Mora-
lismus der ausgehenden Antike und der chriftlichen Lehre
von der Allgemeinheit der Sünde' (S. 136). Eine vererbte
Sünde und Schuld lehnt Clemens aufgrund feines Sündenbegriffs
ab, aber ein von der Sünde der Stammeltern
herrührendes Erbverderben nimmt er an und diefes findet
er darin, daß die Nachkommen Adams des unfterblichen
Lebens und der andern paradiefifchen Vorzüge entbehren
und daß das Alogon des Menfchenwefens durch die ungeordnete
Sinnlichkeit ungünftig beeinflußt wird. Vom
Verluft des Pneuma fpricht er nicht, wie er auch das
Pneuma nicht unter den Vorzügen des paradiefifchen
Lebens aufführt. Daß er trotzdem ,als Zeuge für die Kirchenlehre
gelten' könne, ift nicht einzufehen, da doch felbft
die ,Grundlagen diefer Lehre' (S. 8) bei ihm nur fehr
lückenhaft anzutreffen find. Was R. felbft S. 45 ff. als
Anfchauung des Alexandriners herausftellt, ift dem Satze
der Pelagianer, daß die Kinder in derfelben Lage feien
wie Adam vor dem Falle, zum Verwechfeln ähnlich. Es
finden fich freilich auch wieder andere Äußerungen, da
die Kirche und ihre Gnadenmittel doch nicht ganz un-
berückfichtigt bleiben können. Aber einen Ausgleich
diefer Gedanken gewinnt Clemens felber nicht und der
Intellektualismus und Moralismus bleibt bei ihm entfchieden
im Übergewicht. Ein ausführliches Kapitel über die Erb-
fündenlehre vor Clemens (S. VIII) wäre zur Einleitung fehr
dienlich gewefen. Was S. 9ff darüber gefagt wird, ge-